Das Zentrum ist wieder im Abseits
Marcel Koller war schon dort. Im Zentrum von Südamerika, in der ehemaligen Goldgräberstadt Cuiabá, hat der Schweizer schon einmal Fußball geschaut. Aber Österreichs Teamchef war nicht der einzige, der sich das Spiel der Russen gegen Südkorea angeschaut hat. Nur war die Anreise des Schweizers zum WM-Auftakt von Österreichs EM-Qualifikationsgegner im Flugzeug weitaus angenehmer als die anderer Fans. 15 Ureinwohner aus dem Amazonasgebiet durften dank einer Einladung zum Spiel ins Stadion von Cuiabá. Nach fünf Stunden auf einem Boot und 13 Stunden im Bus trafen sie im Stadion ein. "Ich hätte nie gedacht, dass wir ein WM-Spiel sehen und uns unter Menschen anderer Länder mischen würden", sagte Nedino Maizokie, der Chef der Gruppe. Hätte er mit seinen 14 Mitreisenden unter sich sein wollen, wäre es besser gewesen in die Public-Viewing-Zone in die Stadt zu gehen. Beim Spiel der Russen und dem der Bosnier war tote Hose in Cuiabá.
Koller und Maizokie waren nicht die großen Namen, die bei den vier Spielen ins Stadion gekommen sind. Aber ziemlich große, weil auch Ronaldo, Messi und Neymar nicht nach Cuiabá gekommen sind.
Kolumbiens Abschied
Gestern aber war endlich wieder etwas los in der Stadt, so wie an dem Tag, an dem die verrückten chilenischen Fans da waren. Gestern waren es die Gelbhemden aus Kolumbien, die die Stadt bevölkerten, die etwas mehr als eine halbe Million Einwohner hat.
In Cuiabá hat gestern das letzte der vier WM-Spiele stattgefunden. Nigeria – Bosnien, Russland gegen Südkorea, Chile – Australien und nun Japan – Kolumbien.
Das war’s dann. Licht aus, Stadiontor zu.
Das heißt Arena Pantanal, weil vor den Toren der Stadt eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde beginnt. Pantanal ist also ein Riesensumpf. Der sorgt dafür, dass die Einheimischen über die Jahreszeiten sagen: "Winter und Hölle. Derzeit ist es Winter, es hat fast erträglich 30 bis 35 Grad. Im Sommer steigt die Temperatur teilweise auf höllische 45 Grad. Da kann nicht einmal Manaus mithalten.
Die Stadt Cuiabá liegt mitten im südamerikanischen Kontinent zwischen 1500 und 2000 Kilometer vom Meer entfernt. Je nach Richtung. Und je nach Sichtweise. Während die Einwohner der Hauptstadt des Bundesstaates Mato Grosso stolz sind, im Mittelpunkt zu stehen, sehen andere Cuiabá als das Zentrum aller Enden Südamerikas.
Brasiliens Mitte
Egal, ob Anfang oder Ende. Cuiabá hat jedenfalls mit Fußball nicht so viel am Hut wie andere Städte. Trotzdem wurde ein Stadion hingestellt. Über die Nutzung nach der WM wird noch gerätselt. Angeblich sollen danach Rinder versteigert werden. Die um rund 200 Millionen Euro errichtete Arena Patanal wurde ja auch als Multifunktionsarena gepriesen. Sie fasst derzeit nicht ganz 43.000 Zuschauer und kann auch zurückgebaut werden. So wie das Tivoli-Stadion in Innsbruck nach der EM 2008.
Der Sportverein, der in Cuiabá die meisten Zuschauer hat, will jedenfalls nicht einziehen. Arsenal ist zwar mehrfacher brasilianischer Meister, hat im Schnitt aber nur 2500 Zuschauer. Arsenal spielt American Football.
Aber auch an Infrastruktur ist nicht viel von der WM geblieben. In Cuiabá starteten an ein- und demselben Tag zahlreiche Großbaustellen: darunter mehrere Stadtautobahnen und eine Schnellbahn. Der Verkehr in der Stadt brach zusammen.
Die Fußballfans, die gekommen waren, konnten bei der WM allerdings nichts davon nutzen, weil die Firmen den Zeitplan nicht einhalten konnten. Insider meinen, dass die Bauarbeiten zwischen drei und vier Jahren hinterherhinken.
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