Bei Apple ist der Wurm drin
Nichts spiegelt das absurde Wirtschaftsdenken der New Yorker Wall Street besser wider als der bizarre Umgang mit dem erfolgsverwöhnten US-Konzern Apple.
76,8 Millionen verkaufte iPhones und 18,4 Milliarden Dollar (16,9 Milliarden Euro) Gewinn standen am Ende des Weihnachtsquartals 2015. Damit toppte der iPhone-Hersteller nicht nur die Rekordzahlen des Vorjahres, sondern legte zum zweiten Mal in Folge eines der besten Ergebnisse eines Unternehmens in der gesamten Wirtschaftsgeschichte vor. Von der erwarteten Freude blieb wenig übrig, unter Analysten und Anlegern an der US-Börse dominierten die Negativschlagzeilen.
Grund dafür: Das Wachstum bei den iPhone-Verkäufen fiel im Vorjahresvergleich mit 0,4 Prozent so schmal wie nie zuvor aus. Darüber hinaus prognostizierte Apple für das laufende Quartal den ersten Umsatzeinbruch seit mehr als zehn Jahren. Statt 58 Milliarden Dollar im Vorjahr dürften nur mehr 50 bis 53 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Die Aktie verzeichnete am Mittwoch ein Minus von knapp fünf Prozent auf 95,18 Dollar.
Schlechte globale Wirtschaftslage
Apple-Chef Tim Cook beeilte sich, den schwächeren Ausblick als vorübergehendes Problem abzutun, wählte aber überraschend deutliche Worte. „Wir haben es mit den extremsten Rahmenbedingungen zu tun, die der Konzern jemals erlebt hat“, meinte Cook in Hinblick auf Währungsabwertungen in Ländern wie Russland, Brasilien, aber auch Europa, die auf das Ergebnis drückten. Auch die schwächelnde Konjunktur im Hoffnungsmarkt China macht dem Konzern zu schaffen.
Während Apple die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 praktisch unbeschadet überstand, dürfte das 2016 weniger gut klappen. Das liegt zum einen daran, dass der Smartphone-Markt vielerorts bereits gesättigt ist und Apple an den Rekordergebnissen der vergangenen Jahre gemessen wird. Dass der Wirtschaftsmotor im mittlerweile zweitwichtigsten Absatzmarkt China zu stottern beginnt, zeigen auch die verfehlten Verkaufsziele von aufstrebenden chinesischen Smartphone-Konkurrenten wie Xiaomi. Der mit günstigen, aber hochwertigen Geräten punktende Hersteller musste vor wenigen Tagen seine Verkaufszahlen von 80 auf 70 Millionen Geräte korrigieren, der Umsatz blieb im Service-Bereich gar um 50 Prozent hinter den Erwartungen.
„Angesichts des enormen Kundenstocks mit einer Milliarde aktiver Geräte wird es für Apple zunehmend schwieriger, große Wachstumszahlen zu erzielen. Sie werden mit dem für Herbst erwarteten iPhone 7 aber sicherlich zu moderaten Zuwächsen zurückkehren“, sieht Apple-Analyst Horace Dediu im KURIER-Interview wenig Grund zu Besorgnis.
Die Kritik an der Abhängigkeit Apples von seiner erfolgreichsten Produktkategorie – drei Viertel des Gewinns werden mit iPhones erwirtschaftet – lässt Dediu so nicht gelten. „Apple besitzt eine lange Tradition, an der Börse weit unter seinem Wert geschlagen zu werden. Das ist insofern absurd, da der Konzern über die loyalsten Kunden der Branche verfügt und in Bereichen wie dem Service-Geschäft sowie dem PC-Markt mit Wachstumsraten punktet, von denen Konkurrenten nur träumen können“, sagt Dediu.
Indien wird das neue China
Grund zur Hoffnung bietet neben dem weiterhin soliden Wachstumsmarkt China – der Umsatz stieg dort um 14 Prozent auf 18,4 Milliarden Dollar – erstmals auch Indien. Dort konnte Apple seine iPhone-Verkäufe nicht nur fast verdoppeln, sondern dürfte von der Regierung in Kürze eine Sondergenehmigung erhalten, eigene Geschäfte aufzusperren. Der Verkauf von Apple-Geräten war bisher lokal betriebenen Kaufhäusern vorbehalten.
Für das globale Geschäft könnte Apple 2016 zugute kommen, dass im Herbst mit dem iPhone 7 erstmals seit zwei Jahren ein von Grund auf neu entwickeltes Modell auf den Markt kommt. Um das mittelpreisige Segment abzufangen, will Apple in Kürze mit einem günstigen iPhone auftrumpfen. Inwiefern neue Produkte wie die Apple Watch sich als Umsatzbringer entwickeln, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Auch ob sich die Hoffnungen auf ein Apple-Auto in naher Zukunft erfüllen, bleibt vorerst fraglich.
Kommentare