Schlaf-Report: Wir haben verlernt, erholsam zu schlafen

Schlaf-Report: Wir haben verlernt, erholsam zu schlafen
Der Mensch schläft weniger und schlechter, Experten fordern eine neue Schlafkultur.

Arbeit, Kinder, Freunde, Familie, Freizeit – wenn wir an unseren Alltag denken, dann kann ein Tag gar nicht genug Stunden haben, um alles unterzubringen. Da ist die Ruhezeit noch gar nicht eingerechnet. Als lästige Notwendigkeit wird der Schlaf dann auch noch so kurz wie möglich gehalten – es gibt ja so viel Wichtigeres zu tun. Die Bedeutung des Schlafes für die Regeneration von Körper und Geist wird zunehmend unterschätzt.

Das hat tief greifende Folgen. "Lange hat die Gesellschaft das Thema Schlaf verschlafen", mahnt der Schlafmediziner Hans-Günter Weeß bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Er warnt vor den Folgen der 24-Stunden-Non-Stop-Gesellschaft und fordert eine neue Schlafkultur.

So fokussieren sich Forscher immer mehr auf den Zusammenhang zwischen Depressionen und Schlafstörungen. Wie sehr sich eine durchwachte Nacht auf Stimmung, Stress und Konzentration auswirkt, weiß jeder aus eigener Erfahrung. Langzeit-Untersuchungen haben nun gezeigt, dass Menschen mit chronischer Schlafstörung ein doppelt so hohes Risiko für Depressionen haben. Die Schlaflosigkeit kann trotz erfolgreicher Behandlung der Depression anhalten – umgekehrt gibt es aber Hinweise, dass eine Verhaltenstherapie der Schlafstörung dabei helfen kann, die Depression in den Griff zu bekommen.

Nachtschreck

Die Wurzel der Schlaflosigkeit liegt nicht nur in unserem Lebensstil, sie beginnt bereits in frühester Jugend. Zumindest jedes zehnte Kind leidet unter Schlafstörungen, Albträumen oder auch unter dem Nachtschreck, bei dem das Kind schreiend aus dem Schlaf schreckt, einige Minuten orientierungslos ist und dann wieder einschläft.

Mit dem Eintritt ins Schulalter kritisieren Schlafexperten das chronische Schlafdefizit durch den frühen Schulbeginn. Das Schlafhormon Melatonin erreicht seinen Höhepunkt bei Jugendlichen zeitversetzt – um rund zwei Stunden später als bei Erwachsenen. Dadurch schlafen sie zeitverzögert ein. Durch den ohnehin erhöhten Schlafbedarf kommen sie morgens umso schwerer aus dem Bett. Somnologen zufolge würde ein Schulstart um eine Stunde später deutliche Vorteile für die Konzentrations- und Lernfähigkeit von Schülern bringen.

Wenig hilfreich beim Schlafen sind bekanntlich auch Smartphone, TV und Tablet, die Jugendliche und Erwachsene häufig bis ins Bett begleiten. Das blaue Licht unterdrückt die Bildung des Schlafhormons im Körper – und hält wach. Eine US-Studie hat gezeigt, wie viel das ausmacht: Testpersonen, die ab Sonnenuntergang eine spezielle Brille trugen, die blaues Licht absorbiert, schliefen um durchschnittlich 22 Minuten länger als vor dem Experiment.

Schlafstörungen

Wie sehr sich Job und Lebensstil auf die Schlafqualität und die Gesundheit auswirken, belegen laufend neue Studien. Demnach ist etwa jeder dritte Schichtarbeiter von Schlafstörungen betroffen ist – Frauen leiden übrigens stärker darunter als Männer. Als Maßnahme dagegen nimmt zum Beispiel jeder dritte Mitarbeiter von Flugzeug-Crews regelmäßig Schlafmittel , hat eine Umfrage gezeigt.

Das betrifft vor allem jene, die regelmäßig woanders schlafen – auch dazu gibt es neue Erkenntnisse. Forscher der Brown University haben herausgefunden, warum wir an neuen Orten schlecht schlafen: Ähnlich wie bei Delfinen bleibt eine Gehirnhälfte wach und ist in der neuen Umgebung ständig auf Alarmbereitschaft.

Wenig verwunderlich sind da die Folgen von Schicht- und Nachtarbeit: Eine aktuelle Untersuchung, an der die MedUni Wien beteiligt war, hat gezeigt, dass Nachtarbeiter ein bis zu 18 Prozent erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten haben. Zuvor war schon bekannt, dass sie häufiger unter Erkrankungen wie Brustkrebs, Darmkrebs, Diabetes oder Bluthochdruck leiden.

