Alpine: Die teuerste Pleite der Zweiten Republik

Alpine: Die teuerste Pleite der Zweiten Republik
Der Baukonzern hat 2,562 Mrd. Schulden - auch Töchter sollen wegen wirtschaftlicher Verzahnung in Pleite schlittern. Sozialminister Hundstorfer verspricht Hilfe.

Die Alpine Bau GmbH mit operativem Sitz in der Oberlaaerstraße 276 in Wien hat heute Vormittag einen Insolvenzantrag beim Handelsgericht Wien eingebracht. Um die Mittagszeit wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Stephan Riel bestellt.

Laut Creditreform und KSV1870 beschäftigt das Unternehmen 6483 Dienstnehmer, davon 4587 Arbeiter, 1755 Angestellte und 141 Lehrlinge. Den Gläubigern sollen 20 Prozent Quote geboten werden.

Die Gesamtschulden beziffert die Unternehmensführung mit 2,562 Milliarden Euro, davon entfallen 850 Millionen Euro auf sogenannte Eventualverbindlichkeiten. Diese kommen dann zum Tragen, wenn Haftungen, Garantien sowie Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus Bauprojekten schlagend werden.

Die Aktiva beziffert der Konzern mit einem Zerschlagungswert in Höhe von 661 Millionen Euro. Zum Vermögen der Alpine Bau GmbH gehören zahlreiche Liegenschaften, die aber im Zuge der Restrukturierung an Banken und andere Finanziers verpfändet wurden.

Auch Töchter der Alpine Bau sollen aufgrund der „finanziellen und haftungsmäßigen Verzahnung“ in die Pleite schlittern, die wirtschaftlich eigenständigen Sparten Hazet Bau, Alpine Energie und Grund-, Pfahl und Sonderbau GmbH sollen lebensfähig sein und verkauft werden (siehe unten).

Fakten

Die Alpine Bau GmBH hat 2012 rund 1,097 Milliarden Euro umgesetzt, ein operatives Ergebnis von minus 458,64 Millionen Euro eingefahren und einen Jahresverlust von 434 Millionen Euro geschrieben.

Die Alpine Bau GmbH alleine beschäftigt 6483 Mitarbeiter, die gesamte Alpine-Gruppe rund 15.000 im In- und Ausland.

Mit dem Unternehmen verwoben sind allerdings alleine weitere rund 7500 Arbeitsplätze bei jenen 1500 Subunternehmen und 1500 Lieferanten, die mit der Alpine ein Volumen über 100.000 Euro jährlich abwickeln. Die kleineren Unternehmen sind in diesen Zahlen noch gar nicht enthalten.

Die spanische Konzernmutter FCC, die 2006 bei der Alpine einstieg und erst Anfang 2012 auf 100 Prozent aufstockte, hat in den vergangenen sieben Jahren bereits über 700 Mio. Euro in die Alpine gesteckt - inklusive Kaufpreis und Finanzspritzen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat den Mitarbeitern des insolventen Baukonzerns Alpine nach einer Krisensitzung erneut die volle Unterstützung zugesichert. "Was wir an Reparaturmaßnahmen einleiten konnten, ist eingeleitet", betonte er auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in seinem Ministerium am Mittwoch, die am Gang stattfand. Mit heutigem Stand seien 4.905 der rund 7.500 Mitarbeiter des Salzburger Baukonzerns Alpine in Österreich von der Insolvenz betroffen. Er geht davon aus, dass die betroffene Anzahl der Mitarbeiter knapp unter 5.000 bleibe, auch wenn bei einer Alpine-Tochter noch weitere Jobs wackeln würden. Im In- und Ausland beschäftigt die Alpine rund 15.000 Arbeitnehmer.

Die Ansprüche für die Alpine-Angestellten seien bis Ende Mai beglichen worden, jene für die Arbeiter bis Mitte Juni. Nun gelte es die Höhe der offenen Forderungen zu eruieren, so Hundstorfer, der versprach, alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente einzusetzen. Die Mitarbeiter seien nach der Insolvenzeröffnung nun 30 Tage lang vor Kündigungen geschützt.

"Alpine Österreich ist in Wahrheit nicht das Thema"

Zu den Insolvenzursachen meinte Hundstorfer, dass die Alpine vor Jahren sehr breit in den europäischen Raum gegangen sei, gewisse Erwartungen hätten sich nicht erfüllt. "Alpine Österreich ist in Wahrheit nicht das Thema." Die Baustellen seien da und würden laufen - auch wenn sie Finanzierungsprobleme hätten, die aber lösbar seien, betonte der Minister.

