RunNa: Jetzt musst du springen!

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Über Selbstvertrauen, Zielzeiten und Erwartungshaltungen.

„Was braucht man, um erfolgreich zu sein? Unwissenheit und Selbstvertrauen.“ Das Zitat von Mark Twain ist wohl auf jeden Lebensbereich anwendbar. Unverblümt, vielleicht etwas blauäugig an eine Sache heranzugehen, kann in bestimmten Situationen Erfolg bringen. Vielleicht trifft es der Begriff Erwartungshaltung am besten. Wenn ich mir nichts erwarte, kann ich nur erfolgreich sein. Es gibt ja kein festgelegtes Ziel, an dem ich scheitern kann.

Unwissenheit und Selbstvertrauen sind es, die mich derzeit ein wenig beschäftigen. Sechs Trainingswochen der 10k Challenge des Asics Österreichischen Frauenlaufs liegen nun bereits hinter mir. Hart. Herausfordernd. Aber: bisher gut bewältigbar. So lässt es sich am ehesten beschreiben, was mir eigentlich von Anfang an Bammel bereitet hat: die superschnellen Einheiten, mit denen ich bis vor sechs Wochen noch gar nichts am Hut hatte. Lass mich lange langsam oder Mitteltempo laufen und alles ist gut. Kurz und schnell und ich sterbe. Schon vorher. Nämlich vor Angst.

Der erste Trainingsblock

„Man soll im Trainingsplan nie zu weit nach vorne schauen. Wenn ich heute schau, was in vier Wochen am Plan steht, denk ich nur: wie soll das gehen?“ Die Aussage von Andreas Schnabl (er ist neben Ilse Dippmann der Organisator des Österreichischen Frauenlaufs) beim 10k Challenge Kick-off Abend habe ich nicht vergessen. Damals habe ich darüber gelacht. Obwohl er mir gut im Gedächtnis geblieben ist, machte ich den Fehler nun bereits zum zweiten Mal. Als mir Michael Koller von der Sportordination meinen ersten Trainingsplan schickte, war ich natürlich extrem neugierig, was da auf mich zukommt. Ich hatte noch nie auf einen 10er trainiert. Wie wird das? Was macht man da? Statt 2000er wohl 200er. Die Neugierde siegte. Also von wegen nicht zu weit nach vorne schauen. Ich schaute. Und schluckte. Ah. Ok. Oje.

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Der erste Trainingsblock ist nun vorüber. Fazit: der Bammel ist nach wie vor da. Aber es lief wider Erwarten wie am Schnürchen. Sogar besser als erwartet. Macht einen fetten Pluspunkt in der Selbstvertrauen-Skala, die durch das vergangene Jahr so ziemlich am Nullpunkt angelangt ist. Das erste halbe Jahr war sowieso zum Vergessen. Dann lief es im Training wieder richtig gut, bei den Wettkämpfen ging jedoch alles komplett daneben und ich holte mir am Ende der Saison auch noch anstatt einer Medaille mein erstes DNF. Abhaken ist das Stichwort. Neues Jahr, neues Glück. Doch wenn man einmal eine rasante Achterbahnfahrt talabwärts erlebt hat, ist es gar nicht so einfach, die negativen Erinnerungen zu verdrängen. Somit waren die ersten kleinen Speed-Erfolge der vergangenen Wochen Balsam auf meiner verwundeten Läuferseele.

Der zweite Trainingsblock

Und nun? „Man soll im Trainingsplan nie zu weit nach vorne schauen.“ Rufzeichen. Doppeltes Rufzeichen. Trainingsblock zwei führt mir derzeit vor Augen, dass Andreas Schnabl der wohl klügste Mann auf diesem Planeten sein muss. Denn ich schaute wieder. Woche eins: Ja eh. Woche zwei: Regenerationswoche. Obwohl ich sie in der Regel hasse, sage ich dieses Mal: Nicht übel. Woche drei: Große Augen krieg. Und Woche vier: Angstschweißperlen bilden sich.

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Und damit zurück zu Mark Twain. Unwissenheit und Selbstvertrauen. Zwei Dinge, mit denen ich eigentlich nicht viel am Hut habe. Unwissenheit? Nein, ich weiß genau, wie sich 1000er im – für einen ärgsten – Tempobereich anfühlen. Selbstvertrauen? Ja, die letzten Trainings liefen gut, aber das macht das Kraut noch nicht fett oder des Läufers Beine noch nicht dauerhaft schnell. Am nötigen Biss mangelt es nicht. Aber definitiv am Zutrauen. Dass ich mir etwas zutraue. Mein Ziel zutraue.

„Welche Zeit nimmst du dir denn vor?“ Ich weiß nicht, wie oft ich in den vergangenen Wochen gefragt wurde, nach wie vielen Minuten und Sekunden ich am 27. Mai im Prater über die Ziellinie laufen will. Meine Antwort: Vollgas. Meine jetzige PB in Grund und Boden laufen. Alles aus mir rauszuholen und auf den letzten Metern so zu kämpfen wie die Mädels der vergangenen 10k Challenge. Genau so hatte ich es in der Bewerbung für die Challenge angeben. Ohne festgelegte Zeit. Eine PB, so das Ziel der Challenge. Heißt: 48:47 zu unterbieten. Natürlich hatte ich von Anfang an insgeheim eine Zahl im Kopf: Unter 47 und ich wäre mehr als überglücklich. Eine Verbesserung von rund zwei Minuten nach einem desaströsen Jahr 2017, in dem ich von meiner bisherigen Bestzeit weit entfernt war, wäre für mich mehr als top.

Zwölf unendliche Sekunden

Zwei Minuten. Klingt jetzt nicht so viel. Womit ich wieder bei der Unwissenheit wäre. Erfahrene Läufer wissen, wie sehr man bei einem 10er dafür kämpfen muss. Zwei Minuten heißt im Klartext zwölf Sekunden am Kilomter. Uff. Da werden Sekunden zu Minuten und Minuten zu Stunden. Aber: Mein Coach meint es sehr gut mit mir und glaubt an mich, mehr als ich. Derzeit ist mein Trainingsplan nämlich auf Sub 45 Minuten ausgerichtet. Uff.

Ich schaue nicht nur gerne nach vorne, sondern rechne auch gerne. Vielleicht sollte ich mir das abgewöhnen. Denn vier Minuten bedeutet: 24 Sekunden am Kilometer. Haha. Ja klar. Schon wenn ich die Zahl jetzt nur hinschreibe, bekomme ich Herzrasen, denn ich sehe in großen Ziffern immer nur: 4:30! 4:30 auf den Kilometer. Das wären rund vier Minuten auf meine bisherige Bestzeit – Welten. Womit ich wieder beim Selbstvertrauen wäre. „Denk nicht an den schnellen Zehner“ hat mir Trainer Koller für den zweiten Trainingsblock mitgegeben. Ist für mich gleichzusetzen mit „denk nicht an Schokolade“ während einer Diät. Unmöglich.

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Aber wie heißt es: unverhofft kommt oft. Um wieder mit Mark Twain zu enden: „Mache das, wovor du am meisten Angst hast – und du verlierst sie.“ Oder wie singen Element of Crime: Jetzt muss du springen.

Und das Unmögliche wird möglich. Vielleicht. Ich werde sehen.

Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.

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