ÖBB-Chef: Altersteilzeit und neue Eisenbahner

Bahn-Boss Matthä: 200 Millionen Euro Gewinn heuer nicht möglich.
Die Rezepte von Bahn-Chef Andreas Matthä gegen die Überalterung der ÖBB-Belegschaft.

KURIER: Die Bahn hatte kürzlich einen Unfall mit Verletzten, weil Güterwaggons herrenlos unterwegs waren. Passiert das öfter?

Andreas Matthä: Gott sei Dank nicht. Die Bahn ist eines der sichersten Verkehrsmittel, solche Unfälle kommen selten vor. Aber es ist natürlich jeder einzelne Unfall einer zu viel. Wir klären gerade die Ursachen des aktuellen Falles, die vom technischen Defekt bis zur Fremdeinwirkung reichen können. Klar ist, dass wir dafür zu sorgen haben, dass so etwas nicht passiert.

Ein anderes Sicherheitsthema: Der Betriebsrat klagt über steigende Übergriffe auf Zugpersonal. Es gibt aber auch immer weniger Zugpersonal, das für Sicherheit sorgen könnte, ...

Wir haben in unseren Zügen Zugbegleiter und Kundenbetreuer, ...

... im Railjet von München nach Budapest begleiten mich auf der deutschen Strecke drei Eisenbahner, in Österreich einer und in Ungarn wieder drei ...

... von der Gesamtzahl ist das ganz ähnlich wie bei den Bahnen der Nachbarländer. Der Unterschied ist, dass wir die Mitarbeiter von Henry am Zug (Catering-Unternehmen, Anm.) in die Kundenbetreuung miteinbeziehen. Verpflichtend muss ein Zugbegleiter an Bord sein als Zugchef. Unabhängig davon schauen wir uns gerade an, ob und wie wir das Service auch durch zusätzliche Mitarbeiter verbessern können. Neben den betrieblichen Erfordernissen geht es dabei vor allem um die Kundenzufriedenheit. Für uns ist das subjektive Sicherheitsempfinden unserer Fahrgäste wichtig. Deshalb haben wir 500 Security-Mitarbeiter eingestellt.

Die gibt es aber nur auf den Bahnhöfen ...

Das ist aber ganz wesentlich, weil wir damit schon im Vorfeld der Zugreise gewisse Punkte lösen können. Wir haben aber auch in den Zügen Maßnahmen gesetzt. Auf bestimmten Strecken nehmen wir zusätzlich Security-Personal mit. Und wir setzen auch gezielt Body-Cams ein, um Konfliktsituationen zu deeskalieren. Zusätzlich schulen wir unsere Mitarbeiter verstärkt darin, mit kritischen Situationen umzugehen.

Ist die von Ihrem Vorgänger Christian Kern gestartete Aufstockung des Sicherheitspersonals damit abgeschlossen?

Der erste Teil mit 500 zusätzlichen Mitarbeitern ist abgeschlossen. Es wird eine zweite Phase geben, in der wir noch einmal rund 250 Mitarbeiter aufnehmen wollen.

Die Betriebsratszeitung schreibt, dass es dem im Sommer gestarteten Fernbus Hellö nicht wirklich gut geht ...

Ich bin ein bisschen überrascht, dass darüber irgendjemand überrascht ist. Es war doch klar, dass unser Fernbus "Hellö" nicht schon im ersten Jahr üppig Gewinne einfahren wird. Wir sind mitten in der heurigen Reisezeit gestartet und hatten in den ersten Monaten auch guten Zuspruch. Jetzt in der Winterzeit – da bin ich ganz offen – sitzt in den Fernbussen kaum jemand. Weder bei uns noch in den Bussen der Mitbewerber.

Die Deutsche Bahn hat kurz nach dem Einstieg der ÖBB in diesen Markt aufgegeben. Wie lange schauen Sie sich das an?

Wir sehen im Fernbus eine sinnvolle Ergänzung unseres Angebots für ein sehr preisbewusstes Publikum. Wir verfolgen das Konzept, dass es am Ende des Tages eine Ergänzung unseres Angebotes ist. Und in Richtung Süden ist der Fernbus zumindest bis zur Fertigstellung der Südstrecke ein ernst zu nehmender Mitbewerber. Unser Plan waren immer schwarze Zahlen im Jahr 2020, daran halten wir fest.

