KI-Technologie: Damit Mist kein Unrat wird

Blick in das Innere eines Müllsammelfahrzeugs: Knowledge Graphs erkennen sofort, welche anderen Materialien als Biomüll enthalten sind.
Ein Forschungsprojekt der TU Wien setzt Knowledge Graphs ein, um die Recyclingquote von Biomüll zu verbessern

Obst- und Gemüseschalen, Kaffeesud oder Rasenschnitt – was in die Biotonne gehört, ist den meisten von uns hinlänglich bekannt. Und dennoch zeigen bundesweite Müllanalysen, dass viele organische Abfälle nicht in den braunen Tonnen landen. Umgekehrt kommt es genauso vor, dass Materialien, die nicht biologisch abbaubar sind, genau in diesen entsorgt werden. Die Folge: Dieser Mist ist nicht mehr recycelfähig – er muss verbrannt oder auf Deponien entsorgt werden. Das gilt allerdings nicht nur für den Inhalt der betreffenden Biotonne: Die Mistwägen leeren auf ihren Touren viele Behältnisse. Enthält nur eine Tonne nicht verwertbaren Müll, so ist die ganze Fuhre betroffen.

Erkennen und verstehen

Hier setzt das Forschungsprojekt „Knowledge Graph-driven Tour Management for Sustainable Waste Processing“ von Prof. Dr. Emanuel Sallinger, Leiter des vom WWTF im Rahmen der Vienna Research Groups geförderten Knowledge Graph Lab an der TU Wien, an. Er setzt KI-Technologie ein, um die Recyclingquote von Biomüll zu verbessern. „Knowledge Graphs können komplexe zeitliche Abfolgen sehr gut abbilden. 

Darüber hinaus geben sie Vorschläge für das weitere Vorgehen“, erklärt der Wissenschafter. „Man kann es analog zum Fast and Slow Thinking des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann erklären: Knowledge Graphs können sofort erkennen, ob Biomüll verunreinigt ist, das entspricht dem Fast Thinking. Um erfolgreich zu sein, bedarf es des Slow Thinkings – des planerischen Denkens. Und diese KI-Technologie verbindet beide Komponenten.“

Für das Forschungsprojekt wurden einige Mistwägen mit speziellen Kameras ausgestattet. Diese scannen den Biomüll und erkennen, ob auch andere, nicht kompostierbare Stoffe enthalten sind. „Natürlich hilft das nichts mehr, wenn der kontaminierte Mist im Laster ist, dieser muss dann verbrannt oder auf Deponien entsorgt werden“, sagt Sallinger. „Aber die Knowledge Graphs verstehen die Zusammenhänge und erarbeiten im Hintergrund Vorschläge, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.“

KI-Technologie: Damit Mist kein Unrat wird

Knowledge Graphs bieten erklärbare Entscheidungen  und sind daher ideal für dieses Forschungsprojekt

von Prof.Dipl.-Ing. Emanuel Sallinger

Rote und grüne Touren

Einfach ausgedrückt erkennt diese KI-Technologie, ob auf bestimmten Strecken der Mistwägen immer wieder Verunreinigungen des Biomülls vorliegen. Die Knowledge Graphs sind dann in der Lage, Vorschläge zu deren Optimierung zu unterbreiten. „Die Touren können angepasst und bestimmte Stopps etwa ausgelassen und von anderen Entsorgungswagen übernommen werden“, so der Experte. „Das bedeutet: Weniger Biomüll muss insgesamt verbrannt oder entsorgt werden und zugleich werden die von den Lkws zurückgelegten Kilometer – und somit auch der CO2-Ausstoß – verringert. Knowledge Graphs teilen die Fahrten der Recyclingunternehmen somit in grüne und rote Touren ein.“ 

Zwar kann die KI-Technologie durch das Erkennen räumlicher und zeitlicher Zusammenhänge eine rote Tour durch das Auslassen bestimmter Stopps in eine grüne verwandeln, dennoch bleibt immer ein Unsicherheitsfaktor: das menschliche Verhalten. „Das Forschungsprojekt hat zwei direkte Auswirkungen auf den Umweltschutz: Erstens kann die Recyclingquote erhöht werden, da man im Sinne der Kreislaufwirtschaft mehr verwertbaren Müll gewinnt, der nicht verbrannt oder deponiert werden muss. Das hat eine direkte Auswirkung auf den Umwelt-Impact des Ganzen. 

Die zweite ist, dass es möglich ist, den CO2-Ausstoß vom Transport zu verringern“, bekräftigt Emanuel Sallinger. „Ich sehe das Projekt aber auch als Türöffner: Ein mögliches Follow-up-Projekt wäre, wie man helfen kann, die Mitwirkung der Menschen beim Recycling zu erhöhen.“

Folgewirkungen

Im Bereich des Vorstellbaren wäre auch hier der Einsatz von Knowledge Graphs. Die Kameras könnten, unterstützt durch neuronale Netzwerke, etwa bei Sammelbehältern für recycelbaren Müll installiert werden. Sie würden sofort erkennen, wenn falsch getrennter Müll entsorgt wird und die Verursacher darauf hinweisen. Eine interaktive Kommunikation mit Menschen sei eine spannende Sache, gibt Emanuel Sallinger zu, sei allerdings nicht Ziel des Forschungsprojektes „Knowledge Graph-driven Tour Management for Sustainable Waste Processing“. 

„Uns geht es darum eine klare Aussage zu treffen, wie die Touren der Mistwägen verbessert werden können, um eine höhere Recyclingquote zu erreichen und zugleich den CO2-Ausstoß der Fahrzeuge zu verringern“, so der Wissenschafter. „Und dafür eignet sich die KI-Technologie der Knowledge Graphs ideal, denn sie bietet dem Menschen erklärbare Entscheidungen an.“