Abgang der OMV-Manager kostet Millionen

Ein Bild aus besseren Tagen: Noch-OMV-Boss Gerhard Roiss (links) und Finanzvorstand David Davies
Abfindungen von Konzern-Chef Roiss und Gas-Vorstand Floren betragen bis zu zehn Mio. Euro. Kanzler: "Chaotische Zustände"

Um neun Uhr setzte sich der Aufsichtsrat der OMV zusammen. Erst nach zehn Stunden stand das Ergebnis fest. Die vorzeitige Ablöse von Konzernchef Gerhard Roiss und Gas-Vorstand Hans Peter Floren war schwieriger, als sich das Aufsichtsratspräsidium erwartet hatte. In der turbulenten Sitzung flogen die Hackeln tief. Der Aufsichtsrat einigte sich mit Roiss über eine vorzeitige Auflösung seines Vertrages mit 30. Juni 2015. Sein Gegenspieler Floren wird bereits mit Jahresende 2014 sein Mandat als Vorstand los. Sein Bereich "Gas & Power" wird mit dem von Manfred Leitner geführten Geschäftsbereich "Refining und Marketing" zusammengelegt und heißt in Zukunft "Downstream". Mit Floren ist noch nicht ausverhandelt, wann er die OMV verlässt.

Roiss und Floren lieferten einander seit Monaten ein erbittertes Match um die Zukunft des Gasgeschäftes. Zuletzt forderte auch der Betriebsrat personelle Konsequenzen, um die Arbeitsfähigkeit des Vorstandes wieder herzustellen. Am Mittwoch kritisierten auch die Regierungsparteien die "chaotischen Zustände" beim österreichischen Mineralölkonzern (siehe unten).

Die Nachfolge von Roiss ist derzeit noch offen, da noch kein aktueller Handlungsbedarf besteht. Sollte bis Ende Juni 2015 kein neuer OMV-Chef gefunden werden, dann hat der derzeitige Finanzchef, der Brite David C. Davies (siehe Porträt unten), gute Chancen als Interims-Generaldirektor bestellt zu werden. Er ist Vize von Roiss.

Auf der Tagesordnung der Aufsichtsratsitzung stand auch die weitere Strategie des heimischen Öl- und Gasriesen. Der Aufsichtsrat wurde von ÖIAG-Chef Rudolf Kemler geleitet, der sich für seine Vorgangsweise in den vergangenen Wochen viel Kritik anhören musste.

Die Meinung im Gremium war nicht einstimmig. So soll sich etwa der SPÖ-nahe ehemalige ÖBB-Chef Helmuth Draxler massiv gegen eine Ablöse von Roiss gewehrt haben. Der ehemalige Raiffeisen-Banker Herbert Stepic glänzte durch Abwesenheit.

Abgang der OMV-Manager kostet Millionen
APA20677294-2_09102014 - WIEN - ÖSTERREICH: OMV-Vorstand Hans-Peter Floren am Dienstag, 12. August 2014, anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema "Ergebnis 1. Halbjahr" in Wien. (ARCHIVBILD VOM 12.08.2014) FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Die Auflösung der Verträge von Roiss und Floren, die bis zum Frühjahr 2017 gelaufen wären, wird für Österreichs größtes Unternehmen, an dem die Republik über die ÖIAG 31,5 Prozent hält, auf alle Fälle teuer. Roiss war zuletzt mit rund 3,2 Millionen Euro (inklusive Boni und Aktien) der bestverdienende Vorstand aller ATX-Unternehmen, Floren kommt auf rund 1,1 Millionen Euro.

Roiss hat außerdem die Zusage auf eine leistungsorientierte Pension, Floren auf eine beitragsorientierte Betriebsrente. Das Unternehmen zahlt für die Vorstände in die APK-Pensionskasse ein. Für Roiss haben sich rund 937.000 Euro angesammelt, Floren steht bei 150.000.

Da sich beide Manager keine Verfehlungen zuschulden kommen ließen, haben sie grundsätzlich Anspruch auf die Auszahlung ihrer restlichen Vertragslaufzeit. Experten schätzen, dass sich die Abfindungen in Summe auf bis zu zehn Millionen Euro belaufen könnten.

Roiss wurde noch im September 2013 verlängert, Floren sogar erst Ende März 2014. Fragt sich, ob wegen der Abfindungen Haftungsansprüche an die Aufsichtsräte entstehen. Dass OMV-Urgestein Roiss schwierig im Umgang ist, wusste der Aufsichtsrat schon vor dessen Verlängerung. Der Streit ums Gasgeschäft schwelt auch schon länger.

