Abgasaffäre bei Mercedes: Thermofenster angeblich kein Grund für Schadenersatz

Abgasaffäre bei Mercedes: Thermofenster angeblich kein Grund für Schadenersatz
Der Einsatz der Thermofenster-Technik allein sei nicht als sittenwidrig einzustufen, sagt ein BGH-Richter.

Tausende Autobesitzer fordern wegen des sogenannten Thermofensters in vielen Mercedes-Dieseln Schadenersatz von Daimler - ihre Erfolgsaussichten dürften aber eher gering sein. Das zeigte sich am Dienstag in der ersten Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe über eine solche Klage. Der Einsatz der Technik allein sei nicht als sittenwidrig einzustufen, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters nach Vorberatungen seines Senats. (Az. VI ZR 128/20)

Trotzdem wird der Fall wohl ans Oberlandesgericht (OLG) Koblenz zurückverwiesen. Denn dort war anderen Manipulationsvorwürfen des Klägers gegen Daimler nicht nachgegangen worden. Das Urteil wird in den nächsten Wochen verkündet, ein Termin stand zunächst nicht fest.

Das „Thermofenster“, das auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, ist Teil der Motorsteuerung und reduziert die Abgasreinigung, wenn draußen kühlere Temperaturen herrschen. Die Kläger sehen darin eine unzulässige Abschalteinrichtung - wie bei VW.

Detail am Rande: Auch bei anderen Auto-Fabrikaten wird Thermofenster-Technik eingesetzt. Dabei wird die Abgasreinigung bei Temperaturen niedriger als 15 Grad Celsius und höher als 33 Grad Celsius ausgeschaltet. Die Fahrzeuge fahren somit an die neun Monate im Jahr im "Schmutzmodus". Laut Experten kann eine solche "Lösung" nicht Ziel der Politik (gewesen) sein.

Zurück zum BGH: Dass die obersten Zivilrichterinnen und -richter das differenzierter beurteilen, kommt nicht überraschend. Sie hatten sich im Januar schon einmal schriftlich zu Wort gemeldet, als aus angesetzten Verhandlungen nie etwas wurde - immer machten die Kläger einen Rückzieher. Damals hatten Seiters und sein Senat bereits mitgeteilt, dass sie bei Daimler bisher kein arglistiges Vorgehen erkennen können. Das Thermofenster arbeite immer gleich, ob auf der Straße oder im Test. Volkswagen dagegen hatte in Millionen Diesel-Autos heimlich eine Software eingesetzt, die auf dem Prüfstand verschleierte, dass zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden.

Die Manipulationsvorwürfe des Klägers, mit denen sich das OLG voraussichtlich noch einmal befassen muss, beziehen sich auf das Kühlmittelsystem. Medien hatten 2019 berichtet, dass der Stuttgarter Autobauer bei etwa 60 000 Sportgeländewagen (SUV) eine Software-Funktion eingesetzt habe, die das Aufwärmen des Motoröls künstlich verzögerte. Auf diese Weise sollen die Stickoxid-Werte in Behördentests unter das eigentliche Niveau gedrückt worden sein. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte deshalb einen Rückruf angeordnet. Das Auto des Klägers war davon allerdings nicht betroffen.

Der Mann hatte seine C-Klasse 2012 für rund 35 000 Euro neu gekauft. Er will erreichen, dass Daimler das Auto zurücknehmen und ihm - abzüglich der gefahrenen Kilometer - den Kaufpreis erstatten muss. Die Gerichte in Koblenz hatten seine Klage abgewiesen.

Der Autobauer äußerte sich zuversichtlich: „Die Daimler AG geht davon aus, dass das OLG auch nach einer erneuten Befassung die Klage weiterhin abweisen würde“, teilte ein Sprecher mit. Die BGH-Einschätzung zum Thermofenster habe „Leitcharakter für Tausende von Gerichtsverfahren in Deutschland“.

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