Sexbefreit: Die Evolution der Sextoys

Die Liebe zur Lust hat eine lange Geschichte.
Vibratoren, Dildos oder anderes Sexspielzeug findet man heutzutage beinahe in jedem Schlafzimmer. Doch Sextoys sind keineswegs eine moderne Erfindung. Ein erotischer Rückblick.

Die ältesten der Menschheit bekannten Dildos wurden aus Schluffstein, einem Sedimentgestein, gefertigt. Auch vor über 32000 Jahren lag den Menschen die Luststeigerung womöglich also bereits am Herzen. Neben einer sexuellen Aufgabe erfüllten die knapp 20 Zentimeter langen Steinphallusse damals jedoch auch eine praktische: Sie wurde zur Zerkleinerung von Feuerstein und zur Abwehr von Feinden verwendet.

Kleopatra befriedigte sich im alten Ägypten Überlieferungen zufolge mit einer mit Bienen gefüllten Papyrusschachtel. Im 18. und 19. Jahrhundert zeigten sich französische und spanische Seefahrer bei der Selbstbefriedigung ebenfalls erfinderisch: Sie nahmen längliche Gummihülsen ("Frauen der Reise") mit auf hohe See.

Mit dem zunehmenden Machtgewinn christlicher Werte in der Spätantike und im Mittelalter, wurde die Entwicklung von lustbefriedigenden Instrumenten über Jahrhunderte behindert. Moralische Wertvorstellungen machten ein proaktives Vorgehen lange Zeit unmöglich.

Sextoys in der Medizin

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kam erstmals ein dampfbetriebener Vibrator zum Einsatz. Dieser sollte den sogenannten Zustand der Hysterie bei Frauen behandeln. Damit bezeichnete man von der Antike bis zum späten 20. Jahrhundert eine psychische Störung bei Frauen, deren Ursache in der Gebärmutter lag. Gelehrte gingen davon aus, dass die Gebärmutter, "wenn sie nicht regelmäßig mit Sperma gefüttert werde, im Körper suchend umherschweife und sich dann am Gehirn festbeiße". Dies führe dann zum typischen "hysterischen" Verhalten. Neben ärztlich verordneten Massagen im Genitalbereich wurde Betroffenen auch der Dampf-Vibrator als beruhigendes Mittel verschrieben.

Sexbefreit: Die Evolution der Sextoys

1883 wurde schließlich der batteriebetriebene Vibrator erfunden. Verantwortlich für diesen Meilenstein zeichnete sich der Mediziner Joseph Mortimer Granville. Auch der sogenannte "Percuteur", der eigentlich für die Massage von Männern entwickelt worden war, wurde zunächst nur zur Heimbehandlung hysterischer Frauen angewandt. Dennoch läutete Granville mit seiner Erfindung eine völlig neue Ära der Vibratoren ein. Von nun an mussten Frauen nicht mehr zum Arzt pilgern, um ihre Hysterie bzw. sexuelle Frustration loszuwerden. Als der Vibrator um 1900 schließlich auch in der Pornografie auftauche, wandte sich die Medizin davon ab. Er wurde zum kommerziellen Gut.

In den 1930er-Jahren wurden Vibratoren von Firmen erstmals gezielt vermarktet. Man brachte die Geräte damals jedoch noch mit der Kultivierung von Schönheit und Gewichtsverlust in Verbindung. Die explizite, lustvolle Verwendung im Intimbereich wurde nicht thematisiert. Doch auch das sollte sich ändern.

Schöne, neue, sexbefreite Welt

Die 1960er-Jahre veränderten schließlich alles. Die Revolution des Sexspielzeugs nahm seinen Anfang. Neben Aufklärungsbüchern und wissenschaftlichen Forschungen markierte die Markteinführung des Hitachi Magic Wand im Jahr 1968 eine wichtige sexuelle Trendwende. Das zur Muskelentspannung entwickelte Gerät wurde Frauen von Sexualtherapeuten auf der ganzen Welt zur Selbstbefriedigung empfohlen. Heute steht der immer noch beliebte Massagestab in manchen feministischen Kreisen in der Kritik. Er sei zu phallusartig konzipiert und berücksichtige die Anatomie der weiblichen erogenen Zonen nicht ausreichend, so der Tenor.

Sexbefreit: Die Evolution der Sextoys

Neue Studien der weiblichen Sexualität revolutionierten schließlich auch die zur Verfügung stehenden Gerätschaften. Das Tabu wurde langsam gebrochen und Serien wie"Sex and the City"kreierten die Idee von Sextoys als Alltagsgegenstände für jederfrau.

Intimer Lifestyle auf dem Höhepunkt

Heute sind Sextoys populärer als je zuvor. Die Industrie boomt, nicht zuletzt dank Filmen wie "50 Shades of Grey". Der Durex Global Sex Survey 2012 zufolge greifen 43 Prozent der Österreicher gerne zu Sextoys und anderen Hilfsmitteln, um das Liebesspiel im Alltag aufzupeppen. Im internationalen Vergleich setzt man in Deutschland (32 Prozent) und der Schweiz (31 Prozent) ebenfalls nicht ungerne auf Sextoys.

2014 konnten Janet Lieberman und Alexandra Fine zwei Millionen Dollar via Crowdfunding für die Entwicklung eines neuartigen, revolutionären Sextoys, das ohne manuelle Bedienung auskommt, organisieren. Der Eva Wearable Couples' Vibrator ist zur äußeren Anwendung konzipiert und lässt dabei dennoch eine Penetration zu. Er besitzt zwei flexible Flügel, die unter die Schamlippen der Frau passen und den Vibrator so direkt über der Klitoris fixieren. Dazu sind die Flügel so beweglich, dass sie mit der Vagina jeder Frau korrespondieren.

2013 zog der Sqweel Oral Sex Simulator in die Schlafzimmer ein. Er simuliert Oralsex und stellt in Analogie zur künstlichen Fleshlight-Vagina für den Mann ein neues Selbstbefriedigungungstool für die Frau dar. Der auf der Hand befestigbare Hello Touch Fingervibrator von Jimmyjane hob die in- und externe Stimulation auf ein neues Level. Auch für Luxus ist Platz: 2011 kam eine goldene Version des Vibrators der Marke Lelo auf den Markt. Kostenunkt 15.000 Dollar.

Die Branche kennt keine kreativen Grenzen

Neben Toys, die auf Frauen oder Paare abgestimmt sind, kann man neumoderne Gadgets auch mit Apps synchronisieren und so ein einen neue Dimension der Lust erreichen. Farben, Formen, Materialien und Einstellungsmodi sind keine Grenzen gesetzt. Sextoys sind heute wasserfest, kabellos, aus Holz und multifunktional – und bieten dabei für jeden Geschmack, jede Stellung und jede sexuelle Vorliebe die passende Hilfestellung.

Was Sextoy-Fans noch bevor steht? Einiges, wenn man Experten glaubt. So gehen Entwickler davon aus, dass wir in zehn bis 15 Jahren Sexspielzeug mit unserem Gehirn bedienen und kontrollieren und damit einen noch intuitiveren Zugang zur Luststeigerung finden werden. Der Blick voraus scheint demnach genauso spannend wie jener in die Vergangenheit.

Kommentare