25 Millionen zu vergeben: BASF-Erbin Engelhorn verteilt ihr Geld

Marlene Engelhorn
Millionenerbin und Mitbegründerin von „TaxMeNow“ setzt Aktion gegen ungleiche Vermögensverteilung: Sie verschenkt Geld – ein Bürgerrat entscheidet, an wen.

Die Debatte über die enorme Vermögenskonzentration in Österreich und das Fehlen echter Erbschafts- bzw. Vermögenssteuern könnte durch Marlene Engelhorn neuen Schwung bekommen. Nicht zuletzt im heurigen Nationalratswahlkampf.

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Die in Wien aufgewachsene deutsch-österreichische Aktivistin, Autorin und Millionenerbin, die schon international mit ihrem Kampf für eine Erbschaftssteuer für Schlagzeilen gesorgt hat, startet ihre länger angekündigte Aktion der „Rückverteilung“ ihres Vermögens.

"Familie hat sich nicht mit Ruhm bekleckert"

Konkret geht es um jene 25 Millionen Euro, die sie aus dem Familienbesitz von ihrer Großmutter Traudl Engelhorn geerbt hat. Sie sollen verschenkt oder gespendet, jedenfalls breiter gestreut werden. Was genau geschieht, wird noch entschieden.

Die Geschichte der Engelhorns ist weit verzweigt und eine Fundgrube für Historiker, die die Industrialisierung im 19. Jahrhundert nachzeichnen. Eine Ära, in der manche Familien zu sagenhaftem Reichtum kamen, der nicht selten auch den Zweiten Weltkrieg relativ schadlos überstand.  Auch die damalige Mitgliedschaft in der NSDAP der Brüder Engelhorn sowie die Arisierung mancher Betriebe gehört zu der Geschichte. „Meine Familie hat sich nicht mit Ruhm bekleckert“, sagte Engelhorn in einem Spiegel-Interview.

Marlene Engelhorn
Geboren 1992 in Wien und Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn. Sie studierte Germanistik in Wien und arbeitete im Bereich der Nachhilfe und Sprachtrainings.

Millionen-Erbe
Ihre Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto heiratete 1955 Peter Engelhorn, Urenkel von Friedrich sen. sowie Gesellschafter und Aufsichtsratschef von Boehringer-Mannheim. Nach ihrem Tod im Jahr 2022 erbte Marlene Engelhorn 25 Millionen Euro.

Erbe in sechster Generation

Ihr Urururgroßvater Friedrich Engelhorn gründete 1865 in Ludwigshafen am Rhein die Badische Anilin- & Soda-Fabrik, kurz BASF. Das Unternehmen entwickelte sich innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem der größten Chemiekonzerne Europas. Später investierte er in den Pharmakonzern Boehringer Mannheim, der 1997 nach Streitereien  zwischen den verschiedenen Familiensträngen für elf Milliarden Dollar  an den Schweizer Pharmariesen Roche verkauft wurde.

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Marlene Engelhorn erbte nun in sechster Generation einen relativ kleinen Teil dieses Familienvermögens. Die Engelhorns zählen noch heute zu den reichsten Deutschen. Bei ihrem Tod 2022 wurde das Vermögen von Marlenes Großmutter Traudl vom Wirtschaftsmagazin Forbes auf 4,2 Milliarden Dollar geschätzt.

Gut möglich ist, dass Marlene Engelhorn später auch einmal das Vermögen ihrer Eltern erbt und die Aktion, zu der sie am Dienstag den Startschuss gab, ihre Fortsetzung findet. Finanziert von ihr, soll ein „Guter Rat für Rückverteilung“ (nach dem Vorbild des Klimarats) bis Sommer entscheiden, was mit den 25 Millionen geschehen soll. 

Die Grünen unterstützen die Aktion von Marlene Engelhorn. „Österreich gehört zu den Industriestaaten mit der höchsten Vermögenskonzentration und den niedrigsten Vermögensteuern. Das eine bedingt das andere und macht Österreich damit zu einem Land, in dem Reichtum besonders ungleich verteilt ist“, heißt es in er Aussendung. Laut Zahlen der EZB besitzen die reichsten fünf Prozent in Österreich mehr als die Hälfte des Vermögens. Das sei die zweithöchste Vermögenskonzentration in der gesamten Eurozone – das müsse „korrigiert“ werden.

Auch AK-Präsidentin Renate Anderl wirbt für eine Millionärssteuer. In den kommenden 30 Jahren würden in Österreich mehr als 600 Milliarden Euro steuerfrei vererbt. Anderl: „Engelhorn setzt jetzt einen höchstpersönlichen Schritt, der großen Respekt verdient.“   

Chance für Demokratie

Weil der Staat in ihren Augen versage und keine Steuern auf Erbschaften und Vermögen einhebe, habe sie die Idee eines solchen Bürgerrates aufgegriffen, sagt Engelhorn. „Ich denke, wenn man die Demokratie ernst nimmt, muss man ihr eine richtige Chance geben.“ Mit einem Bürgerrat bitte sie ganz normale Menschen, eine Entscheidung zu treffen, ohne sie dabei allein zu lassen: „Dieses Vertrauen ist mir wichtiger, als die Macht bei mir zu bunkern.“

10.000 Einladungsbriefe werden dieser Tage versandt.  Aus diesen zufällig Ausgewählten werden 50 Personen und 15 Ersatzmitglieder repräsentativ für die Menschen über 16 Jahren in Österreich ausgewählt. Von März bis Juni soll dieser „Gute Rat“ (http://guterrat.info) – begleitet von einem Moderatorenteam und Experten –  über die Verteilung der 25 Millionen Euro entscheiden. Getagt wird an sechs Wochenenden in Salzburg, pro Wochenende gibt es 1.200 Euro Aufwandsentschädigung pro Person.

Bekannt wurde Engelhorn – gemeinsam mit anderen Superreichen – durch die Gründung des Vereins „TaxMeNow“. Die Initiative veröffentlichte 2021 eine Petition und forderte darin eine Vermögenssteuer für Millionäre, eine progressive Kapitalertragssteuer und weniger Ausnahmen für Betriebe bei der Erbschaftssteuer (in Deutschland). In Österreich wurde die Erbschaftssteuer nach einem VfGH-Urteil 2008 nicht repariert und somit ersatzlos gestrichen.

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