"Crunch im Mund": Wieso essen immer mehr Menschen Steine?

Mehrere Steine in verschiedenen Graustufen
In den sozialen Netzwerken präsentieren immer mehr User ihren liebsten Snack: Eine Schüssel voller Steine. Was steckt dahinter?

Während viele sich eine Schüssel mit Erdnüssen oder Chips zum Knabbern holen, füllt die Justizfachangestellte und TikTokerin "vlerias.vibes" ihre Snack-Schale mit Steinen. Diese kaut sie genüsslich, filmt sich dabei und stellt das Video ins Netz. 

Der Trend ist längst keine Seltenheit mehr: Essbare Steine und essbare Kreide haben in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen. Aber woraus bestehen diese Steine und warum isst man die harten Brocken eigentlich freiwillig?

Was sind essbare Steine?

Diese "Steine" sehen oft täuschend echt aus – in Form, Farbe und Oberfläche ähneln sie echten Gesteinsbrocken – bestehen aber aus speziellen essbaren Materialien, die eine feste Konsistenz haben. 

Ein Beispiel sind Tonmineral-Steine, die durch langanhaltende Verwitterung silikathaltiger Gesteine oder durch hydrothermale Prozesse entstehen können. Eine weitere Variante sind die sogenannten Udongo-Esssteine, in Kenia unter dem Namen "Mawe ya kula" bekannt. Dabei handelt es sich nicht um echte Mineralien, sondern um Brocken aus Lehm oder einem speziellen Speckstein.

Steine essen während der Schwangerschaft

Insbesondere während der Schwangerschaft nehmen tausende Kenianerinnen die Steine zu sich. In der Medizin gilt dies sogar als diagnostizierte Krankheit: Laut NetDoktor handelt es sich bei dem Pica-Syndrom um eine Essstörung, bei der Betroffene Dinge zu sich nehmen, die keine Nahrungsmittel sind – etwa Sand, Eiswürfel, Seife, Haare, Papier, Erde oder eben Steine. 

Häufig geht das Syndrom mit einem Mangel an bestimmten Nährstoffen einher, vor allem Zink- oder Eisenmangel. Wer also das Bedürfnis verspürt, Steine zu essen, sollte unbedingt seine Blutwerte ärztlich kontrollieren lassen.

Davon zu unterscheiden ist jedoch ein kulturell geprägtes Essverhalten, wie es beispielsweise bei bestimmten indigenen Bevölkerungsgruppen üblich ist – etwa der gezielte Verzehr bestimmter Erdsorten aus traditionellen oder rituellen Gründen.

Sind essbare Steine ungesund?

Essbare Steine sollten mit großer Vorsicht konsumiert werden, denn sie können ernsthafte gesundheitliche Folgen haben – darunter Verletzungen des Verdauungstrakts, Zahnschäden, Mangelernährung oder sogar ein gefährlicher Darmverschluss. 

Der kenianische Ernährungswissenschafter Wilfred Kisingu vom medizinischen Forschungsinstitut in Nairobi warnt im Gespräch mit Welt: "Das ist ein eindeutiges Zeichen für Eisenmangel. […] Der Verzehr ist jedoch gefährlich und ungesund."

Doch zurück zur entscheidenden Frage: Warum isst man überhaupt solche Steine? Die TikTokerin "vlerias.vibes" erklärt in einem ihrer Videos: "Ich wollte einfach diesen Crunch in meinem Mund haben" Nachdem sie die essbaren Steine zum ersten Mal probiert hatte, stellte sie fest: "Irgendwie stillt das meine Gelüste." Später wurde bei ihr tatsächlich ein Eisenmangel diagnostiziert – ein typischer Auslöser für das sogenannte Pica-Syndrom. Obwohl dieser Mangel inzwischen behoben ist, greift sie weiterhin gerne zu den ungewöhnlichen Snacks.

Crunch sorgt für ASMR-Gefühl

"Ich mach' diese Videos eigentlich nur, weil es sich ultragut anhört", erklärt sie. Damit spricht sie vor allem die ASMR-Community an – Menschen, die auf bestimmte Geräusche besonders sensibel reagieren.  ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response) beschreibt ein sensorisches Phänomen, bei dem beruhigende oder kribbelnde Empfindungen durch gezielte Reize wie Knistern, Kauen oder Flüstern ausgelöst werden. Für viele dient es der Entspannung oder dem gezielten Stressabbau.

Wie schmecken essbare Steine?

Ein User stellt in der Kommentarspalte die Frage: "Wie kann ich mir den Geschmack von Steinen vorstellen?" Die TikTokerin erklärt: "So wie die Luft riecht, nachdem es im Sommer geregnet hat." Die Brocken sollen einen erdigen, zementartigen Geschmack haben. 

Ob als kulturelles Phänomen, Ausdruck eines Nährstoffmangels oder viraler ASMR-Trend – das Essen von "Steinen" bewegt sich zwischen Tradition, Medizin und digitalem Zeitgeist. Während essbare Steine in sozialen Medien für Faszination sorgen, birgt ihr Verzehr reale Risiken. 

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