Erstmals seit 10 Jahren: Bald über 3 Mio. Arbeitslose in Deutschland

Erstmals seit 10 Jahren: Bald über 3 Mio. Arbeitslose in Deutschland
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland könnte wieder steigen. Experten rechnen im Frühling mit über 3 Millionen Arbeitslosen.

Die Arbeitslosenzahl in Deutschland könnte im kommenden Jahr nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) erstmals seit zehn Jahren über drei Millionen steigen. Es gebe derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass sich an der Flaute als Folge der wirtschaftlichen Schwäche etwas ändere, sagte BA-Chefin Andrea Nahles am Freitag: "Es kann im nächsten Frühling, wenn sich daran nichts ändert, auch kurzfristig dazu führen, dass wir über drei Millionen kommen."

Im September fiel die Arbeitslosenzahl in geringerem Umfang als üblich um 66.000 auf 2,806 Millionen. Die Arbeitslosenquote sank leicht auf 6,0 Prozent. Auch Banken-Volkswirte rechnen mit einer weiteren Abkühlung.

Kurzarbeit ist sehr gefragt

"Die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt startet in diesem Jahr nur sehr zögerlich", sagte Nahles. Unter Herausrechnung des jahreszeitlichen Effekts stieg die Erwerbslosenzahl laut BA von August auf September um 17.000. Auch Kurzarbeit sei weiterhin erhöht. Bei der Suche nach neuem Personal seien die Unternehmen nach wie vor zurückhaltend. "Das moderate Beschäftigungswachstum hingegen hat sich zum Glück im Juli fortgesetzt", sagte Nahles.

Demnach gab es 34,73 Millionen sozialabgabenpflichtig Beschäftigte im Juli und damit um 150.000 mehr als ein Jahr zuvor. Der Anstieg gehe vor allem auf Zuwächse in Branchen des Dienstleistungssektors zurück. "In konjunkturnahen Branchen, wie beispielsweise der Zeitarbeit oder dem Verarbeitenden Gewerbe, hingegen sinkt die Beschäftigung", unterstrich Nahles.

Die Unternehmen melden laut BA zudem steigenden Bedarf an Kurzarbeit an, mit der sie Auftragsflauten überbrücken können. Beschäftigte reduzieren dann ihre Arbeitszeit und bekommen Kurzarbeitergeld von der BA. Im Juli wurde laut BA für 212.000 Beschäftigte konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, nach 220.000 im Juni. "Einen rückläufigen Trend sehen wir noch nicht durch diese leichte Abnahme", sagte Nahles. Die Anzeigen für Kurzarbeit deuteten auf einen steigenden Bedarf hin.

Bundesregierung in der Verantwortung

Nahles warnte vor einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit: "Wir brauchen schlicht und ergreifend im Laufe des nächsten Jahres eine konjunkturelle Belebung." Die BA-Chefin plädierte für Impulse zur Unterstützung der Transformation im industriellen Sektor. Dort vermischten sich konjunkturelle und strukturelle Effekte. "Da sehe ich tatsächlich einen Punkt, wo tatsächlich Unterstützung geleistet werden müsste", sagte Nahles. "Das ist eine Verantwortung, die die Bundesregierung da sicherlich auch sieht und aus meiner Sicht wahrnehmen muss."

Banken-Volkswirte rechnen mit einer weiteren Abschwächung. Trotz Fachkräftemangels steige die Arbeitslosigkeit weiter, weil die Fähigkeiten von Arbeitslosen nicht zu den offenen Stellen passten. "Gerade Arbeitslose und Geringqualifizierte nehmen relativ selten an Weiterbildung teil", erklärte KfW-Volkswirtin Fritzi Köhler-Geib. "Es geht also auch um die Stärkung von Eigeninitiative und Motivation und das Setzen von Anreizen."

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