Neymar: "23 Krieger werden sich zerreißen"

Brasiliens Neymar gibt sich kämpferisch.
Brasilien bestreitet den WM-Auftakt gegen Kroatien. Das ganze Land wird still stehen. Der Jungstar der Seleção verspricht den Fans Aufopferung bis zur letzten Sekunde des Turniers.

Es ist zweifellos bunter geworden in Rio de Janeiro. Internationaler. In Blau-Weiß auftretende Menschen aus Argentinien, rote aus Chile, orange aus den Niederlanden, Mexikaner unter glitzernden Sombreros oder nur in Weiß gehaltene Deutsche zeigen Herkunft, tragen ihre Ausweise stets am Körper. Die Copacabana wurde zur Flaniermeile der Nationen. Nur das eigentlich auffallende Gelb des Gastgebers dominiert keinesfalls in diesem Sammelbecken der bunten Farbtupfer.

Brasiliens Fans bleiben vorsichtig bis unsichtbar zurückhaltend vor dem Eröffnungsspiel gegen Kroatien in der Corinthians-Arena von São Paulo (22.00 MESZ).

Dämpfer

Dezent im Hintergrund blieb auch die Berichterstattung über die Tragödie um den Neffen von Teamchef Felipe Scolari: Der 48-Jährige kam bei einem Verkehrsunfall am Dienstagmorgen ums Leben. Scolari, von der Anhängerschaft wie von Journalisten liebevoll Felipão ("der große Felipe") genannt, musste nach dem Tod seines Schwagers den zweiten schweren Verlust innerhalb weniger Tage hinnehmen. Umso makaberer mutet rückblickend eine Aussage des brasilianischen Verbandschef an. José Marin ließ das Fußball-Volk noch vor ein paar Tagen wissen: "Nur ein Todesfall kann Brasilien den Titel nehmen."

Das Fußball-Volk ließ sich indes nur bei der Schiedsrichterbesetzung für das Eröffnungsspiel aus der Fassung bringen: Ausgerechnet Yuichi Nishimura wird die Pfeife in den Mund nehmen. Ausgerechnet jener Japaner, der der Seleção vor vier Jahren nach einhelliger Meinung der brasilianischen Fans den Weg ins WM-Halbfinale verbaut hat. Den (berechtigten) Ausschluss von Felipe Melo im Viertelfinale gegen die Niederlande haben sie ihm bis heute nicht verziehen.

Ärgernis

Neymar: "23 Krieger werden sich zerreißen"
A woman passes a street mural of Brazil's Neymar ahead of the 2014 World Cup in Rio de Janeiro June 8, 2014. REUTERS/Pilar Olivares (BRAZIL - Tags: SOCCER SPORT WORLD CUP)
Auf jede Zurückhaltung pfeifend stürzten sich Brasiliens Medien auf das Thema. Journalisten strotzen in einer TV-Diskussion nur so vor Einigkeit: "Die FIFA hat so viele Schiedsrichter zur Verfügung. Und da entscheiden sie sich ausgerechnet für Nishimura. Das zeugt von sehr wenig Fingerspitzengefühl."

Brasilien wird am Donnerstag still stehen. Aus Gründen der Verkehrsberuhigung, wie gehofft wird. Streiks hin oder her, in São Paulo herrscht kollektiver Urlaubstag, das dortige streitbare U-Bahn-Personal verspricht einen reibungslosen Dienst. In Rio dürfen sich Arbeitnehmer zumeist ab Mittag in die hauseigene WM-Vorbereitung stürzen.

Scolari selbst lässt keine Trauerstimmung aufkommen. Im Gegenteil: Seine Abschlussrede klingt angriffslustig und vor allem siegessicher. Er sei nun restlos überzeugt, dass seine Mannschaft den Titel holen werde. Die Begründung klingt relativ simpel: "Ich weiß, dass wir die anderen Teams respektieren müssen. Aber wir sind besser als sie."

Scolari untermauert seine These nicht nur mit überlegener offensiver Kreativität. Man könne durchaus annehmen, dass Brasiliens Team die mit Abstand beste Innenverteidigung in ihren Reihen hätte. Dem Duo David Luiz (FC Chelsea) und Thiago Silva (Paris St-Germain) sei’s gedankt.

Stürmerstar Neymar hält gar die eher martialische Wortwahl für angebracht: "Unter Felipe Scolari hat das Team eine Identität gewonnen. Unsere Fans können sicher sein: 23 Krieger werden sich für die Seleção zerreißen."

Der Glaube an den Gewinn der insgesamt sechsten Weltmeisterschaft steckt in vielen Köpfen, die Überzeugung, es werde in den kommenden vier Wochen ein ungetrübt freudiges Fußball-Fest stattfinden, weniger.

Stimmungsmache

Luiz Felipe Scolari verfolgt die Strategie, alle Probleme auszublenden, schlägt vor, in sofortige Partystimmung zu kippen und bittet um die kompromisslose Unterstützung der Bevölkerung. "Das könnte den Unterschied ausmachen. Die WM ist für das Land eine große Chance."

Auch Staatspräsidentin Dilma Rousseff versuchte sich noch gestern auf einer Pressekonferenz als Stimmungskanone. Auf große Worte zur Eröffnung wird sie jedoch verzichten. Missfallenskundgebungen passen schließlich in keine Feierlichkeit.

Kurz, aber dafür intensiv wird diese Eröffnungsfeier in São Paulo sein. 600 Künstler (Jennifer Lopez eingerechnet) bieten eine Show, die nicht mehr als eine halbe Stunde dauern soll.

In der Corinthians-Arena São Paulo wird übrigens noch immer gearbeitet.

Der Hammer wird erst fallen – kurz vor dem Anpfiff dieser Weltmeisterschaft.

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