Goldenes Quartier ist ein "totes Quartier"

Goldenes Quartier ist ein "totes Quartier"
Architektenteam wundert sich darüber, was in Wien (nicht) verpönt ist und vermisst Vielfalt in der City.

Susi Hasenauer, Armin Ebner und der aus Hamburg stammende Stephan Ferenczy waren Studienkollegen in der Meisterklasse Wilhelm Holzbauer an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. 1995 gründeten sie BEHF. Es ist mit 100 Mitarbeitern eines der größten Architekturbüros Österreichs und bekannt für die Gestaltung von Firmenfilialen (Merkur, A1, Deutsche Bank) und Restaurants in Wien (Fabios, Motto am Fluss, Shiki).

KURIER: War bei BEHF von Beginn an geplant, sich auf Handel zu spezialisieren?

Armin Ebner: Wir haben ein weites Spektrum, aber mit Handel begonnen. 1995 haben wir für Libro den ersten Megastore in Österreich gebaut. Davor gab es dieses Format hier eigentlich nicht.

Der Handel lockt mit Entertainment und Sie schaffen dafür einen Rahmen?

Stephan Ferenczy: Genau so.

Ebner: Das war die Erkenntnis der Neunzigerjahre. Spätestens seit der Krise 2008 ist aber alles ein bisschen demütiger geworden.

Goldenes Quartier ist ein "totes Quartier"
Ferenczy: Der Handel besinnt sich gerade wieder auf das soziale Erlebnis. Ich finde es ja zum Beispiel interessant, wie sich ein Apple-Shop – etwa in New York auf der Fifth Avenue – auf eine Glashaut reduziert. Er ist also fast nicht existent. Das Get-together steht im Vordergrund. Eine bewusst inszenierte Welt.

Was kommt, was bleibt?

Ebner: Erfolgreich wird sein, wer einen guten Mix aus Online- und stationärem Handel schafft. Die Digitalisierung hat die Leute auseinanderdriften lassen und gleichzeitig das Bedürfnis geschaffen, zusammenzutreffen. Auf diesen Plätzen wird man halt zufällig auch etwas kaufen können.

Was halten Sie denn vom Goldenen Quartier in Wien?

Ferenczy: Das würde ich totes Quartier nennen. Eine Freundin von mir meint immer, man könne die Kinder dort bedenkenlos zum Fahrrad-Üben hinschicken.

Ist das noch rettbar?

Ferenczy: Nein.

Ebner: Naja, irgendwann werden die ersten Geschäfte aufgeben und andere kommen.

Ferenczy: Da gehört ein Tattoo-Shop und eine Wahrsagerin hinein für die Vielschichtigkeit (alle lachen).

Wie wird die Arbeit zwischen Ihnen aufgeteilt? Ihr seid eine Freundesgruppe, außerdem ein Ehepaar.

Ferenczy: Das Stichwort ist: true love – die beste Basis für Geschäfte. Ich war ja derjenige, der entscheiden durfte, ob er mit dem Ehepaar als Mami und Papi in die Kinderrolle geht (alle lachen). Wir arbeiten bewusst zusammen und nicht, weil wir es einzeln sonst nicht schaffen würden.

Goldenes Quartier ist ein "totes Quartier"
Susi Hasenauer:Bei der Bürogründung hatten wir einen tollen Auftrag. Aus dem Projekt sind weitere entstanden. Erst danach haben wir uns damit beschäftigt, wie wir uns weiterentwickeln wollen. Natürlich haben wir unterschiedliche Zugänge und haben das Büro dann von vier Partnern auf drei reduziert.

Ihre Firmenphilosophie?

Ferenczy: Wir bekennen uns dazu, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, was bei einem Architekturbüro oft als unedel gilt. So ein Büro – in Wien! – mit 100 Mitarbeitern zu führen, ist nicht selbstverständlich. Da sind wir extrem stolz darauf.

Ebner: Kompetente, schlagkräftige Büros sind zukunftsträchtig. Und nicht Eintagsfliegen, die ein Unternehmen nur gründen, weil der Dachboden der Oma auszubauen ist. Das kommt oft vor.

Architekten gibt’s relativ viele.

Ferenczy: Ja, das ist wie bei Malern und Schauspielern: Da gehört es zum Geschäft, dass man auch mal sechs Monate ohne Job durchtaucht.

Ebner: Ein Problem ist außerdem: In der Architektur muss man damit kalkulieren, dass mindestens zehn bis 15 Prozent an Honoraren nicht überwiesen werden. Wenn etwa aus dem Projekt nichts wird oder es sich der Auftraggeber anders überlegt.

Und bei Wettbewerben macht man ja auch oft mit, ohne den Auftrag zu kriegen.

Hasenauer: Ja, aber das ist kalkuliertes Risiko.

