Die WM-Unfallserie reißt nicht ab
Die Bauarbeiten am Fußball-WM-Stadion in São Paulo sind von einem tödlichen Unfall überschattet worden. Ein Arbeiter war bei der Montage provisorischer Tribünen laut Feuerwehr aus 15 Metern Höhe abgestürzt, als er sich an einer Sicherheitsleine anketten wollte. Die zuständige Baufirma sprach hingegen von einem Sturz aus acht Metern Höhe. Nach dem erneuten tödlichen Unfall am Wochenende sind die Arbeiten am WM-Stadion in São Paulo vorerst wieder unterbrochen worden. Die Arbeitsbehörde des Bundesstaats stoppte bis auf Weiteres den Einbau von Sitzen bis geeignete Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, teilte die Baufirma Fast Engenharia mit. Nach Ansicht der Behörde hätte ein Sicherheitsnetz den Tod des Mannes verhindern können.
Die Zeit rennt
Noch immer hat Brasilien mit zahlreichen Bauverzögerungen zu kämpfen. Gewerkschaften kritisierten die hohe Arbeitsbelastung auf den Stadionbaustellen und warnten vor laxen Sicherheitsvorkehrungen. Schon im November waren in São Paulo bei einem Einsturz eines Baukrans an der Arena Corinthians zwei Arbeiter ums Leben gekommen. An der Baustelle in Manaus kamen bislang drei Menschen ums Leben. Ein weiterer Arbeiter verunglückte im Stadion in Brasilia. Die Zahl der verunglückten Arbeiter liegt damit bei sieben.
Eine niedrige Zahl im Vergleich zu Katar, wo im Jahr 2022 die WM stattfinden soll. Der Internationale Gewerkschaftsbund IGB fürchtet, dass es bis zum WM-Start 4000 tote Arbeiter geben wird – wenn sich nichts ändert. IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow besuchte im März die Baustelle des Al-Wakrah-Stadions nahe der Hauptstadt Doha. Dort fand die Australierin verdreckte kleine Räume unter den Tribünen vor, die mit jeweils mehr als zehn Männern aus Indien, Nepal und Thailand belegt gewesen sind.
Der IGB erhöhte den Druck auf Katar. Die Behörden hielten sich bisher mit öffentlichen Reaktionen zurück, räumten aber Defizite ein und erlaubten zuletzt unabhängige Inspektionen. Zudem stellte der Staat eine gemeinsam mit dem Gewerkschaftsverband entwickelte "Arbeitercharta" vor.
Nicht nur der Fußball-Weltverband (FIFA) blickt mit besorgtem Blick nach Brasilien, auch das Internationale Olympische Komitee (IOC). In zwei Jahren soll in Rio de Janeiro mit den Olympischen Sommerspielen das größte Sportspektakel der Welt über die Bühne gehen – und verglichen mit Olympia ist die Fußball-WM ein organisatorischer Klacks. Im Gegensatz zum Fußball-Turnier werden bei Olympischen Spielen innerhalb von 16 Tagen 28 Weltmeisterschaften ausgetragen.
Und auch diesbezüglich sind die brasilianischen Gastgeber gehörig in Verzug. Vergangene Woche gab es in der Hauptstadt Brasilia ein Treffer der Verantwortlichen, "ein entscheidendes Treffen", wie es Nawal El Moutawakel, die Chefin der IOC-Koordinierungskommission, formulierte.
Verkauft wurde die Veranstaltung im Bewerbungsverfahren als größte und ausgelassenste Sportparty aller Zeiten, doch seit Monaten dominieren Negativmeldungen rund um Olympia die Schlagzeilen. Die Finanzierung zahlreicher Projekte (kalkulierte Gesamtausgaben: 2,1 Milliarden Euro) ist ebenso unklar wie deren Umsetzung. Das Herz mit dem olympischen Dorf soll in Barra da Tijuca im Westen Rios schlagen. Wettkampforte sind zudem die Regionen Copacabana, das Maracanã-Stadion sowie Deodoro. Für Deodoro und Copacabana sind die Projekte bis dato noch nicht einmal ausgeschrieben worden.
Offizielle Mahnung
Die Zeit drängt. Anders als bei den Stadien der Fußball-WM ist ein Testlauf bei den Olympia-Stätten dringend notwendig. "Es gibt keinen Moment mehr zu verlieren", mahnte das IOC in einer Stellungnahme.
Zuletzt rückte als weiteres heikles Thema die Wasserverschmutzung in den Fokus. Ein Großteil der Stadt-Abwässer wird ungeklärt ins Meer gelassen und verschmutzt so die Buchten. Experten bezeichneten etwa das Wasser im Segelrevier Guanabara als unzumutbar.
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