Woran liegt es, dass die wenigen Prozent so viel haben?
Es hat mit feudalherrschaftlichen Prinzipien zu tun. Den Adel haben wir zwar abgeschafft, aber die Machtgefälle, die darunter steckten, die sind nach wie vor da. Deswegen ist die Verteilungsfrage von Ressourcen die Grundfrage von demokratischer Gestaltung der Gesellschaft. Wir sollten dafür sorgen, dass alle etwas davon etwas haben, weil das wichtigste Ziel einer Gesellschaft, in meinen Augen, das gute Leben für alle ist. Welchen anderen Grund gibt es, sich in einer großen Gruppe zusammen zu schließen? Das macht doch niemand, um zu sagen: „Hoffentlich geht es allen hundsmiserabel außer mir.“ Aber, wenn sowas das Ergebnis ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass das System ein anderes Ergebnis hervorbringt. Steuerpolitik ist ein demokratisches Verteilungsmittel, das dabei helfen kann. Letztlich geht es aber um Macht – wer sie hat und wem sie verwehrt bleibt.
Gibt es in Ihrem Umfeld Unverständnis für Ihre Position?
Ich bin mit den Forderungen nicht allein. Gemeinsam mit anderen habe ich die Initiative „taxmenow“ (Besteuere mich jetzt) gegründet. Es handelt sich vorwiegend um Vermögende, die sich zunächst in einer Initiative für Steuergerechtigkeit zusammengeschlossen haben. Viel wichtiger ist uns auch zu schauen: Wer wird strukturell vergessen? Wer wird nicht gefragt oder gehört? Und warum? Es gibt dafür in einer Demokratie keinen Grund. Es gibt keinen Grund, beim Thema Vermögenssteuern nur auf Vermögende zu hören und alle anderen aus öffentlichen Entscheidungen, denn das sind politische Entscheidungen, auszuschließen. Es ist viel, viel wichtiger zu schauen, dass demokratische Partizipation gut funktioniert. Dafür müssen die Strukturen transparent gemacht werden, die den Überreichen ermöglichen, den Diskurs zu bestimmen. Diese Privilegien sind ein Unrecht, und das hängt eben auch mit Verteilungsgerechtigkeit zusammen.
Wir leben in einer Erbengeneration, die versucht, das Ererbte zu erhalten.
Es gibt ein Buch von der deutschen Journalistin Julia Friedrichs, das ich empfehlen kann: „Wir Erben“. Da geht es um die Erbinnengeneration und was das mit Deutschland macht. Ich glaube, man muss zwei Dinge unterscheiden. Einerseits ist Erben die Tatsache, dass eine Person stirbt und ihr Besitz, egal ob wertvoll oder nicht, in andere Hände wechselt, also meist innerhalb der Familie. Und dann gibt es da noch die Tatsache, Vermögen zu erben. Das ist nicht dasselbe. Es gibt außerdem unterschiedliche Modelle für Erbschaftssteuern, das Gesetz dazu lässt sich ja demokratisch gestalten. Etwa mit einem Freibetrag. Sagen wir, der liegt bei einer Million, dann heißt das, wenn ich eine Million Nettovermögen erbe – und das haben in Österreich vielleicht 5 Prozent der Bevölkerung – dann wird erst der erste Euro darüber besteuert. Das Haus der Oma ist nicht in Gefahr, denn meistens gibt es außerdem eine Eigenheimklausel: Wenn man drin wohnt, ist es ausgenommen. Wichtig ist, dass wir keine heimliche Geldelite zulassen, die über das Leben aller anderen bestimmt, das ist undemokratisch und gefährlich für eine Gesellschaft.
Sie könnten Ihr Vermögen in eine Stiftung stecken, statt besteuert werden zu wollen.
Auch das ist undemokratisch. Das zu machen ist in der Regel eine PR-Geschichte, weil – was passiert, wenn eine Stiftung gegründet wird? Ganz viel Geld wird im Kapitalstock vor der Steuer versteckt und am Finanzmarkt angelegt, intransparenterweise. Mit der Rendite wird dann zunächst einmal die Finanzberatung bezahlt. Und wenn die Finanzberatung – unabhängig davon, wie gut sie das Stiftungsvermögen verwaltet – bezahlt worden ist, dann geht das Bisschen, das übrig bleibt, in die Gemeinnützigkeit. Wenn wir das große Geld also Privatpersonen überlassen, dann kriegt das Meiste erstens niemand zu Gesicht. Zweitens entscheiden diese Menschen dann, was sie interessant genug finden, um einen lächerlichen Bruchteil des Vermögens dafür zurückzugeben. Das ignoriert völlig, wo das Geld herkommt und dass es öffentliche Interessen gibt, die zu respektieren sind. So handeln vielleicht Monarchen oder Autokraten, aber wir leben in einer Demokratie. Das heißt, dieses private Stiften und Spenden ist in der Regel nichts anderes als der Wunsch, Macht auszuüben und dabei gut auszusehen. Und ja, natürlich, manche meinen es gut, aber gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Gibt es ein Besteuerungsmodell, das Sie befürworten?