Ernährung

Natürlich spielt da auch die Ernährung eine Rolle – sie wird jedoch wiederum vom Schlaf beeinflusst. Nach einer durchwachten Nacht verlangt der Körper mehr Kalorien – wir ernähren uns automatisch fetter und kohlenhydratreicher. Wenn es ganz blöd läuft, kommt man in einen Teufelskreis: Denn eine fettreiche Ernährung macht tagsüber träge und müde – dafür schläft man nachts schlechter, hat kürzlich eine australische Studie belegt.

Die Lösung scheint naheliegend: abnehmen. Die Belohnung dafür ist nicht nur besserer Schlaf, sondern auch mehr und besserer Sex. Wer erholt ist, ist eben gut drauf und hat insgesamt mehr Energie.

"Der Schlaf ist wie ein Seismograf, der anzeigt, wie es jemandem geht", fasst es die Schlaf-Expertin Brigitte Holzinger zusammen. Das Vermessen des Schlafes ist dank Fitnesstrackern, Smartphones und speziellen Apps immer besser möglich. Sie überwachen Schlafdauer, Schlafphasen oder die Schnarch-Häufigkeit. Holzinger findet diese Entwicklung prinzipiell nicht schlecht, um mehr Bewusstsein zu schaffen – besonders bei Schlafstörungen werde dazu geraten, ein Schlaftagebuch zu führen. Qualitativ sind die Sensoren in Smartphones allerdings nicht mit den Messgeräten in einem Schlaflabor vergleichbar.

Eine ideale Schlafdauer gibt es jedenfalls nicht – "alles zwischen fünf und zehn Stunden kann man als normal bezeichnen – das ist abhängig von der Person und vom Alter", sagt Holzinger. Was ein Vergleich mit Naturvölkern bestätigt. Der Verhaltensforscher Jerome Siegel fand heraus, dass die Menschen in solchen Gesellschaften auch nur sechs bis sieben Stunden schlafen. Allerdings orientiert sich ihr Alltag nach dem Rhythmus von Tag und Nacht und nicht nach dem Terminkalender.

...der Mond den Schlaf minimal beeinflusst? Eine Studie mit 5800 Kindern über zwei Jahre hat gezeigt, dass sie in Vollmondnächten um fünf Minuten kürzer schlafen.

... im Tierreich die kleine Taschenmaus der Rekordhalter im Langschlafen ist? Sie braucht durchschnittlich 20 Stunden Schlaf am Tag – mit geschlossenen Augen. Pferde kommen mit nur 2,9 Stunden Schlaf aus und das geht sogar im Stehen. Faultiere kommen in freier Wildbahn im Schnitt auf 9,6 Stunden.

... der Wachhalte-Rekord bei 266 Stunden liegt? Der Brite Tony Wright hat im Mai 2007 ganze 11 Tage und Nächte kein Auge zugemacht. Er hat seinen Zustand später als eine Art Rausch beschrieben.

... Paul McCartney die Melodie zum Welthit „Yesterday“ angeblich im Traum eingefallen ist? Er wachte auf und setzte sich sofort ans Piano.

...Frauen besser ohne Mann an ihrer Seite schlafen? Bei den Männern ist es genau umgekehrt – sie können sich besser erholen, wenn sie ihr Bett teilen.

... der Mensch vor der Farb-TV-Ära in Schwarz-Weiß geträumt hat? Allerdings erst seit Schwarz-Weiß-Fernsehen eingeführt wurde. Es gibt offenbar einen direkten Zusammenhang mit dem Medienkonsum – Traumforscher gehen davon aus, dass der Mensch vorwiegend in Farbe träumt.

... Bettwanzen bei der Farbwahl der Bettwäsche wählerisch sind? Sie bevorzugen schwarzes und rotes Bettzeug.

... man nicht gleichzeitig schnarchen und träumen kann? Zum Träumen muss die Tiefschlaf-Phase erreicht werden. Durch das Schnarchen wird der Schlaf jedoch permanent gestört.

... der Mensch jede Nacht durchschnittlich 0,5 Liter Feuchtigkeit verliert? Im Jahr sind das immerhin 182,5 Liter. Gute Lüftung ist daher essenziell.

... Schlafentzug seit jeher eine weit verbreitete Foltermethode ist? Er beeinträchtigt den gesamten Stoffwechsel, das Immunsystem bis hin zum Nervensystem und kann sogar zu Halluzinationen führen. Auch aus dem US-Gefangenenlager auf Guantanamo sind solche Methoden bekannt. Ein US-Experiment mit Ratten hat gezeigt, dass diese nach sieben Tagen ohne Schlaf qualvoll starben.

... wir zum Wachwerden etwa 30 Minuten brauchen? Jährlich verbringen wir rund 8 Tage damit, zu versuchen, aus dem Bett zu kommen.

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