Athen: Gläubiger müssen Haare lassen

Athen: Gläubiger müssen Haare lassen
Die privaten Geldgeber des Landes werden zum Verzicht von 70 Prozent ihrer Forderungen gedrängt – notfalls mit Zwang.
Athen: Gläubiger müssen Haare lassen

Ein Haarschnitt ist üblicherweise mit keinerlei Schmerz verbunden. Wenn Griechenland jetzt zur Schere greift, wird das vielen allerdings ordentlich wehtun. Bei großen Privatgläubigern wie Banken, Versicherungen oder Fonds ist der griechische Staat mit rund 200 Milliarden Euro verschuldet. Erstmals in der Geschichte der Eurozone werden diese Gläubiger einem Staat Schulden erlassen (im Fachjargon Haircut genannt). 107 Milliarden Euro Schuldenerlass auf freiwilliger Basis sind angepeilt. Das Gesetz zum Schuldenschnitt wurde am Donnerstagabend im Parlament von Athen beschlossen und gestern, Freitag, den Gläubigern vorgestellt.„Wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Für den Fall, dass sich zu wenige finden, die das Umtauschangebot freiwillig annehmen, hat Griechenland vorgesorgt. Laut dem Gesetz können Privatgläubiger auch zum Haircut gezwungen werden. „Die Freiwilligkeit bei dem Ding ist ja so wie das Geständnis bei der spanischen Inquisition freiwillig war“, ärgerte sich Martin Blessing, Vorstandschef der Commerzbank, am Donnerstag. Das zweitgrößte Geldhaus Deutschlands wird sich dennoch beugen und beim Schuldenschnitt mitmachen. So wie die Commerzbank werden viele andere Privatgläubiger mitmachen müssen, um auf die angepeilten 107 Milliarden Euro Verzicht zu kommen.

Hedgefonds

Josef Ackermann, Boss der Deutschen Bank und Präsident des Weltbankenverbandes IIF, rechnet zwar mit einer „substanziellen Beteiligung des Finanzsektors“. Zuletzt hatte es aber immer wieder geheißen, dass sich vor allem Hedgefonds nicht rasieren lassen wollen. Sie setzen lieber darauf, dass Griechenland pleitegeht. Anlegerschutzvereine aus ganz Europa wiederum fordern eine Ausnahme vom Haircut für Kleinanleger. Diese halten rund ein Prozent der ausgegebenen Staatsanleihen.Der Schmerz der Gläubiger in Zahlen: 107 Milliarden bedeuten einen Schuldennachlass von 53,5 Prozent. Für den Rest bekommen die Gläubiger zwar teilweise sichere Anleihen vom Rettungsfonds, vor allem aber neue griechische Staatsanleihen mit deutlich schlechteren Konditionen. Verzicht und schlechtere Bedingungen summieren sich auf einen Verlust von mehr als 70 Prozent. Bis spätestens 12. März soll zusammengerechnet werden, wie viel durch einen freiwilligen Verzicht zusammenkommt. Sind die angepeilten 107 Milliarden nicht erreicht, könnte dann der erzwungene Verzicht folgen. Der Zeitplan ist deshalb so knapp bemessen, weil am 20. März Anleihe-Tilgungen in Höhe von fast 15 Milliarden Euro fällig sind. EZB-Chef Mario Draghi zeigt sich zuversichtlich, dass Griechenland den Schuldenschnitt nicht erzwingen muss. Die Klausel würde nur „unter Umständen“ als Druckmittel gebraucht, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung .

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