Ich kenne nicht alle Modelle, die es gibt. Ich weiß, was ich für mich gut finde. Aber ich möchte nichts vorgeben, weil es nicht sein darf, dass ich als überreiche Person sage, wie Vermögensbesteuerung auszusehen hat. Es braucht den demokratischen Diskurs, der alle beteiligt, die solche Entscheidungen betreffen, das ist die demokratische Gesellschaft.
Können Sie der Idee, dass Steuergeld zweckgebunden wird, etwas abgewinnen?
Nein. Sowas wird außerdem immer nur jenen angeboten, die ohnehin schon mächtig sind, bei der Mehrwertsteuer, die alle zahlen, fragt auch niemand. Das ist auch eigentlich nicht die Aufgabe der Bevölkerung, sondern die Aufgabe der Politikerinnen und Politiker. Sie vertreten die Bevölkerung und haben auf deren Interessen zu hören, gleichberechtigterweise. Eine Unwucht zu Gunsten der Überreichen hatten wir jetzt lang genug und man sieht ja, was dann passiert. Stichwort: Pflege. Es braucht Transparenz darüber, wer die Politik beeinflussen kann, wer die Lobby dafür bezahlen kann. Zum Beispiel bei der Frage, wer die Gesetze schreibt. Die kommen teilweise aus privaten Anwaltskanzleien. Wessen Interessen fließen da hinein und mit welcher Selbstverständlichkeit? Darauf muss ein Augenmerk gelegt werden. Ich glaube, wenn man eine Umfrage dazu macht, welche Zwecke uns als Gesellschaft die wichtigsten sind, dann kommen wir ganz schnell auf die drei Königinnen. Das sind Bildung, Gesundheit und Klimagerechtigkeit.
Das heißt, Sie wären für mehr direkte Demokratie?
Ja und nein. In der Schweiz sehen wir, dass die bestbezahlte Kampagne oft am besten abschneidet, es gilt also wieder, dass Geld das politische Ergebnis kaufen kann. Das kann es nicht sein. Aber Bürgerinnenräte sind ein interessantes Mittel, das gut funktionieren kann. Es gibt da auch unterschiedliche Modelle, die probiert werden können. Demokratie lässt sich gestalten, wir müssen nicht beim verstaubten Modell bleiben. Außerdem: Das Parlament sollte eigentlich die Bevölkerung widerspiegeln. Aber in Österreich haben wir ein oder zwei Arbeiterinnen oder Arbeiter im Parlament, dabei ist jeder vierte beschäftigte Mensch in Österreich eine Arbeiterin oder ein Arbeiter. Das heißt, hier werden die Interessen von vielen Menschen strukturell unterrepräsentiert.
Ist der Gang in die Politik für Sie eine Option?
Ich würde mal vermuten, die Arbeit, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich machen, ist durchaus schon eine politische, wenn auch keine parteipolitische. Ich persönlich würde nicht in die Politik gehen wollen, aus dem simplen Grund, dass meine Ansichten und meine Aussagen auch von anderen Menschen vertreten werden, die das sehr viel kompetenter hinkriegen und die im Gegensatz zu mir keinen Vermögenshintergrund haben. Und: Es sind schon mehr als genug privilegierte Menschen im Parlament.
Ab wann ist man denn für Sie ein vermögender Mensch?
Das ist eine interessante Frage. Es gibt eine Schwelle für Armut aber für Reichtum nicht. Der Überreichtum beginnt für mich dann, wenn aus Wohlstand, der grundsätzlich ja für alle da sein sollte, in Vermögen umschlägt. Also, wenn das Leben aus dem Indikativ in den Konjunktiv wechselt – wenn aus Wohlstand Vermögen wird. Ich glaube, da ist die Grenze zu Überreichtum und ich denke, dass das errechnet werden kann, aber bestimmt nicht von mir, weil ich keine Expertise darin habe. Was es jedenfalls dazu braucht, ist eine Erfassung von Vermögen. Jeder Mensch muss für öffentliche Sachen, wie zum Beispiel die Steuererklärung, die Hose unterlassen, nur Vermögende Menschen nicht. Sogar eine Null-Prozent-Vermögenssteuer wäre schon ein Fortschritt, weil dann Daten erhoben würden.
