Amazon-Gründer Bezos geht - so halb

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Bezos soll beim Online-Händler weiterhin der starke Mann im Hintergrund bleiben.

Nach rund 27 Jahren endet beim weltgrößten Onlinehändler Amazon eine Ära: Gründer Jeff Bezos will den Vorstandsvorsitz im dritten Quartal an den derzeitigen Chef von Amazon Web Services (AWS), Andy Jassy, übergeben. Zwar zieht sich Bezos von der Spitze zurück - allerdings sollte sich das weniger stark als vermutet auf den Konzern auswirken. Was bei Amazon los ist, was die Analysten denken und was die Aktie macht.

Es sei der "optimale Zeitpunkt für den Übergang" angesichts starker Zahlen, sagte Bezos am Mittwoch bei der Vorstellung der Quartalsergebnisse. Er will die Leitung an Jassy übergeben. Für Insider kommt die Beförderung nicht überraschend: Der 53-Jährige galt schon lange als Favorit, einmal die Nachfolge des nur vier Jahre älteren Bezos anzutreten.

Profitable Sparte

Die Wahl Jassys verdeutlicht auch die Relevanz der Cloud-Sparte. Jassy baute das lukrative Geschäft auf und verantwortet Amazon Web Services (AWS). Unzählige Firmen sind mittlerweile Kunden und greifen auf IT-Anwendungen oder den Speicherplatz zu. Die Sparte gilt als besonders profitabel: 2020 fiel der Zuwachs des operativen Gewinns von AWS verglichen mit dem Geschäft in Nordamerika mehr als doppelt so hoch aus. Das Cloud-Segment macht mittlerweile drei Fünftel des Betriebsergebnisses aus.

Vollständig raus ist Bezos aber nicht. Als geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrats bleibt er der starke Mann im Hintergrund. Der 57-Jährige kündigte an, nicht in Ruhestand gehen zu wollen. Stattdessen wolle er sich neuen Produkten und Initiativen widmen. Unter Bezos war der einstige Online-Buchladen zu einem vielseitigen Konzern aufgestiegen: Neben dem Versandhandel und der Cloud-Sparte hat Amazon eine eigene US-Supermarktkette und Streaming-Services im Angebot. Zudem setzt der Konzern mit einer eigenen Lieferlogistik Paketzusteller wie DHL oder UPS unter Druck.

Im Alltag integriert

Die mittlerweile stark im Alltag der Menschen integrierten Dienstleistungen von Amazon wirken sich auch auf die Bilanz aus. Angetrieben vom Bestellboom in der Coronakrise und von einem starken Weihnachtsgeschäft knackte Amazon in den drei Monaten bis Ende Dezember erstmals die Umsatzmarke von 100 Milliarden US-Dollar in einem Quartal. Zum Vorjahreszeitraum legten die Erlöse um 44 Prozent auf 125,6 Milliarden Dollar (104,7 Mrd. Euro) zu. Den Nettogewinn konnte Amazon auf 7,2 Milliarden Dollar deutlich mehr als verdoppeln. Im Geschäftsjahr 2020 verdiente der Konzern 21,3 Milliarden Dollar, was einem Anstieg um 84 Prozent und einer neuen Bestmarke entspricht.

Wie auch viele andere Aktien litt auch der Kurs von Amazon in der Coronakrise. Mitte März 2020 stürzte der Kurs auf ein Tief von 1.626 US-Dollar. Ein Blick auf die Performance bis heute lässt Anleger die Delle aber schnell vergessen: Denn seitdem hat sich der Wert einer Aktie verdoppelt. Der Weg bis dahin war allerdings nicht von einem stetigen Anstieg geprägt. Nach dem Rekord Anfang September bei 3.552 Dollar brach das Coronamomentum ab. Die Aktie sackte in den darauffolgenden Tagen um knapp 20 Prozent ab - erst ab Oktober ging es wieder nach oben.

