Bildung als Weg aus der Armut

Bildung als Weg aus der Armut
Das Roma Graduate Preparation Program (RGPP) der CEU.

Seit Jahrhunderten lebt die Mehrheit der Roma in den Ländern Mittel- und Südosteuropas. In Ungarn siedelten sie sich im 14. Jahrhundert an und bilden heute die größte ethnische Minderheit. „Roma werden nach wie vor in Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens ausgegrenzt“, so Angéla Kóczé, Vorsitzende des Romani-Studienprogramms an der Central European University (CEU) in Budapest. „Die historisch gewachsenen Benachteiligungen können am effektivsten durch Bildung angegangen werden, die eine entscheidende Rolle beim Abbau von Marginalisierung, struktureller Diskriminierung und rassistischen Vorurteilen spielt.“

Status quo

Laut Schätzungen der ungarischen Regierung leben etwa 500.000 bis 600.000 Roma in extremer Armut. Um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, soll jede*r Angehörig*e der Roma-Minderheit zumindest die achtjährige Pflichtschule absolvieren. „In vielen europäischen Ländern haben Roma-Kinder und -Jugendliche jedoch nur Zugang zu oft minderwertiger Bildung“, so Kóczé. „Das setzt ihren Ausschluss von sozialer, wirtschaftlicher und politischer Teilhabe fort.“

Gegenstrategie

Um dagegen anzukämpfen, wurde 2004 das Roma Graduate Preparation Program (RGPP) der CEU ins Leben gerufen. „Es bietet Roma-Jugendlichen eine intensive, qualitativ hochwertige Entwicklung ihrer akademischen und sprachlichen Fähigkeiten, damit sie sich erfolgreich für Masterprogramme an der CEU oder an anderen renommierten Universitäten bewerben und ihr Studium erfolgreich abschließen können“, sagt Kóczé. Das RGPP-Programm dauert zehn Monate. Die Jugendlichen erhalten die volle Finanzierung. „Der Lehrplan besteht aus drei Komponenten: akademische fachbezogene Kurse, intensiver Englischunterricht sowie Roma-bezogene Kurse und Veranstaltungen“, so die Leiterin des Programms. „In den 20 Jahren haben fast 400 Student*innen das RGPP abgeschlossen; 85 % wurden in MA-Programme und fast 5 % in PhD-Programme aufgenommen, was bemerkenswerte Indikatoren für die akademische Exzellenz des Programms sind.“

Deutliche Sprache

Anfang Mai fand anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Romani-Studienprogramms an der CEU in Wien eine Konferenz zum Thema „Die Reproduktion von Ungleichheit durch Hochschulbildung infrage stellen: Kritische Ansätze in der Romani-Studie und darüber hinaus“ statt. „Die vorgestellten Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass individuelle Anstrengung, Ehrgeiz und Fähigkeiten wichtig, aber nicht ausreichend sind, um generationsübergreifende Rassifizierung und sozioökonomische Ungleichheit zu überwinden“, sagt Angéla Kóczé. „Sie spiegelt den OECD-Bericht ,Ein kaputter sozialer Aufzug’ wider: Er zeigt, dass es im Durchschnitt der OECD-Länder vier bis fünf Generationen oder 150 Jahre dauern könnte, bis das Kind einer armen Familie das Durchschnittseinkommen erreicht.“

Bildung ist dabei der Schlüssel. Kóczé: „Der effektivste Weg zur Förderung der sozialen Mobilität historisch diskriminierter Gruppen wie der Roma ist eine Investition in eine sorgfältig konzipierte Bildungskette von der Grundschule bis zur Hochschulbildung.“