"Weltmarktpreise fast verdoppelt"

Agrana-Chef Marihart will von Serbien aus Zucker in die EU liefern
Agrana-Generaldirektor Johann Marihart glaubt nicht, dass die Markt-Liberalisierung die Rübenpreise massiv drücken wird.

Vor einem Jahr waren die Zuckerpreise im Keller. Die anschließende Konsolidierung des Marktes hat dem Zucker-, Frucht- und Stärkekonzern Agrana nicht nur höhere Quartals-Gewinne gebracht, sondern auch den Aktienkurs deutlich steigen lassen. Ende September 2017 laufen die bisherigen Obergrenzen für die Produktion von Zucker in den Staaten der Europäischen Union aus. Agrana-Generaldirektor Johann Marihart rechnet nicht mit massiven Verwerfungen am heimischen Rübenmarkt.

KURIER: Ist der Zukauf des serbischen Zuckerproduzenten Sunoko ein Teil der Vorbereitungen der Agrana auf die Zeit nach den Zuckerquoten?

Johann Marihart: Der Zukauf ist noch nicht erfolgt. Wir haben einen sogenannten Term Sheed mit den wesentlichen Eckpunkten abgeschlossen. Das ist noch kein Kaufvertrag. Außerdem bedarf es der Zustimmung der Wettbewerbsbehörde. Der Erwerb von Sunoko ist für uns ein wichtiger Schritt. Serbien ist einer der letzten weißen Flecken mit potenten Flächen für die Rübenzuckerproduktion auf der europäischen Landkarte und extrem wettbewerbsfähig. Energiekosten und Personalkosten sind deutlich niedriger als in Österreich.

Wie viel wird in Serbien produziert?

Mit einer Produktion von 400.000 Tonnen Zucker ist Serbien als Zuckerproduzent etwa so groß wie Tschechien oder Österreich. Etwa 220.000 Tonnen werden in Serbien konsumiert und der Rest wird exportiert. Serbien darf zollfrei 180.000 Tonnen Zucker in die EU exportieren. Mit diesem Marktzugang zur EU können wir unsere Markt-Positionen in Ungarn, Rumänien und Bulgarien stärken. In diesen Ländern wird mehr verbraucht als derzeit produziert.

Was bedeutet es für die österreichischen Rübenbauern, wenn die Quoten wegfallen?

Das bedeutet, dass es keinen Rübenmindestpreis und keine Begrenzung des Anbaus von Rüben für die Zuckerproduktion mehr gibt. Wir versuchen, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Im Wesentlichen wird sich nicht viel ändern. Die Wettbewerbsfähigkeit der Rübe in Österreich ist gut. Viele Zuckerproduzenten haben sich ohnehin bereits auf das Auslaufen der Zuckermarktordnung vorbereitet. Sie sichern sich Absatzmärkte für die Zeit danach.

Sind Sie mit der Preisentwicklung am Weltmarkt zufrieden?

Die Weltmarktpreise haben sich fast verdoppelt. Das Preisreporting der Europäischen Union hat sich allerdings nur leicht verändert. Die Verträge laufen in der Regel über ein Jahr. Daher bewegen sich die Preise in der EU nur langsam.

Plant die Agrana nach dem Erwerb von Sunoko noch weitere Zukäufe?

Es macht keinen Sinn, in Ländern zu investieren, die Rüben zukaufen müssen wie etwa Kroatien. Es ist wichtig, genügend Rohstoff zu haben. Ein wesentlicher Kostenfaktor sind die Transportkosten. Fünfzehn bis zwanzig Prozent der Rübenkosten sind Transportkosten.

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die Agrana?

Wenn die Politiker in der EU und in Großbritannien vernünftig sind, dann wird es auch weiterhin eine Freihandelszone geben. Wenn es keine Quoten mehr gibt, dann kann theoretisch auch englischer Zucker in der EU verkauft werden. Aber Großbritannien verbraucht mehr, als im Land produziert wird. Auch bei der Stärke hat der Brexit kaum Auswirkungen.

Sehen Sie noch eine Chance für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA?

Grundsätzlich sind Freihandelsabkommen nicht schlecht. TTIP-Befürworter wie Deutschland haben massive Exportinteressen. Es gibt aber auch Spezial-Produkte, die nur wir herstellen können und nicht die Amerikaner. Dazu gehören gentechnikfreie Stärkeprodukte auf Basis von Wachsmais. Das Freihandelsabkommen mit den USA wird später und in abgeschwächter Form kommen. Das sind knochenharte Verhandlungen, in denen jeder seinen Vorteil sucht. Die Amerikaner sagen, wenn die Europäer Autos in die USA liefern wollen, dann wollen wir auch landwirtschaftliche Produkt in die EU exportieren.

Soll die EU darauf eingehen?

Die EU muss sich über eines im Klaren sein. Wenn man für den Agrarsektor massive Umweltauflagen und Greeningkriterien beschließt, dann kann man in der EU nicht einfach den Verkauf von Agrarprodukten aus den USA erlauben. Das würde einen massiven Preisdruck auf europäische Agrarprodukte auslösen. Da soll man sich keinen Illusionen hingeben. Der Konsument greift zum billigeren Produkt.

Soll der Agrarbereich vom TTIP ausgenommen werden?

Landwirtschaftliche Produkte wie Nahrungs- und Genussmittel machen lediglich fünf Prozent vom Handelsvolumen der EU mit den USA aus. Ob dieser Bereich Teil des Abkommens wird, ist nicht entscheidend.

Einen Großteil des Umsatzes macht die Agrana derzeit mit dem Bereich Frucht.

Unser Segment Frucht hat sich gut entwickelt. Zucker hatte 2015/’16 ein schlechtes Jahr. Daher ist Frucht in den Fokus geraten. Durch die schwächere Zuckersituation ist die Bedeutung von Frucht und Stärke erheblich gestiegen. Wir haben die Ausgewogenheit des Portfolios und die Stabilität des Unternehmens im Auge. Wir sind mit unseren Diversifikationen sehr gut gefahren.

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