Fühlten Sie sich schon vor der Erbankündigung privilegiert?
Privilegiert fühlt man sich nur, wenn man es nicht ist. Eula Biss schreibt ungefähr, den Zustand der Privilegiertheit verstehen am besten jene, die es nicht betrifft. Privilegien sind unsichtbar. Man merkt sie nicht, sie sind selbstverständlich normal und eben nicht die Ausnahme. Sie sind Scheuklappen, die dafür sorgen, dass Privilegierte nicht sehen können, was es heißt, nicht privilegiert zu sein.
Kann man lernen, Privilegien zu reflektieren?
Ja. Es ist Frage einer kritischen Selbstreflexion. Das gilt für alle vorherrschenden Gruppierungen. Egal, ob sie weiß sind, ob sie eine männlich gelesene Person sind, hetero Personen sind, vermögend sind. Sich dessen bewusst zu werden und sich dem kritisch zu stellen, das ist wichtig. Es ist eine individuelle Aufgabe, aber man darf sich nicht darauf verlassen, dass Leute das einfach machen, denn es ist unangenehm. Wir müssen als Gesellschaft die Strukturen schaffen, die dafür sorgen, dass das nicht nur möglich ist, sondern unterstützt wird und, dass die Reproduktion dieser Privilegien abgeschafft wird.
Welche Privilegien sollten abgeschafft werden?
Kann ein Mensch aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe mehr oder weniger wert sein als ein anderer Mensch? Sollten wir unsere Gesellschaft nicht solidarisch gestalten, weil das das Prinzip der Demokratie ist? Wollen wir Vermögensungleichheit reproduzieren oder wollen wir sie abschaffen zugunsten aller? Der Witz ist ja, wenn es allen gut geht, geht es mir gut. Und ich glaube nicht, dass wir uns leisten können, noch länger zu warten, dass überreiche Menschen von allein merken, welche strukturelle Übervorteilung sie genießen. Die Strukturen zu gestalten ist Aufgabe der Politik, Verteilungs- und Steuergerechtigkeit sind ganz oben auf dieser Liste.
Wie sollte man Ihrer Meinung nach vorgehen, wenn Vermögen nicht in Form von verfügbarem Kapital, sondern Grundbesitz vorhanden ist?
Ich finde nicht, dass eine Privatperson per se ein Recht darauf hat, 100 Millionen Quadratmeter Grund zu besitzen. Wofür denn? Man kann nur in einem Haus oder in einer Wohnung wohnen. Dann kann man gleich über Zweitwohnsitze streiten, aber bei den Vermögen aus Landbesitz, die gemeint sind, geht es in der Regel um eine riesige Masse an Fläche und Wohnraum, die in meinen Augen nicht zwangsläufig – nur, weil es jetzt so ist – in privater Hand bleiben muss. Wohnen sollte als Grundrecht Vorrang vor dem Eigentum unzähliger Immobilien haben. Schauen Sie sich allein den Wohnungsmarkt in Wien an. Wissen Sie, wie lukrativ Leerstand ist? Es sollte strafbar sein, Menschen zu verweigern oder zu verunmöglichen, leistbar wohnen zu können. Wir reden hier von Lebensraum, von Menschen. Damit auch nur ansatzweise spekulieren zu wollen, das ist in meinen Augen ein Beweis für Charakterschwäche und sollte öffentlich geregelt werden.
Gibt es etwas, das man für Geld kaufen kann und für Sie unter gönnen oder Luxus fällt?
Ich kann keine Buchhandlung betreten, ohne mit einem Buch herauszukommen. Es sei denn, die Buchhandlung ist ausnehmend schlecht sortiert.
Führen Sie ein angenehmeres Leben, seitdem Sie wissen, dass Sie ein Millionenvermögen erben werden?
Es ging mir schon vorher gut. Ich brauche diese Erbschaft nicht. Und mal abgesehen davon: Ich bin mir nicht zu schade zu arbeiten, so wie alle anderen auch. Zu arbeiten ist eine Möglichkeit, sich an der Gesellschaft zu beteiligen und solidarisch zu zeigen, in welchem Job auch immer. Es kann nur nicht sein, dass die Arbeitsbedingungen das nicht wiedergeben, ob nun in Bezug auf Lohn oder Anerkennung oder beides.
Sie wollen als studierte Germanistin Lektorin werden.
Ich glaube, zunächst einmal werde ich noch viel Zeit für die Arbeit brauchen, die ich jetzt mache, wenn ich mir die politische Lage so anschaue. Danach werden wir sehen. Ich lese gerne und ich korrigiere gern. Das wäre ja geschenkt.
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