Mit dem Sieg beim Song Contest wurde Conchita Wurst über Nacht zum Symbol für Toleranz und Weltoffenheit. Sie steht nun im Rampenlicht nach einem nicht immer einfachen Leben. Platin-ROMY-Preisträger André Heller stellt sie in den Mittelpunkt der ersten von zwölf neuen Folgen seiner "Menschenkinder"-Reihe (Montag, 20.15, ORFIII). "Wenn jemand eine Figur erfindet, die so gegen den Strich gebürstet ist, sich so bekennt zum Außenseitertum, dann interessiert mich, aus welchem Holz ist der wirklich geschnitzt, oder ist – wenn man mit Conchita redet, wie ich – dann DIE wirklich geschnitzt", sagt Heller. "Gerade bei Conchita Wurst kommt etwas sehr Glaubwürdiges, sehr Interessantes, sehr Mutiges, sehr Verrücktes, sehr Fantasievolles heraus. Sie ist nicht nur als öffentliches Bild jemand wirklich Ungewöhnlicher, sondern in allen Etagen ihres Seins eine wirklich ungewöhnliche Person."
Ausnahmen
Hellers erfolgreiche "Menschenkinder" sind bis zu 90 Minuten dauernde Monologe "von Ausnahme-Frauen und -Männern, die darin offen ihre Wege und Irrwege, Triumphe und Nöte erzählen". Er selbst gibt den Zuhörer. "Ich bin ein leidenschaftlicher Zuhörer, weil ich so viel gelernt hab’ beim Zuhören. Lernen heißt zuschauen, zuhören, zufühlen, zu Dingen bereit sein, die einem Türen öffnen, die einem Fenster öffnen." Es gebe so viele interessante Menschen auf der Welt, "das sind ganz selten die, die immer in den Medien vorkommen." Die Zeit dazu, müsse man sich nehmen.Heller: "Zeit haben wir unglaublich viel. Wir verwenden sie nur häufig zur Ablenkung anstatt zur Hinlenkung."
Qualtinger
Zeit nehmen sollte man sich schon am Nachmittag. Um 14.20, erinnert André Heller, ebenfalls auf ORFIII, filmisch an seinen Freund, den Schauspieler, Satiriker und Kabarettisten Helmut Qualtinger. "Qualtinger war unter vielem anderen der Chefpsychohygieniker von Österreichs ungewaschener Seele in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Mein Film versucht, diese Biografie mit ihren lichten Höhen und bitteren Verwerfungen sorgfältig zu erzählen", sagte Heller anlässlich der Film-Premiere.
Ein Schlaglicht auf André Hellers Familie, speziell auf seine Mutter, wirft ORFIII am Sonntag (1.11.) mit der Doku "Die Jahrhundertfrau – Elisabeth Heller" um 21.20 Uhr (gleich nach "Menschenkinder" mit Grischka Voss).
Familie
Elisabeth Hellers Leben gleicht einem Kaleidoskop aus hundert Jahren österreichischer Geschichte: im Ersten Weltkrieg landverschickt, in der Nazi-Zeit durch ihre Ehe mit einem versponnen-verträumten Zuckerlfabrikanten von "Arisierung" und Demütigungen gegen ihren jüdischen Mann betroffen. Mit fast 50 probt sie den Aufstand gegen die Konventionen und arbeitet im Mode-Atelier. Mit 80 verpfändet sie Haus und Schmuck, weil Sohn Franz, der sich André nennt, eine gute Idee für die Bühne hat. Nicht umsonst nennt er seine Mutter die "beste Gelassenheitslehrerin der Welt".
Info: Weitere "Menschenkinder"-Folgen in 2015: Asfa-Wossen Asserate, Spross der äthiopischen Kaiserdynastie (11. 11.), die Autoren Wolf Wondratschek (25. 11.) und Josef Winkler (2. 12.), Schauspielerin Elfriede Ott (21. 12.), Energetiker Martin Weber (22. 12.), Schriftsteller Ilija Trojanow (23. 12.).
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