Auf lange Sicht hat die Aktie eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt. Anleger, die sich vor fünf Jahren zum Kauf einer Amazon-Aktie entschieden und diese seither gehalten haben, freuen sich heute über einen knapp siebenmal so hohen Wert. Wer vor einem Jahr eine Aktie gekauft hat, freut sich über ein Plus von rund 63 Prozent.

Starker Aufstieg

Noch imposanter lesen sich die Zahlen, wenn man auf die Zeit seit dem Börsengang 1997 blickt. Seitdem verteuerte sich der Wert Amazons im Vergleich zu dem um Aktiensplits bereinigten Ausgabepreis von 1,5 Dollar um fast 222.000 Prozent. Damit reicht Amazon bei dieser Wertung fast an den Softwarekonzern Microsoft heran. Der Kurs der Microsoft-Aktie legte seit dem Börsengang 1986 im Vergleich zum splitbereinigten Ausgabepreis von etwas mehr als 7 Cent um fast 350.000 Prozent zu.

Mit einer Marktkapitalisierung von derzeit knapp 1,7 Billionen Dollar lässt Amazon seine Einzelhandelskonkurrenz mit großem Abstand hinter sich. Der chinesische Onlineriese Alibaba bringt es auf 720 Milliarden Dollar. Verglichen mit den anderen großen US-Tech-Werten belegt Amazon Platz drei: Zwar vor der Google-Mutter Alphabet (1,4 Billionen), aber hinter Microsoft (1,8 Billionen) sowie Spitzenreiter Apple (2,3 Billionen).

Der Kursanstieg der Amazon-Aktie hat Gründer und Noch-Vorstandschef Bezos zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht und das, obwohl er Teile seiner Amazon-Aktien bei der Scheidung abgeben musste. Die Nachrichtenagentur Bloomberg beziffert sein Vermögen derzeit auf 194 Milliarden Dollar - seine Ex-Frau MacKenzie Scott kommt demnach auf 60 Milliarden Dollar. Sie liegt damit auf Rang 20. Spitzenreiter ist derzeit Tesla-Chef Elon Musk mit rund 202 Milliarden Dollar.

Kein Kurssturz

Die Meinung unter den Analysten ist eindeutig: Bis auf einen einzigen der 56 von Bloomberg erfassten Experten befürworten trotz jüngster Rally und Chef-Wechsel weiter den Kauf. Einer rät zum Halten. Dabei soll der Wert weiter nach oben gehen: Vom durchschnittlichen Kursziel von 4.040 Dollar ist der jetzige Kurs noch gut ein Fünftel entfernt.

Dass es weiter aufwärts gehen sollte, davon ist Stephen Ju von der Schweizer Bank Credit Suisse überzeugt. Das vierte Quartal des Online-Handelsgiganten sei besser als von ihm erwartet ausgefallen. Dem schloss sich Ross Sandler von der britischen Investmentbank Barclays an: Die Aktie biete ein günstiges Chance-Risiko-Profil und das Unternehmen stehe vor einem weiteren guten Jahr - ungeachtet des Rückzugs von Bezos. Die übrige Führungsmannschaft bleibe aber an Bord.

Den Chefwechsel sehen die meisten Analysten nicht als Grund für einen Kurseinbruch. "Auch wenn der Wechsel negativ sein dürfte für die Stimmung", bleibe er zuversichtlich, was die Marktstellung und das Management betreffe, sagte Justin Post von der Bank of America. Frischer Wind habe bereits bei anderen großen Tech-Konzernen Neuerungen vorangetrieben. An den wichtigsten Themen für Amazon werde sich mit dem neuen Chef Jassy wohl nichts ändern, vermutete die schweizerische Bank UBS.

Besonders optimistisch geben sich indes die Experten von Goldman Sachs: Sie schraubten das Kursziel für Amazon mittlerweile sogar auf 4.500 Dollar hoch. Der Konzern befindet sich auf der "Conviction Buy List" für besonders aussichtsreiche Werte.

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