Der Unternehmensrechtler Univ. Prof. Peter Doralt gibt einer Schadenersatzklage gegenüber dem Aufsichtsrat wegen möglicher Verletzung der Sorgfaltspflichten allerdings geringe Chancen. Denn hier geht es nicht um die fachliche Qualifikation der Manager, sondern hauptsächlich um die Teamfähigkeit des Vorstands. "Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ist eine heikle Frage. Wenn sich die Vertrauensbasis verschlechtert – so stellt sich das derzeit in der Öffentlichkeit dar – , halte ich eine Schadenersatzpflicht für kaum konstruierbar", meint Doralt.

Der Experte vergleicht die Zerrüttung im OMV-Vorstand mit einer Ehe: "Zuerst glauben alle, das Paar passt zusammen. Einige Jahr später ist das nicht mehr so und dann folgt oft ein dramatisches Finale." In einem Unternehmen könne sich innerhalb weniger Monate viel tun.

"Aus dem Prellbock zwischen Politik und Wirtschaft wurde ein Bunker."

Scharfe Kritik am Vorgehen der ÖIAG bei der OMV kam Dienstagabend in der ZiB2 auch von Nationalbankpräsident Claus Raidl, früher selber ÖIAG-Vorstand: Das Ganze sei ein "Desaster". Auch die Entscheidung, dass Roiss vorerst noch im Amt bleibe, hält Raidl für falsch. In Personalfragen müssten rasch Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Wer werde jetzt noch ernsthaft mit Roiss reden, fragt sich Raidl?

Der ÖIAG fehle offenbar das Gespür im Umgang mit börsenotierten Unternehmen. "Diese ÖIAG mit dem Vorstand und dieser Aufsichtsratsstruktur braucht wirklich niemand". Rückblickend sei die ÖIAG-Reform der schwarz-blauen Regierung ein Fehler gewesen. Man habe damals auf seinen Rat hin die Politisierung des Aufsichtsrats beseitigen wollen, es habe sich aber eine gewisse Gruppe etabliert, die sich selbst erneuere und ihre eigenen Interessen verfolge: "Aus dem Prellbock zwischen Politik und Wirtschaft wurde ein Bunker."

Seit zwölf Jahren ist der in Liverpool geborene Davies im OMV-Vorstand für die Finanzen zuständig. Inzwischen sind seine Deutschkenntnisse so gut, dass er seiner Umgebung den typisch britischen Humor auf seine trockene Art auch auf Deutsch näherbringt.

Davies kam zuletzt auf ein Jahreseinkommen von insgesamt rund 2,7 Millionen Euro. Er gilt im zerstrittenen Vorstand als Mann des Ausgleichs. Ihm wird zugetraut, die emotionalen und sachlichen Wogen in der Führungsebene zu beruhigen.

Davis hat eine abwechslungsreiche internationale Karriere hinter sich. Er begann als Wirtschaftsprüfer bei Price Waterhouse in Mailand und wechselte dann zur britischen BOC Group, die auf chemische Gase und Gesundheitswesen spezialisiert ist. Von dort ging er zum Getränke- und Lebensmittelkonzern Grand Metropolitan und werkte in München. Anschließend war er Konzern-Controller bei Burger King und dann im Europa-Management des Disney-Konzerns. Nach einem kurzen Zwischenspiel wieder in London ging’s nach Wien.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht die Turbulenzen in der OMV als Beleg für die Richtigkeit der Reformpläne in der Staatsholding ÖIAG. Es müsse Ordnung herrschen, "chaotische Zustände nützen niemandem", sagte Faymann am Mittwoch.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kritisierte am Mittwoch die "fortgesetzt problematische Vorgehensweise" bei der OMV. Schließlich dauere die öffentliche Debatte über Österreichs größtes Unternehmen schon seit August an. "Wenn ich eine angeblich zerstrittene Führungsmannschaft habe und die gleiche Mannschaft macht dann weiter, dann verstehe ich die öffentliche Debatte nicht", so Mitterlehner. Auch die nun im Raum stehenden 10 Mio. Euro schweren Abfindungen für die vor der Ablöse stehenden OMV-Manager seien "für Bürger unverständlich".

Kritik gab es auch von der Opposition: "Die Bundesregierung muss so schnell als möglich wieder Ordnung in die OMV bringen, um Schaden von der Republik abzuwenden", fordert der freiheitliche Budgetsprecher Elmar Podgorschek in einer Aussendung. Es sei "völlig unverantwortlich", Roiss nach seiner Abberufung noch bis Juni im Amt zu belassen. Das sei "unternehmenspolitischer Wahnsinn".

Kommentare