Athen: Euro-Abschied als Horrorszenario
An irgendeinem Freitagabend in Griechenland: In den Banken des Landes wird emsig damit begonnen, Euro-Banknoten abzustempeln. Montagfrüh ist die griechische Währungswelt dann eine komplett andere. Es gelten nur noch abgestempelte Euro-Scheine als Währung, die mit dem „wirklichen“ Euro nichts mehr zu tun hat. So oder ähnlich stellt sich mancher Experte den Über-Nacht-Ausstieg aus dem Euro und die Rückkehr zur früheren Landeswährung vor.
Ökonom Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut verweist dies allerdings ins Reich der Fantasie. Ein derartiges Umstempeln sei technisch gar nicht machbar. Wenn Griechenland tatsächlich aus dem Euro ausschert und seine Währung (z. B. auf Drachmen) umstellt, müssten einfach neue Banknoten her. Das allerdings dauert. Als die USA für den Irak neue Banknoten (in London) drucken ließ, habe das drei Monate gedauert, erzählt Url. 30 Jumbojets waren nötig, um die Menge an neuem Geld in den Irak zu schaffen.
Behalten jene recht, die voraussagen, dass Griechenland bereits im heurigen dritten Quartal die Eurozone verlässt, müssten also irgendwo auf der Welt bereits Drachmen gedruckt werden. Gerüchte dafür halten sich hartnäckig, Beweise dafür gab es bisher aber keine.
Grexit
Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International, hält einen Griechen-Exit aus dem Euro – wofür es bereits das Kunstwort „Grexit“ gibt – aus jetziger Sicht für mittlerweile wahrscheinlicher als einen Verbleib in der Währungsunion. Ein Auszug aus der Eurozone brächte aber weder Griechenland noch anderen Vorteile, warnt Brezinschek: „Damit haben die Griechen ja noch keine nachgefragten Produkte oder einen flexibleren Arbeitsmarkt.“ Und damit wäre auch noch keine einzige nötige Strukturreform erledigt. In Griechenland seien noch immer 22 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Sektor tätig, in Österreich seien es 12 Prozent.
Ein Euro-Austritt hätte für die Hellenen dramatische Folgen, malen Ökonomen Horrorszenarien an die Wand. Um einen Run auf die Banken zu verhindern, müssten diese eine Zeit lang gesperrt werden. Abheben oder überweisen könnten Griechen für längere Zeit nur Minibeträge. Mit strengen Kapitalverkehrskontrollen müsste verhindert werden, dass Gelder ins Ausland verschoben werden.
Diese Vorkehrungen wären bei einem Euro-Austritt der Griechen allerdings auch in anderen Ländern notwendig, meint RBI-Experte Brezinschek. Denn ein Teil der befürchteten Ansteckungsgefahr bestehe darin, dass es auch in Portugal, Spanien, Irland oder Italien zu einem Run auf die Banken kommen könnte. Denn auch dort würde die Panik umgehen, dass das jeweilige Land die Eurozone verlässt.
Bei einem „Grexit“ könnten Banken in der Eurozone zudem hart auf die Kreditbremse steigen und Geld lieber bei der Europäischen Zentralbank parken. Ein Gegenmittel sieht Brezinschek darin, dass die EZB Negativzinsen einführt, also etwas dafür verlangt, wenn Geld bei ihr gehortet wird. Da würden Banken dann doch lieber Kredite vergeben.
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