Neymar: "Ich bin nicht unter Druck, ich bin glücklich"
Neymar da Silva Santos Júnior, kurz Neymar, erntete Pfiffe. Das Publikum in São Paulo war nach der Auswechslung des 22-Jährigen in der 81. Minute nicht zufrieden mit dem, was der Hoffnungsträger von Brasilien bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land gezeigt hat. Gegen Serbien erreichte die Seleção ein mühsam erkämpftes 1:0, Fred traf in dem zerfahrenen Spiel nach 58 Minuten.
Am Donnerstag startet Brasilien gegen Kroatien ins Turnier. Die Erwartungen an Neymar und das Team sind enorm.
Wie erträgt man den Druck von 192 Millionen Menschen, die einen WM-Titel von einem erwarten?
Neymar: Von der WM träume ich, seit ich ein Kind war. Jetzt ist dieser Traum zum Greifen nah. Ich bin Brasiliens Nummer zehn, ich werde an der Weltmeisterschaft teilnehmen, noch dazu in meiner -Heimat. Da ist kein Druck. Nur Freude und Stolz.
Kein bisschen Unsicherheit, Angst?
Ich höre zwar ständig: „Du stehst unter Druck, weil du der große Name in der Mannschaft bist“, ich höre es von allen Seiten. Aber ich stehe nicht unter Druck. Ich bin glücklich. Nichts als glücklich. Wissen Sie, ich habe die Dinge immer schon auf meine Art gemacht. Seit ich dreizehn bin, stehe ich unter Beobachtung der -Presse, der Öffentlichkeit. Ich bin jemand, der sich über so was nicht wirklich den Kopf zerbricht. Ich -verspüre keinen Druck. Vielleicht fehlt mir das -Sinnesorgan, mit dem man Druck wahrnimmt.
Sie waren zehn Jahre alt, als Brasilien 2002 -zuletzt Weltmeister wurde. Ihre Erinnerungen?
Ich bin noch vor Tagesanbruch aufgestanden, um mir das Finale anzusehen, es wurde ja in Japan gespielt. Ich trug sogar Ronaldos Frisur. Meine Eltern und -meine Schwester sahen sich das Spiel gemeinsam mit mir an. Danach grillten wir bei meiner Oma, und wie es sich für richtige Fans gehört, brüllten wir die ganze Zeit „Wir sind die Champions!“.
Ich habe Robinho studiert, als ich zu Santos kam, er war dort der absolute Star. Ich habe mir Ronaldinho, Ronaldo, Messi und Cristiano Ronaldo angesehen. Von jedem talentierten Spieler habe ich mir immer wieder Videos angesehen, bis zu Zidanes „Roulette“. Im Training oder beim Rumkicken habe ich dann jeden Trick so lange probiert, bis er mir in Fleisch und Blut übergangen war. So sehr, dass ich ihn in einem Match einsetzen konnte.
Woher kommt dieses Talent zum Dribbling?
Es ist nicht so sehr eine Frage des Talents. Es geht einfach um Üben, Üben, Üben. Ich beobachte, kopiere, übe. Ich habe noch keinen Trick selbst entwickelt.
Ihr Fußball sieht nach purer Freude aus. Empfinden Sie noch immer Freude beim Spielen, oder ist es mittlerweile eher ein Job?
Es ist geordneter Spaß. Ja, so kann man das sagen, geordneter Spaß. Spaß, den man ernst nehmen muss. Aber ich bin immer glücklich, wenn ich spiele. Wenn man glücklich ist, klappen Dinge ganz von selbst; wenn man unglücklich ist, klappt gar nichts.
Was würden Sie über Ihre erste Saison in Barcelona rückblickend sagen?
Sie war nicht perfekt, aber sie war auch nicht schlecht. Es ist das erste Mal, dass ich außerhalb meines Heimatlandes lebe. Ich vermisse meine Freunde und meine Familie. Anfangs war das wirklich hart. Aber ich habe in Europa vor allem eine Menge gelernt, auf profes-sioneller wie auf persönlicher Ebene. Ich lerne von meinen Mitspielern, worüber sie sprechen, wie sie mit anderen Leuten umgehen. Ich schaue mir von vielen Spielern Kleinigkeiten ab und passe sie meinem Stil an. Manche Leute sind gut auf dem Spielfeld, andere abseits davon, manche zeigen besonders gutes Verhalten im Training. Man kann von jedem lernen.
Hat Sie an Lionel Messi etwas überrascht, nachdem Sie ihn ja nun jeden Tag sehen?
Er hat mich in jeder Hinsicht überrascht. Bevor ich hierher kam, hörte ich nur die Dinge, die die Leute über ihn erzählen: dass er sehr reserviert sei und mit niemandem rede. Aber er ist völlig anders. Abgesehen davon, dass er auf dem Feld ein Genie ist, ist er auch sonst immer toll zu mir – und nicht nur zu mir. Es gibt nur Gutes, was ich über ihn sagen könnte.
Sprechen wir über die brasilianische Nationalmannschaft, die Seleção. Wer wählt die Musik in der Umkleidekabine aus?
Mal der, mal der. Die Stereoanlage ist da, und jeder kann sich einen Song aussuchen. Am häufigsten -spielen wir Pagode, Funk, Sertanejo. Auf meinem Weg zum Stadion höre ich immer Gospelmusik aus dem Kopfhörer. Bevor wir rausgehen, spielen wir in der Kabine einen Pagode-Song über die Stereoanlage, laut. Wir stehen da, scherzen rum, die Egos bleiben draußen vor der Tür. Wir wissen, wir haben nur ein Ziel, und das ist ein gemeinsames Ziel.
Brasiliens Nationaltrainer Felipe Scolari gewann die WM 2002. Was erzählt er darüber?
Er sagt, dass die WM das härteste aller Turniere ist. Weil sie ein so kurzes Turnier ist, darfst du dir keine Fehler erlauben. Du musst von der ersten Sekunde an alles geben. Und er spricht häufig darüber, wie phantastisch es sich anfühlt zu gewinnen.
Wie unterscheidet sich das Spiel Brasiliens vom Spiel Barcelonas?
Taktisch und technisch ist es sehr ähnlich.
Wird Brasilien Weltmeister?
Das wünsche ich mir mehr als alles andere.
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