8000 Stunden digitale Hörfunkgeschichte
Eine beatige Kennmelodie, ein flotter Aufsager. Zuerst wird die Zeit angesagt, dann sagt der Sprecher: „1. Ausgabe des Mittagsjournals“. Es ist der 2. 10. 1967. Kurz nach der Rundfunkreform. Von da an sendet der ORF seine Journalsendungen, ohne Unterbrechung bis heute. Viele Beiträge aus der Frühzeit gingen verloren, weil anfangs nur die O-Töne der Interviewten aufgehoben wurden.
Die österreichische Mediathek hat es unternommen, das Material aus drei Jahrzehnten, den 70ern, den 80ern und den 90ern, zu digitalisieren. Der Effekt: Die Suche von Historikern, Journalisten und Studenten nach Original-Aussagen wird erleichtert, sagt die Direktorin des Technischen Museums Gabriele Zuna-Kratky. 8000 Journal-Stunden wurden erfasst, 100.000 Beiträge.
Unter den auf www. journale.at für die Ewigkeit bewahrten Aufnahmen sind Perlen der Zeitgeschichte genauso wie ewige Wahrheiten. Zum Beispiel eine von einem serbischen Reservisten in Vukovar, der zum damaligen ORF-Korrespondenten Karl Stipsicz sagt: „Wenn der Krieg beginnt, das Erste, das stirbt, ist die Wahrheit. Alles andere ist Propaganda.“ Aufgenommen wurde das Tondokument im Jugoslawien-Krieg am 20. 11. 1991. Typisch österreichisch: Jener Passant, der, nach dem Ja zum EU-Beitritt, sagt: „Der 1. Jänner (1995, Anm.) wird, wie soll i sagn, wie allerweil. I werd genauso mein Brioche-Kipferl zum Frühstück essen.“ Laut der Leiterin der Mediathek, Gabriele Fröschl, kann man anhand der Tonbänder die Veränderung der Sprache nachvollziehen: „Politiker sprechen schneller als früher, ihre Sprache wird glatter, die Aussagen sind nicht mehr so einprägsam, wie etwa jene von Bruno Kreisky (siehe Zitate).“
„... und das, liebe Freunde, sollen wir uns von ein paar pfeifenden Gassenbuben zerstören lassen.“
Bundeskanzler Bruno Kreisky zum Ortstafelkonflikt, Abendjournal, 28. 10. 1972
„Beginnen wir also – überall – mit der Trockenlegung der Sümpfe und nehmen wir, weil wir auf einer Landwirtschaftsmesse sind, auch gleich die sauren Wiesen dazu.“
Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Mittagsjournal, 20. 3. 1985
„... gehn S’, die ganz’n Jahrzehnte war jetzt a Ruh nachm Krieg, des is ois nur aufgeschaukelt ... es soi doch amol a Friedn sein, heans, ... do ned imma .... a Wüderei!“
Eine Passantin zur „Heldenplatz“-Premiere, Morgenjournal, 5. 11. 1988
„Was wir aufgebaut haben alles, und jetzt soll ich das teilen, nehm’ an, sagen wir mit den Italienern und Portugal, die aus den letzten Löchern blasen, sollen wir unser Geld dort reinstecken.“
Ein Passant über die EU, Mittagsjournal, 30. 10. 1994
„Da muss man abwarten, was die nächsten Erkenntnisse bringen.“
Fußballer Toni Polster, ebenda
„Wir olla miteinander ham heute Österreich ein Stück verändert. Gleichzeitig ist der heutige Tag natürlich erst der Beginn. Jetzt miass ma beweisen, dass ma wirklich was drauf ham!“
Willi Resetarits am Lichtermeer, Mittagsjournal, 22. 1. 1998
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