Millionenerbin Engelhorn "wäre gerne von Vermögenssteuer betroffen"

Marlene Engelhorn
Die 30-Jährige Marlene Engelhorn wird einen zweistelligen Millionenbetrag erben. Warum sie gegen Privatstiftungen ist, das erklärt sie im KURIER-Interview.

Ist es gerecht, vererbtes Vermögen zu besteuern? Marlene Engelhorn ist Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Warum das für sich genommen noch keine Leistung ist und sie die Initiative „taxmenow“ mit gegründet hat, erzählt die 30-Jährige dem KURIER:

KURIER: Johannes Rauch hat sich als Sozialminister für eine Vermögenssteuer ausgesprochen und ist damit in der Regierung alleine. Geben Sie ihm öffentlich Schützenhilfe?

Marlene Engelhorn: Endlich kommt einmal aus der Politik dazu ein Vorstoß. Man sollte sich vor Augen führen, dass wir jährlich – nach der Rechnung für das letzte Jahr – über eine Milliarde Euro wegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug verlieren.

Marlene Engelhorn (30) wird von ihrer Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto einen zweistelligen Millionen-Betrag erben. Die Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn will, dass ihr Erbe angemessen besteuert wird, mindestens 90 Prozent wird sie weggeben. Die gebürtige Wienerin studiert Germanistik und ist Mitgründerin der Initiative taxmenow.

Friedrich Engelhorn (1821-1902) gründete die Badische Anilin- & Soda-Fabrik (BASF) und übernahm das Unternehmen C.F. Boehringer und Söhne, später Boehringer Mannheim. 1997 wird die Boehringer-Mannheim-Gruppe für elf Milliarden US-Dollar an Hoffmann-La Roche verkauft.

Bevor wir ins Detail gehen: Gibt es derzeit Politikerinnen oder Politiker, die auf Sie zukommen, das Gespräch suchen?

Ich bekomme sehr viele Rückmeldungen aus allen unterschiedlichen Ecken. Aber ich bin keine Expertin, ich bin ja nicht betroffen. Ich wäre gern betroffen von einer Vermögensbesteuerung, aber es gibt keine. Gleichzeitig wird den sogenannten unteren 90 Prozent zugemutet, dass sie arbeiten, darauf Steuern zahlen, ihre Familien und Leben auf die Reihe kriegen und und und. Aber vermögenden Menschen, die eh schon alles haben, kann man Steuern nicht zumuten, weil sie das mit all ihren Finanz- und Steuerberaterinnen und Steuerberater nicht hinbekommen? Ich finde das einfach schräg. Es mangelt offenbar an politischem Willen, obwohl Steuern ein demokratisches Mittel der Umverteilung sind. Wir sollten nicht feudale Herrschaftsprinzipien reproduzieren. Wenn jemand wie ich –  aus dem sogenannten obersten Prozent – etwas sagt, dann ist es plötzlich interessant? Das ist schwierig, das ist nicht gut.

Wann haben Sie damit begonnen, sich mit Verteilungsgerechtigkeit zu beschäftigen?

Es gab nicht diesen einen Moment, als es Klick gemacht hat und ich auf einmal verstanden habe, worum es geht. Es ist ein Ergebnis von langwierigen, unterschiedlichen Prozessen: Gespräche einerseits, Erfahrungen andererseits. Schlimm genug, dass es so lange gedauert hat, bis ich draufgekommen bin. Ein Katalysator war sicher diese Erbschaftsankündigung, aber da war ich schon Ende 20.

Das war der Moment, als Sie erfahren haben, dass Sie einen zweistelligen Millionenbetrag von Ihrer Großmutter erben werden…

Es ist einfach keine Leistung, geboren zu werden. Würden Sie irgendeiner Person einfach so einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand drücken und sagen „Ja, mach halt mal!“? Wahrscheinlich nicht. Und das hat einen guten Grund. Mit so viel Geld umzugehen, verlangt auch eine gewisse Kompetenz. Die kriegt man nur, wenn man sich damit auseinandersetzt. Der Versuch, aus Geld mehr Geld zu machen, hat dabei in meinen Augen nichts mit Kompetenz zu tun, sondern nur mit Gier. Die Kompetenz, die ich meine, ist in der Gesellschaft, der Wirtschaft, in der Arbeitswelt zu suchen. Alle möglichen Menschen sind daran beteiligt, dass wir überhaupt eine Wirtschaft haben. Ihre Ansichten und Gedanken zu erfassen und einzubringen, ist Aufgabe der Politik. Das gilt dann auch für den Umgang mit unseren finanziellen Ressourcen. Es sollte nicht selbstverständlich sein, dass Menschen, die eh schon alles haben, auch noch alles andere kriegen. Warum das eine Selbstverständlichkeit ist, das ist mir schleierhaft.

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