Abgasskandal könnte VW weitere 77 Milliarden Euro kosten

Martin Winterkorn muss sich auf einen Gerichtsprozess einstellen
Die Anklage gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn wird den Autobauer ins Wanken bringen. Manipulierte Autos im schlimmsten Fall nur noch Schrott?

Die Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen haben VW bisher 30 Milliarden Euro gekostet. Doch wer damit gerechnet hat, dass die Wolfsburger damit aus dem Gröbsten heraus sind, hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig völlig unterschätzt.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, werfen die niedersächsischen Ermittler in der 692-Seiten-Anklage Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und Kollegen nicht nur schweren Betrug vor. Vier Kronzeugen, Ex-VW-Techniker, behaupten nämlich, dass sie Winterkorn bereits im Mai 2015 informiert haben. Also vier Monate, bevor der Abgasskandal in den USA platzte. Für Winterkorn, der diese Vorwürfe bestreitet, könnte es eng werden. Es drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

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Massiver Wertverlust

Aber viel schwerwiegender sind die Schadensberechnungen der Anklagebehörde. Geht der österreichische Verein für Konsumenteninformation in seinen Sammelklagen gegen VW von einer Wertminderung in Höhe von 20 Prozent aus, so wird in Deutschland das Doppelte als Schaden angenommen. Mehr noch: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig kommt im schlimmsten Fall – sprich: die betroffenen neun Millionen Pkw verlieren ihre Zulassungen – auf einen Schaden von bis zu 77 Milliarden Euro. Selbst wenn es VW schaffen würde, Millionen betroffene Diesel-Pkw nach Afrika zu verfrachten, würde dort laut Anklage der Gebrauchtwagen-Markt zusammenbrechen.

Indes will VW bis 2023 sechs Milliarden Euro und 7.000 Jobs einsparen. Zugleich soll die Produktivität der Werke bis 2025 um 30 Prozent gesteigert werden. Bis 2022 soll die Rendite von 4,3 Prozent auf sechs Prozent steigen. Bei dieser Ankündigung am Freitag hatte offenbar noch niemand bei VW die 692 Seiten starke Anklage aus Braunschweig durchgelesen.

Nur Schrottwert

Somit würde auch in Afrika nur noch der Schrottpreis als Verkaufserlös zu erzielen sein. Womöglich könnte VW diese Pkw aber auch als Ersatzteillager nutzen. Das bringt laut Gutachtern bei einem VW Golf nur 3.800 bis 4.700 Euro ein. VW beharrte darauf, dass die Software-Updates die Pkw-Zulassungsbedingungen erfüllen. Laut Anklagebehörde in Braunschweig sollen die Updates aber keine Nutzen haben.

„Da droht VW noch einiges“, sagt VKI-Jurist Thomas Hirmke. „Die Anklage hilft uns in unseren Sammelklage-Verfahren gegen VW, weil die Schadensszenarien ein wesentliches Thema sind.“

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