Jede Insolvenz habe einen bestimmten Grund, antwortete er auf eine Journalistenfragen nach zuletzt gehäuften größeren Insolvenzfällen wie etwa dem steirischen Personaldienstleister MPS und der Wiener Elektrohandelskette Niedermeyer.

Die Haftungen des Bundes seien derzeit kein Thema, das Finanzministerium sei aber informiert, betonte der Minister. Eine Beitragssenkung für den Insolvenzentgeltfonds (IEF), wie vom Koalitionspartner gefordert, schloss Hundstorfer heute aus. Die Belastungen für den IEF umriss Hundstorfer wie schon der IEF-Chef mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Der Fonds werde zu Jahresende im Plus sein, aber geringer als geplant.

Zulieferer auf der Kippe

Eine Unbekannte bei der Alpine-Insolvenz sei aber die Anzahl der betroffenen Zulieferfirmen, die je nach Abhängigkeit von der Alpine selbst in die Insolvenz schlittern könnten, so Hundstorfer. Die Außenstände der Alpine-Zulieferer weisen einen zweistelligen Millionenbetrag auf.

Laut Alpine-Zentralbetriebsratschef Hermann Haneder hat die Alpine rund 1.300 Zulieferer-Unternehmen, davon etwa 300 in Niederösterreich. "Dieser Tag ist einer der härtesten Tage meiner 28-jährigen Laufbahn als Zentralbetriebsrat", sagte Haneder, der auch AKNÖ-Präsident ist, vor Journalisten im Sozialministerium. Bis zuletzt habe man zuversichtlich in die Zukunft geblickt, gestern sei leider Gottes die Insolvenz gekommen, so Haneder, der von der Entwicklung überrascht sei. Man wolle nun den Alpine-Mitarbeitern den Ist-Stand erklären. Sein Herz hänge nicht nur an den Alpine-Mitarbeitern, sondern auch an jenen der rund 1.300 Zulieferbetriebe (siehe dazu auch weiter unten).

Nur ein Teil wird arbeitslos

AMS-Vorstand Johannes Kopf geht davon aus, dass ein Teil der nun betroffen 4.900 Mitarbeiter arbeitslos werde. Er hält die Einrichtung von sogenannte Arbeitsstiftungen für sehr wahrscheinlich, die neben dem AMS auch von den Bundesländern finanziert werden. In solchen Stiftungen können arbeitslos gewordene Personen im Falle von Qualifizierungsmaßnahmen bis zu 4 Jahre lang Arbeitslosengeld beziehen. Die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich, die Steiermark und Wien seien von der Pleite besonders stark betroffen - genaue Zahlen dazu gebe es aber noch nicht. Ein Drittel der Alpine-Mitarbeiter seien Angestellte, zwei Drittel Arbeiter, so Kopf. Der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hatte laut einem Gewerkschaftsfunktionär auch mit der Fälligkeit des Urlaubsgeldes zu tun.

Unter den von der Zahlungsunfähigkeit des Salzburger Baukonzerns Alpine betroffenen Unternehmen finden sich auch die ÖBB, wo die Alpine bei rund 30 Großbauvorhaben beschäftigt ist. "Wir werden zwar betroffen sein, sind jedoch gerüstet", so eine ÖBB-Sprecherin. Einen finanziellen Schaden für die ÖBB werde es aber nicht geben, da die ÖBB bei keinem Projekt in finanzielle Vorleistung gegangen seien.

Weitere Reaktionen

Die Pleite des Baukonzerns Alpine Bau GmbH könnte laut Experten auch die Koalitionsparteien in Bedrängnis bringen. "Das könnte der gesamten Regierung wehtun", sagte der Politberater Thomas Hofer (H & P Public Affairs).

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer rechnet damit, dass das (in Folge der Pleite zu erwartende) politische Klima vor allem der SPÖ schaden wird - und der FPÖ nützen.

AMS-Vorstand Johannes Kopf hat "nach einer der, wie es ausschaut, größten Insolvenzen jemals in Österreich" - dem heutigen Insolvenzantrag der Alpine Bau - immerhin etwas Hoffnung für den Österreichteil der Firma geäußert. Denn dieser sei relativ gesund, sagte er im Ö1-Mittagsjournal.

Der Chef der Gewerkschaft Bau/Holz, Josef Muchitsch, zeigt sich zuversichtlich, dass der "überwiegende Teil" der von der Alpine-Insolvenz Betroffenen in Beschäftigung gehalten werden kann.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat verstärkte Anstrengungen beim Bauprogramm der Regierung eingefordert, um Arbeitsplätze in der Branche zu sichern bzw. zu schaffen. "Die Einrichtung von Arbeitsstiftungen ist zu begrüßen. Es geht aber vor allem jetzt darum, für Tausende betroffene Alpine-Mitarbeiter in Österreich möglichst rasch neue sichere Arbeitsplätze bei Betrieben zu finden und es geht auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen bei den vielen Subunternehmern und Zulieferbetrieben", so Leitl.

