Berliner Frauentag-Initiatorin: "Es ist und bleibt ein Kampftag"

Berliner Frauentag-Initiatorin: "Es ist und bleibt ein Kampftag"
In Berlin ist der Frauentag zum ersten Mal ein Feiertag: Während manche ausspannen, gehen andere auf die Straße.

Es ist ein ungewöhnlicher Freitag. Der Morgen-Stau bleibt aus, die U-Bahn ist halb leer und fährt in längeren Abständen. Was ist passiert? Berlin hat den Internationalen Frauentag offiziell zum Feiertag erklärt. Doch so ruhig die Stadt wirkt, am Alexanderplatz wird es am frühen Nachmittag lauter: Frauen mit Prinzessinenkronen und Hexenhüten, Männer mit pinken Hauben und Kindern umgeschnallt kommen die U-Bahnaufgänge hoch.

Mara aus Berlin fährt mit dem Kinderwagen vor. Sie ist zur Demonstration gekommen, um ein Zeichen zu setzen - "auch für die nächsten Generationen", sagt sie mit Blick auf die bunt bemalten Gesichter ihrer beiden Kinder. Bevor sie Mutter wurde, dachte sie, Frauen können heute alles schaffen. Teils gelang ihr das auch sehr gut. Neben dem Politikstudium brachte sie zwei Bücher heraus und zog ihre Kinder groß. Doch seit sie auf Jobsuche ist, werden ihr von anderen Grenzen aufgezeigt. "Wer kümmert sich denn um Ihre Kinder, wenn Sie arbeiten?", wurde sie bei Bewerbungsgesprächen oft gefragt. "Mein Partner muss solche Fragen nicht beantworten", ärgert sie sich.

Unzufrieden ist auch Sigrid. Die Frau mit den kurzen blonden Haaren und blauem Stirnband kämpft gerade gegen den Wind. Sie versucht das Plakat ihrer feministischen Partei zu entrollen, mit der sie auf einer Liste bei der Europawahl antreten will. Dass der Frauentag nun ein Feiertag ist, sei ja schön, aber es löst die vielen Probleme nicht, sagt sie. Und die sind nicht nur frauen- sondern gesellschaftspolitisch und betreffen alle, sagt sie. Stichwort: Klimawandel.

Berliner Frauentag-Initiatorin: "Es ist und bleibt ein Kampftag"

Wie es zum Feiertag kam

Jene Frau, die den Feiertag initiiert hat, ist seit Tagen unterwegs: Diskussionsrunden, Veranstaltungen, Interviews sowie Treffen mit der internationalen Presse standen auf der Liste von Iris Spranger, SPD-Politikerin und Vizechefin von Berlins Bürgermeister Michael Müller. Als er vor einem Jahr den Bewohnern der Hauptstadt einen zusätzlichen Feiertag versprach - Berlin hat so wenig wie kein anderes Bundesland - gingen zig Vorschläge für ein mögliches Datum ein. Zur Debatte standen der 17. Juni, Tag des Arbeiteraufstands in der DDR oder der 9. Mai, Europatag. Iris Spranger musste keine Sekunde überlegen, welchen Tag sie sich dafür wünscht. Selbst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gibt es in Deutschland keine Gleichberechtigung, so die Politikerin. Also beschloss sie mit einer Online-Petition für den Frauentag als neuen Feiertag zu werben. Mehr als 28.000 Menschen haben sie unterzeichnet. Im Jänner stimmte das Berliner Abgeordnetenhaus schließlich für den entsprechenden Gesetzentwurf der rot-rot-grünen Landesregierung.

"Den Feiertag soll jeder so genießen wie er will", sagt die 57-Jährige. Sie will es sich nicht nehmen lassen, Rosen zu verteilen. Das sei für sie kein Widerspruch, sondern "eine Anerkennung für die Leistungen der Frauen, die sie täglich vollbringen". Und überhaupt findet sie: "Das ist und bleibt ein Kampftag."

So sehen es auch die vielen tausend Menschen, die sich mittlerweile am Alexanderplatz zusammengefunden haben - obwohl der Wind kräftig durchzieht, kurze heftige Regenschauer niederprasseln. Schnell rückt eine Gruppe unter der Weltuhr eng zusammen – „es geht ja auch um Nächstenliebe“, ruft eine junge Frau.

Und nicht nur darum, wie auf den Transparenten der Teilnehmer sichtbar wird: Von "Nein zu sexueller Gewalt", der Forderung nach gleichen und fairen Löhnen bis hin zu Selbstbestimmung des Körpers. "Nehmt euer Kreuz aus unserem Uterus", hat eine Frau auf ihr Plakat geschrieben. Ihren Namen will sie in den Medien nicht lesen, sie bezeichnet sich als Hexe Lila, passend zur Perücke und ihrem Hexenhut. Damit will sie sich gegen christliche Fundamentalisten wehren, die Frauen Abtreibungskliniken stehen und Ärzte anzeigen. Der Kompromiss um das Werbeverbot für Abtreibungen (Ärzte dürfen in Deutschland weiterhin nicht darüber informieren, auf ihrer Webseite nur auf eine "neutrale" Stelle verlinken, Anm.) zeige, dass Frauen nach wie vor keine richtig freie Entscheidung über ihren Körper haben, sagt sie.

 

Berliner Frauentag-Initiatorin: "Es ist und bleibt ein Kampftag"

Ähnlich sehen es auch Birgt und Reiner aus Schleswig-Holstein. Sie haben sich für ihren Berlin-Besuch Urlaub genommen und finden es toll, dass der Frauentag zumindest in der Hauptstadt arbeitsfrei ist. So haben die Menschen einfacher Zeit, um zu demonstrieren, sagt die Apothekerin. Was sie persönlich umtreibt: die schlechte Bezahlung in der Pflegebranche, wo besonders viele Frauen arbeiten. Ganz zu schweigen von der nicht-entlohnten Arbeit, wenn sie etwa zu Hause ihre Eltern betreuen, erklärt sie. Das bekommt Birgit auch durch ihre Arbeit oft mit, ebenso wie das Gefühl, dass es dafür wenig Solidarität in der Gesellschaft gibt.

Wenn ihr Freund Reiner, Informatiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität, über die schlechte Bezahlung von Frauen spricht, kann er sich nur auf die Erfahrung der Sekretärin in seiner Abteilung berufen. Denn ansonsten habe er gar keine weiblichen Kollegen, sagt er und schüttelt den Kopf. Die Gründe sind schnell gefunden: viel Unsicherheit durch befristete Arbeitsverträge oder die Aussicht auf halbe Stellen, die nur projektbezogen sind. Mit Blick auf die Familienplanung ist vielen Studentinnen das Risiko zu groß, eine wissenschaftliche Karriere zu starten, weiß er. Er wünscht sich bessere Strukturen und Arbeitsbedingungen – "das wird dann hoffentlich nicht wieder 100 Jahre dauern".

 

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