Weniger Textilmüll: Ein EU-Plan mit vielen Fragezeichen

Massenware Bekleidung - immer mehr kurzlebige fast fashion
Die neue Abfallrichtlinie der EU soll das Wachstum an Textilmüll stoppen. Wie das konkret aussehen soll - und wie man die größten Übeltäter zur Verantwortung zieht, weiß keiner.

Zusammenfassung

  • Die neue EU-Abfallrichtlinie will das Wachstum an Textilmüll stoppen und Hersteller sowie Händler stärker in die Verantwortung nehmen.
  • Fast Fashion und Billigimporte aus Ostasien verschärfen das Müllproblem, während weniger als ein Prozent der Pakete kontrolliert werden.
  • Viele Details zur Umsetzung, Unterscheidung von Textilarten und Durchsetzung der Gebühren sind noch ungeklärt.

Es ist ein Anblick, den Großstädter in Europa gewohnt sind: Überquellende Container für Textilabfälle auf den Straßen, oft durchwühlt, die unbrauchbaren Stücke über die Umgebung verteilt. Dazu kommt, die Qualität des Sammelguts hat sich so sehr verschlechtert, dass sich viele der Firmen, oder Hilfsorganisationen aus dem Geschäft zurückgezogen haben. In mehreren deutschen Bundesländern ist das Sammeln von Textilien derzeit fast gänzlich zum Stillstand gekommen.

Genügend Gründe für die EU also um tätig zu werden. Schließlich lässt der Trend zur Fast Fashion, also oft online gekaufte Billigware aus Ostasien die Müllberge noch schneller wachsen. „Seit Jahren sprechen alle von weniger Textilmüll - und es gibt immer mehr“, fasst der österreichische EU-Abgeordnete Günther Sidl die Ausgangslage zusammen: „99 Prozent aller Textilien in der EU werden weggeworfen.“

Jahrelange Vorbereitung

Zwei Jahre hat die EU an einer neuen Abfall-Richtlinie gearbeitet. Jetzt, nach dem „Ja“ des EU-Parlaments, ist sie startklar. Das Prinzip: Hersteller und Händler sollen für Recycling, oder Wiederverwertung von Kleidung, Schuhen, aber auch Haushalts-Textilien wie Handtüchern, oder Vorhängen die Verantwortung tragen. Sidl: „Wer billig produziert muss teuer entsorgen.“ Es könne eben nicht sein, meint auch die deutsche EU-Abgeordnete Delara Burckhardt, „dass die Kosten für Textil-Recycling nur von der Allgemeinheit getragen werden, also am Ende von den Steuerzahlern.

Wie Sidl hat auch Burckhardt im Umweltausschuss des EU-Parlaments am letzten Schliff für das Gesetz mitgearbeitet. Es gehe eben vor allem darum, „dass gerade Billigtextilien, die nur kurz getragen werden und die Umwelt extrem belasten, mit höheren Gebühren für Sammlung und Recycling belastet werden.“

Ein idealistischer, aber etwas vager EU-Plan, für dessen Umsetzung - in den kommenden zwei Jahren - die EU-Staaten sorgen sollen, also auch Österreich.

Viele Fragezeichen

Dort arbeiten die zuständigen Ministerien und Branchenvertreter bereits daran. Vorerst aber geht es geht es noch um sehr Grundsätzliches - und sehr viele Fragezeichen. Wer etwa soll die Unterscheidung zwischen Qualitäts-Textilien, die also länger in Verwendung sind, und Fast-Fashion, die sehr bald im Müll landet, treffen?

„Wovon mache ich das abhängig, vom Stoff, oder von der Verarbeitung?“, fragt sich etwa Norbert Scheele vom österreichischen Handelsverband gegenüber dem KURIER, „und muss ich das dann für jede neue Kollektion an T-Shirts überprüfen lassen.“

Ähnlich viele Fragen tun sich auf, wenn ein Kleidungsstück den privaten Kasten wieder verlässt. Wird es wieder verwendet, oder recycelt? Für beide Fälle müssten eigene Sammelsysteme eingerichtet werden . Entschließt man sich, das Kleidungsstück zu spenden, müsste man die einmal bezahlte Gebühr wieder zurückerhalten.

Gebühren größtes Problem

Die Gebühren entpuppen sich als das voraussichtlich größte Problem. Denn während die lokalen Händler sie wohl bezahlen und an den Kunden weitergeben müssen, wird das bei den Online-Händler aus Ostasien kaum möglich sein. Schließlich werden von deren Paketen derzeit weniger als ein Prozent überhaupt am Zoll kontrolliert. 

Sie könnten spielend die Vorgaben umgehen, den heimischen Handel weiter ausbremsen – und die Müllberge so noch höher machen. „Da ist noch sehr viel nicht durchgedacht“, warnt der Handelsvertreter, „und die Gefahr, dass die schlimmsten Müll-Produzenten billig davonkommen, ist sehr groß.“

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