Die Zukunft mitgestalten

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Wer die Wissenschaft finanziell unterstützt, hilft dabei, brennende Themen unserer Zeit zu lösen.
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Um die Wende zum 20. Jahrhundert erlebte die Wissenschaft und Forschung in Wien eine Blütezeit. Das lag nicht nur an den kreativen Köpfen, sondern auch an den Mäzenen. Der etablierte private Stiftungssektor erlebte allerdings mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen Kahlschlag. Im Gespräch erzählen Ruth Williams, MSc, Generalsekretärin des Verbands für gemeinnütziges Stiften, Dr. Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) und Dipl.-Ing. Michael Kaiser, Stiftungssekretär der TU Foundation, woran das liegen und wie man es ändern könnte.

Inwiefern sind Wissenschaft und Forschung für die Gesellschaft von Bedeutung?

Michael Stampfer: Wissenschaft trägt dazu bei, dass wir die Welt verstehen – und auch dazu, dass wir unsere Welt nach gemeinsam ausgemachten Zielen verbessern.

Ruth Williams: Sowohl die Grundlagen-, als auch weiterführende Forschung liefern uns Innovationen und haben so das Potenzial, ein lebenswertes Leben für alle zu schaffen.

Michael Kaiser: Wissenschaft leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für den Bestand und die Entwicklung von Demokratien, indem sie eine methodisch fundierte und überprüfbare Angebote zur Reflexion anbietet. Damit trägt sie gerade dort große Verantwortung, wo die Lage nicht eindeutig ist.

Wenn Wissenschaft ein wichtiges allgemeines Gut ist, sollte sie dann nicht ausschließlich vom Staat gefördert werden?

Michael Kaiser: Wir stehen als Gesellschaft vor unglaublichen globalen Herausforderungen, die unser aller Kraftanstrengungen benötigen werden, um sie erfolgreich zu bewältigen. Die Beobachtung – nicht nur in Österreich – legt den Schluss nahe, dass die finanziellen Möglichkeiten der Staaten für die Finanzierung von öffentlichen Gütern zusehends beschränkt sind und es zu einer Unterfinanzierung kommt. Schon aus purem Eigeninteresse braucht es das private Engagement.

Michael Stampfer: Wer sich für die Wissenschaft engagiert, beeinflusst bis zu einem gewissen Grad den Gang der Dinge. Es gibt viele Forschungsthemen, die im System unterrepräsentiert sind, weil sie auf wenig Interesse stoßen. Diese Themen, etwa seltene Erkrankungen oder bestimmte Technologien, haben nur eine Chance, aufgegriffen zu werden, wenn sich ein privater Geldgeber findet. Und dennoch kommen sie der Allgemeinheit zugute, weil auch exotische Themen später zu einem aktuellen und brisanten werden können.

Ruth Williams: In Österreich fehlt das Bewusstsein, dass Wissenschaft und Forschung auch privates Engagement brauchen. Einer der positiven Nebeneffekte der Covid-Pandemie ist, dass sie nun mehr in den Mittelpunkt gerückt sind.

Wie könnten sich Privatpersonen denn engagieren?

Michael Stampfer: Wir brauchen das ganze Spektrum an kleinen, mittleren und großen Stiftern: Kleinspenden von Privatpersonen ebenso wie Spenden von Privatstiftungen oder gemeinnützigen Stiftungen. Das Narrativ, das sich in Österreich durchgesetzt hat, dass die Staatsquote für Wissenschaft so hoch sei, ist obsolet und falsch.

Michael Kaiser: Für die langfristige Positionierung im europäischen Spitzenfeld spielt die Förderung und Finanzierung der ergebnisoffenen Grundlagenforschung eine zentrale Rolle. Hier kommt die Philanthropie ins Spiel. Ich gehe soweit, dass nur wirklich philanthropes Kapital hier einen Hebel hat, weil es in der Regel langfristig, frei bzw. themenbezogen ausgeschüttet werden kann.