Goldenes Quartier ist ein "totes Quartier"
Ebner: Das, was uns ausmacht, ist, dass wir für ganz unterschiedliche Bereiche und Kulturen stehen.

Hasenauer: Auch in der Tiefe: vom Hochbau bis Interieur.

Die von Ihnen gestalteten Lokale sind quasi eine Visitenkarte von Ihnen.

Ebner: Im Restaurantbereich gestalten wir in Abstimmung mit dem Besitzer vom Besteck über das Logo bis zur Türklinke alles. Aber wenn dann das Service nicht entsprechend ist, hilft auch ein durchdesigntes Lokal nichts.

Ferenczy: Architektur allein trägt ein Lokal nicht. Das ist das Schöne: Es geht immer um den Inhalt.

Setzt sich denn die Politik genügend damit auseinander, wie ein Gebiet zu entwickeln ist?

Ferenczy: Ja, ich bin da nicht so kritisch wie meine Kollegen. Wien wächst und muss dafür sorgen, dass der Speckgürtel eingedämmt wird. Im Marchfeld sollen auch weiter Tomaten und Spargel wachsen. Die Stadtplanung beschäftigt sich schon mit Qualitätssicherung. Direktvergaben unter der Hand gehen da nicht mehr.

Warum bauen dann immer wieder dieselben Haus-und-Hof-Architekten in der Stadt?

Ferenczy: Wenn es so wäre, würde ich mich sofort dafür anmelden, ein Haus-und- Hof-Architekt zu werden (lacht). Das ist leider nicht der Fall. Aber es gibt nur zehn bis 30 Architekturbüros, die überhaupt so große Projekte bewältigen können. Ab einer gewissen Größe müssen sich mehrere Architekten einen Bauplatz teilen.

Darum darf am Hauptbahnhof nicht nur Albert Wimmer bauen, sondern auch BEHF.

Ebner: Der größte Teil des Hauptbahnhofs ist das Rundherum. Und das ist es auch, was wir am Westbahnhof kritisieren. Die alte Bahnhofshalle ist ja ein wunderbares Juwel einer Wiederaufbau-Architektur. Aber wie geht man mit dem Drumherum um? Am Westbahnhof hat alleine der Maßstab der beiden flankierenden Neubauten zu einer völligen Verschiebung der Proportionen geführt. Von Form und Qualität ganz zu schweigen. Da sehe ich die Entwicklung am Hauptbahnhof etwas entspannter.

Herr Ferenczy, Sie wohnen im Herrengassen-Hochhaus. Die Bar darin hat BEHF gestaltet. Ihr persönliches Projekt?Ferenczy: Wir alle gemeinsam haben das gemacht, und Susi hat es finanziert.

Die Frau im Unternehmen kümmert sich um die Finanzen?

Hasenauer: Das hat sich so ergeben. Als wir begonnen haben, packte jeder dort an, wo er sich kompetent fühlte.

Wirtschaften lernt man aber nicht im Architekturstudium.

Hasenauer: Man kann auch Dinge am praktischen Projekt üben. So eine Hexerei ist das auch wieder nicht.

Ferenczy: Als wir Studenten waren, hatte Susi schon immer 100 Schilling.

Hasenauer: (lacht) Mir war klar, dass mir das Wirtschaftliche in der Firma zufallen soll, wenn ich gut schlafen möchte. Eine gewisse Leidenschaft muss man für das Thema aber schon haben.

Ist die Politik unternehmerfeindlich?

Ferenczy: Natürlich ist die Politik unternehmerfeindlich, die ganze Gesellschaft ist es. In Wien ist es verpönt, sich wirtschaftlich zu engagieren, während Rotweintrinken überhaupt nicht verpönt ist. In Hamburg kommt das zum Beispiel nicht so gut an. Es besteht hier eine große Sehnsucht, sich von der Politik irgendwohin tragen zu lassen. BEHF braucht keine Förderung und sucht keine Unterstützung durch die Politik.

Manches wie die hohen Lohnnebenkosten regen Sie nicht auf?

Hasenauer: Wenn man bei einer Gehaltserhöhung ausrechnet, was uns das kostet und wie viel beim Mitarbeiter ankommt, dann ist das schon hart! Man sollte dem Mitarbeiter – wie in der Schweiz – das Geld, das er den Arbeitgeber insgesamt kostet, in die Hand geben und ihn selbst veranlagen lassen. Das würde schlagartig das Interesse der Bürger daran erhöhen, wohin das Geld bei uns verdunstet. Deswegen antworten die Schweizer bei Volksbefragungen anders, als es die Österreicher tun würden. Wir weisen am Gehaltszettel alles aus. Diese Bewusstseinsbildung halte ich auch für einen Auftrag von uns.

Ebner: Wobei wir gern hier leben und arbeiten und auch bereit sind, etwas ins System einzuzahlen.

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