Migräne: Welche neuen Therapien entwickelt werden
Wer jetzt einen handelsüblichen grünen LED-Strahler nimmt oder eine Glühbirne grün anmalt, der erreicht damit – nichts. Es war eine ganz bestimmte Wellenlänge an grünem Licht, mit der Forscher des Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) und der Harvard Medical School einen verblüffenden Therapieerfolg bei Migräne erzielten.
"Mehr als 80 Prozent der Migräne-Attacken stehen in Zusammenhang mit Licht. Die Symptome verschlechtern sich dadurch", sagt Studienleiter Rami Burstein.
Bereits vor fünf Jahren entdeckten er und seine Kollegen, dass blaues Licht sogar bei blinden Patienten Schmerzen verursacht. Ihr Umkehrschluss: Wird der Blaulichtanteil blockiert, könnte das die Lichtempfindlichkeit vielleicht lindern.
Die Forscher untersuchten bei 69 Patienten, wie sich während einer Migräne-Attacke Licht in verschiedenen Farben auswirkte. 80 Prozent berichteten, dass Licht jeglicher Farbe ihre Schmerzen verschlimmerte – mit Ausnahme von ganz speziellem grünen Licht. Bei diesem ging die Schmerzintensität um 20 Prozent zurück.
Spezielle Lampe
Die Forscher untersuchten auch die Intensität der Reaktion des Gehirns auf das jeweilige Farblicht. Grünes Licht löste die geringste Hirnaktivität aus – möglicherweise eine Erklärung für den positiven Effekt. Jetzt entwickeln sie eine spezielle Lampe, die in niedriger Intensität nur ganz speziell jenes grüne Licht abgibt, das diesen schützenden Effekt hat. Eine Alternative wäre eine Brille, die nur diese spezielle Wellenlänge durchlässt.
An Licht gewöhnen
"Das ist ein spannender Ansatz", sagt Univ.-Prof. Christian Wöber, Leiter des Spezialbereiches Kopfschmerz der MedUni Wien / AKH Wien. Gemeinsam mit einem Team um Univ.-Prof. Roland Beisteiner und Prof. Stefan Seidel geht er aber einen anderen Weg: "Wir untersuchen, ob es möglich ist, Migränepatienten an Licht zu gewöhnen." Denn das Vermeiden von Licht könnte die Empfindlichkeit sogar weiter erhöhen.
Im Rahmen einer Studie werden 20 Migränepatienten eine Woche lang täglich für eine Stunde einem flackernden Licht ausgesetzt. 20 weitere Patienten sitzen eine Stunde im Dunkeln.
Noch läuft die Studie, doch dass es Effekte gibt, zeigen die beiden Gehirnaufnahmen in der Grafik. Bei der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) leuchten die durch Licht aktivierbaren Hirnareale stark auf.
"Vor der Lichttherapie reagierte das Gehirn dieser Migränepatienten sehr stark auf Lichtreize", sagt Wöber. "Nach der Therapie war dies ganz anders."
Migräne-Impfung
Vier Kopfschmerzzentren in Österreich sind derzeit auch in eine Studie mit einer "Impfung" gegen Migräne eingebunden. Die Patienten bekommen einen Antikörper injiziert, der einen speziellen Gehirnbotenstoff (CGRP) blockiert. Dieser Botenstoff überträgt Signale von einer Nervenzelle auf die andere und spielt bei der Entstehung von Migräneattacken eine große Rolle. Auch hier ist es noch zu früh für endgültige Aussagen über die Wirksamkeit, sagt Wöber: "Damit ist frühestens 2018 zu rechnen."
Erste Daten zeigen, dass die Impfung eine signifikante Reduktion der Attackenhäufigkeit bewirkt. "Bei Migräne gibt es leider nicht die eine Therapie, die allen hilft – und auch in Zukunft ist eine solche nicht zu erwarten. Jede neue Therapie ist ein weiterer Baustein – und es liegt an dem behandelnden Arzt, diese Bausteine möglichst optimal zu kombinieren."
Leider sei dies im Alltag aber oft nicht der Fall: "Es gibt viele Migränepatienten, die nicht optimal versorgt sind", sagt Wöber. Dabei könne mit einer Kombination von strukturierter Alltagsgestaltung, Entspannungstechniken, Akupunktur und Medikamenten die Dauer und Schwere der Anfälle in vielen Fällen reduziert werden: "Aber hier ganzheitlich auf die Patienten einzugehen, das bedarf Zeit. Und die ist oft nicht ausreichend vorhanden."
Und der Leidensdruck der Patienten werde oft auch unterschätzt: "Es gibt nur sehr wenige Krankheiten, die den Alltag stärker beeinflussen als Migräne."
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