"Akademisierungswahn" gefährdet die Lehre

Die Lehre soll wieder an Sozialprestige gewinnen
Jugendforscher Heinzlmaier: Lehrlinge sind in der Gesellschaft zuwenig anerkannt.

Die Lehre hat ein Anerkennungsproblem. Schuld daran sei allein die Politik mit ihrem Akademisierungswahn, meint Bernhard Heinzlmaier vom Institut für Jugendkulturforschung. "Politiker reden ständig darüber, wie wichtig Akademiker sind und dass ohne sie quasi die Welt untergeht. Das ist eine permanente Zurückweisung für Lehrlinge", so Heinzlmaier am Dienstag beim "Lehrlingsforum 2015" des Business Circle.

Der Jugendforscher verwies auf seine jüngste Umfrage, wonach sich Lehrlinge zwar im Betrieb wohl fühlen würden, nicht aber in der Gesellschaft. Dabei seien Lehrlinge ein Garant für Betriebsstabilität, während höher Qualifizierte mobiler und weniger loyal zu ihrem Arbeitgeber seien.

Verschulung

Vor einer "systematischen Verschulung der Jugendlichen" warnte auch Rudolf Mark, Chef der Mark Metallwarenfabrik aus Oberösterreich. Die Wertschätzung für die Lehre sei in den vergangenen Jahren völlig verloren gegangen, weshalb es immer schwieriger werde, Nachwuchs zu rekrutieren.

Peter Dehnbostel von der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin fürchtet gar, die Lehre könnte vom übrigen Bildungssystem komplett abgehängt werden. Er plädiert daher für eine größere Durchlässigkeit zwischen schulischer und beruflicher (Weiter)-Bildung. So müsste etwa die Meisterprüfung auch zum Masterstudium berechtigen und in Betrieben erworbene Qualifikationen für formale Abschlüsse besser anerkannt werden. "Die Lehrlingsausbildung ist als Sockelqualifikation unerlässlich, doch das meiste an Ausbildung kommt erst danach", sprach sich Dehnbostel für eine "erweiterte Beruflichkeit" aus. Durchlässigkeit und Anerkennung seien die wichtigsten Themen zur Erhaltung der Lehrausbildung.

Lehrlingskultur

"Akademisierungswahn" gefährdet die Lehre
Heinzlmaier gewährte in seinem Vortrag auch einen interessanten Einblick in die Lehrlingskultur von heute. „Lehrlinge wollen unspektakuläre Normalität“ , so der Jugendforscher. Sie seien anders als die viel zitierte, vor allem bürgerliche „Generation Y“ viel mehr auf das Körperliche und nicht so sehr auf das Geistige fokussiert. Was zähle ist vor allem Vordergründiges wie Ästhetik. Es herrsche der Glaube vor, dass Aussehen den beruflichen Erfolg präge. "Die Leitfiguren sind eher Helene Fischer und DJ Guetta als Beth Ditto und Pete Doherty", so Heinzlmaier.

Um in der Konkurrenzgesellschaft von heute überlebensfähig zu sein, sei der jugendliche Zeitgeist "hochgradig egozentrisch". Der Leistungsverkauf sei wichtiger als die Leistungserbringung. Hier könnten sich Lehrlinge aber in der Gesellschaft weniger behaupten, so der Jugendforscher. „In der Fachhochschule lernen die jungen Menschen, sich gut zu verkaufen, in der Lehre nicht".

Was Lehrlings-Ausbildner wissen müssen: Die Smartphone-Generation von heute lässt sich ständig ablenken, kann sich nur kurz konzentrieren und habe eine „geringe Tolerenz für Langeweile“. Die Lernphasen sollten nicht länger als zehn Minuten dauern, schlägt der Jugendforscher vor. Job-Rotationen und körperlicher Ausgleich zur Regeneration seien aber ebenso wichtig.

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