Ruth Williams: Für mich ist die gemeinnützige Stiftung die Königsdisziplin des Engagements. Sie ist langfristig konzipiert und ist unabhängig. Sie ist nur der Erreichung ihres gemeinnützigen Zwecks ausgerichtet und somit die nachhaltigste Form des gemeinnützigen Engagements.

Michael Kaiser: In Österreich gäbe es ein enormes Potenzial für philanthropes Engagement. Laut Österreichischer Nationalbank betrug das Geldvermögen im 1. Halbjahr 2022 rund 800 Milliarden Euro. Gleichzeitig spendeten die Österreicher*innen mit rund 900 Mio Euro im Jahr 2022 im Verhältnis dazu wenig. Vor allem im Bereich der hoch- und höchstvermögenden Privatpersonen gibt es noch Entwicklungspotenzial. Hier braucht es einen Kulturwandel.

Ruth Williams: In den vergangenen fünf Jahren wurden in Österreich über 100 neue gemeinnützige Stiftungen gegründet. Das ist sehr erfreulich, wenn auch noch kein Boom. Das Wachstum geht langsam nach oben und vor allem der Bereich Wissenschaft und Forschung hat dabei einen großen Anteil.

Michael Stampfer: Vielleicht ist es eine Frage des bürgerlichen Selbstbewusstseins, das bei uns besser ausgeprägt sein könnte. Letztlich ist es ja ein Zeichen, wenn man für die Wissenschaft spendet: Man präsentiert sich als starker Akteur und unterstreicht, dass man sich bewusst ist, dass mit Reichtum auch gesellschaftliche Verantwortung einhergeht.

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Dr. Michael Stampfer, Geschäftsführer

WWTF Matching Funds

2001 wurde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) als gemeinnützige Wiener Förderorganisation gegründet, um die
Exzellenz und Relevanz der Forschung in Wien zu steigern. Seine Hauptaufgabe ist es, herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen. Jede Spende an den WWTF wird von der Stadt Wien verdoppelt (Matching Funds).

www.wwtf.at

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Ruth Williams, MSc, Generalsekretärin

Verband für gemeinnütziges Stiften

Seit 2014 vertritt und vernetzt der Verband gemeinnützige Akteure in und für Österreich. Aktuell vertritt der er über 120 Mitglieder, darunter zum Beispiel Stiftungen  von Unternehmen, Privatpersonen, Sparkassenstiftungen oder Hochschulen. Im Sommer 2023 erscheint der erste österreichische Stiftungsreport, in dem aktuelle Daten und Case Studies vorgestellt sowie rechtliche Fragen beantwortet werden.

www.gemeinnuetzig-stiften.at

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Dipl.-Ing. Michael Kaiser, Stiftungssekretär

Die TU Foundation wurde  gegründet, um  Nachwuchswissenschaftler*innen der TU Wien bei der Lösung der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit zu unterstützen. Interdisziplinäre Teams widmen sich zukunftsweisenden Initiativen. Forschungsfragen werden unter Berücksichtigung von gesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen, ökologischen, technisch-funktionalen, wirtschaftlichen sowie sozialen Aspekten  ganzheitlich bearbeitet.

tuwien.foundation

  • Zwecke gemeinnütziger Stiftungen: Soziale Dienste und Bildung & Forschung sind die häufigsten Themen
  • Anzahl: In  Österreich existieren  769 Stiftungen, die als rein gemeinnützig anzusehen sind.
  • Neugründungen: In den vergangenen sieben Jahren wurden rund 110 neue gemeinnützige Stiftungen nach Bundesstiftungs- und Fondsgesetz oder Privatstiftungsgesetz gegründet. Viele dieser Neugründungen erfolgten von gemeinnützigen Organisationen, die im Rahmen ihrer Stiftungen selbst auf der Suche nach privaten Spenden  sind.