Alpine: Die teuerste Pleite der Zweiten Republik

Der insolvente Baukonzern weckt auch Begehrlichkeiten beim Konkurrenten Porr - der drittgrößte Baukonzern bekundete offenes Interesse an möglichen Akquisitionen: "Wir könnten Aufträge und bis zu 4500 Mitarbeiter übernehmen", sagte Porr-Chef Karl-Heinz Strauss heute im Ö1-Mittagsjournal. Das müsste aber schnell gehen, andernfalls verflüchtigten sich Aufträge und Mitarbeiter.

Der Österreich-Kern der Alpine sei sehr solide, bei Arbeitsgemeinschaften habe man deren Mitarbeiter vor allem in Österreich schätzen gelernt. "Die Porr steht bereit, das gesamte Österreich-Geschäft der Alpine oder Teile davon zu übernehmen", sagte Porr-CEO Karl-Heinz Strauss auch laut WirtschaftsBlatt.

Das Land Niederösterreich will nach der Alpine-Insolvenz "gezielte Maßnahmen" setzen, um Folgen für Zulieferbetriebe abzufedern. Schätzungen zufolge sind - neben 800 direkten Arbeitsplätzen bei Alpine - rund 160 derartige Unternehmen mit etwa 2.400 Mitarbeitern betroffen, so Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (ÖVP). Es seien Mittel reserviert, "um etwa die Finanzierung bestehender Aufträge wie bereits im Bau befindliche Projekte zu ermöglichen".

Zum Einsatz kommen würden Maßnahmen, die sich bereits im Rahmen des Konjunkturpakets bewährt hätten, so Bohuslav. Konkret bedeute das, dass das Land für Investitionskredite, Betriebsmittelkredite und spezielle Finanzierungsbedarfe der Unternehmen eine 50-prozentige Haftungsübernahme zusichere. Die Haftung könne für Kredite bis zu einem Betrag von 250.000 Euro übernommen werden. Wichtig sei, dass das Unternehmen ausgeglichenes Eigenkapital bzw. ein ausgeglichenes Ergebnis aus der Einnahmen-Ausgabenrechnung vorweisen könne. "Wir werden betroffenen KMU zur Seite stehen", betonte die Landesrätin.

Die APA hat sich vor der Konzernzentrale der Alpine in Wals-Himmelreich im Salzburger Flachgau umgesehen - und die Stimmung dort eingefangen. Hier Auszüge der Aussagen der Betroffenen, die allesamt ihre Namen nicht nennen wollten:

"Es herrscht Nervosität. Keiner weiß, wer gehen muss und wer bleiben kann. Die Gefühle sind hier gemischt", schildert eine Mitarbeiterin.

"Ich bin 27 Jahre dabei. Auf Pessimismus, auf dem wächst nichts. Es gibt nur eins: Optimismus", lautet das Rezept eines Alpine-Bereichsleiters. "Die Baustellen bleiben jetzt einmal bestehen."

"Der Preiskampf ist unnötig", runzelt ein jüngerer Mitarbeiter die Stirn. Die aktuelle Entwicklung bei der Alpine nimmt er nun zum Anlass, um zu sondieren. "Sehr viele Angestellte und Arbeiter werden gehen müssen und nicht gleich wieder einen Arbeitsplatz bekommen. Prinzipiell bin ich zuversichtlich, dass es weitergeht. Es gibt bei der Alpine Nischen, die sehr gut funktionieren: Der Tunnelbau, der Spezialbau, der Tiefbau und der Gleisbau."

Eine Betriebsrätin will der APA keine Stellungnahme abgeben. "Und die Alpine-Geschäftsführer sind alle in Wien", sagte die freundliche Dame am Empfang des "Head Office".

"Seit der Insolvenzantrag gestellt wurde, ist die Stimmung sogar besser", sagt ein Alpine-Mitarbeiter. "Jetzt wissen wir endlich, was los ist. Hier wird weitergebaut", asgt ein Alpine-Mitarbeiter bei der Baustelle für das Wohnprojekt "Freiraum Maxglan" in Salzburg.

Auch Konzernsprecher Johannes Gfrerer, ein Salzburger, hat am frühen Vormittag noch Optimismus versprüht. "Das Bemühen in Österreich ist spürbar, dass der Fortbetrieb möglich ist. Ziel ist die Fortführung der Baustellen."

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