Sie haben mit Bombardier einen Rahmenvertrag über 300 Regionalzüge abgeschlossen. Brauchen Sie so viele Züge?

Ja, wir brauchen neue Züge, um die stetig wachsende Zahl an Fahrgästen zu befördern. Der bestehende Rahmenvertrag mit Siemens war sowohl in der Zeit als auch bezüglich der Zahl der Züge limitiert. Um unseren Bedarf decken zu können, haben wir einen zweiten Rahmenvertrag ausgeschrieben.

Sie brauchen aktuell aber nur 21 Züge für Vorarlberg ab Mitte 2019, oder?

Vorarlberg hätten wir noch aus dem Siemens-Vertrag bedienen können. Weitere Bundesländer können wir aber nicht mehr mit neuen Zügen versorgen, deshalb haben wir neu ausgeschrieben.

In Ostösterreich fahren auch nach dem Kauf von 101 neuen Zügen weiterhin uralte S-Bahn-Garnituren. Wann sind endlich alle ausgetauscht?

Es gibt konkrete Gespräche mit dem Verkehrsministerium, noch im bestehenden Verkehrsdienstevertrag weitere rund 60 S-Bahnen durch Cityjets zu ersetzen.

Die ÖBB haben eine überalterte Belegschaft, fast drei Viertel der 40.000 Mitarbeiter sind älter als 45. Sie können sie aber nicht mehr in Frühpension schicken. Gibt es Modelle für altersgerechtes Arbeiten?

Wir haben neben dem gesetzlichen Altersteilzeitmodell ein betriebliches Modell, das früher beginnt. Und wir gehen davon aus, dass dieses in den nächsten Jahren verstärkt in Anspruch genommen wird. Für uns ist das wichtig, um den notwendigen Generationswechsel zu bewältigen. Parallel dazu werden in den nächsten Jahren rund 10.000 neue Mitarbeiter aufnehmen.

Woher kommen die neuen Mitarbeiter, die brauchen ja eine Qualifikation, die den Bedürfnisse eines Bahnunternehmens entspricht. Wer bildet sie aus?

Die neuen Eisenbahner kommen einerseits direkt aus unserer Lehrlingsausbildung, die ÖBB sind der größte Lehrlingsausbilder in technischen Berufen. Die zweite Schiene ist unser Bildungszentrum in St. Pölten. Das bauen wir massiv aus.

Der Güterverkehr ist Ihr Sorgenkind. Verdienen Sie dort Geld?

Im Inland haben wir aktuell 30 Mitbewerber in einem stagnierenden Markt. Wir haben auf diese Entwicklung mit dem Ausbau des internationalen Geschäfts geantwortet, das läuft sehr gut. In Summe werden wir auch heuer wieder ein deutlich positives Ergebnis schreiben.

Ihr Vorgänger hat angekündigt, dass der Gesamt-Gewinn heuer "nicht unter 200 Millionen Euro" ist. Geht sich das aus?

Auch wenn das Jahr noch nicht abgeschlossen ist, kann ich schon sagen, dass wir ein sehr gutes Ergebnis erreichen werden. Für ein neues Rekordergebnis – und nichts anderes wären die 200 Millionen – ist die Konjunktur derzeit aber einfach zu schwach.

Das heißt, es bleibt wie 2015 bei 150 Millionen Euro?

Der Gewinn wird voraussichtlich etwas höher sein.

Der 54-jährige Techniker (HTL-Tiefbauingenieur) und FH-Absolvent (Unternehmensführung) ist ÖBB-Urgestein. 1982 startete er bei der Bahn-Infrastruktur als Bauleiter, 2001 wurde er Bereichsleiter für Planung und Controlling, 2008 zog er in den Vorstand der Infrastruktur Bau AG ein, ab 2009 war er Chef der ÖBB-Infrastruktur AG mit rund 17.000 Mitarbeitern und 2,5 Milliarden Euro Investitionen jährlich. Im Mai 2016 wurde er ÖBB-Chef. Matthä ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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