"Das war schlimmer als der Krieg"

In der bosnischen Kleinstadt Šamac wurden alle 2520 Häuser überflutet.

Wenige Kilometer nach Sarajewo auf der Route in den Nordosten Bosniens: ausgebrannte Häuserruinen inmitten von Feldern. "Das ist noch vom Krieg", erklärt der Fahrer. Bosnische und serbische Milizen haben sich hier in den 1990er-Jahren Gefechte geliefert. Dann knallrote Schilder auf den Bäumen: Minen! Todesgefahr!

Vier Autostunden weiter droht durch Landminen ebenfalls Gefahr. Šamac, eine Grenzstadt an der Mündung der Flüsse Bosna und Save, war einst zwischen Kroaten und Serben umkämpft. Auch hier das Erbe des Krieges: Tausende Landminen, die von der Jahrhundertflut vor einem Monat übers Land verteilt wurden.

Alles vernichtet

"Das war schlimmer als der Krieg"
KURIER AID AUSTRIA, Bosnien und Herzegowina, Hochwasser, Katastrophe, Bosna, Samac, Flut, Wiederaufbau, Sanierung, Schlamm

Die Minen sind allerdings derzeit die geringste Sorge von Jasna und Nasir Gibic. Denn das Hochwasser, das sich Mitte Mai binnen kürzester Zeit über ihre Heimatstadt Šamac ergossen hat, hat alles vernichtet, was die beiden besessen haben.

Jasna muss sich auf den Stiegen zu ihrem Haus strecken, um den Wasserstand von Mitte Mai zu zeigen. Man sieht an den Wänden aber ohnehin, wie weit die braune Brühe reichte. "Drei Meter war das Wasser hoch", sagt sie resigniert.

Überall war das Wasser der Bosna. Selbst die ältesten Bewohner der 10.000 Seelen zählenden Stadt können sich an derartiges nicht erinnern. Wohnhäuser wurden bis in den ersten Stock geflutet. "Alle Häuser der Stadt sind betroffen", sagt Bürgermeister Savo Minic, der den Krisenstab leitet, der seine Einsatzzentrale in einer Diskothek am Ortsrand aufgebaut hat. 2520 Gebäude wurden überflutet, 4144 Haushalte sind alleine in Šamac betroffen. 200 Häuser wurden derart beschädigt, dass sie abgerissen werden müssen.

Eines davon ist das Haus des Ehepaars Gibic. "Wir sahen das Wasser steigen und steigen und haben gehofft, dass es irgendwann aufhört. Es hat nicht aufgehört", erinnert sich Nasir, der seine Frau mit einem Boot aus dem überfluteten Haus befreit hat.

Abbruchreif

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Mehr als 100 Jahre ist das Haus alt. Klein, aber fein war es; mit alten, kunstvoll geschnitzten Holzplafonds. Der Aufbau des Hauses besteht aber aus Lehmziegeln. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude droht einzustürzen. Die Schadenskommission hat den Gibic’ klargemacht: Ihr Zuhause muss dem Erdboden gleichgemacht werden.

Wie die beiden die Nachricht aufgenommen haben, ist nicht überliefert. Diese Woche wirken sie erschöpft, aber gefasst. Alles wurde vom Wasser zerstört: Herd, Kühlschrank, Fernseher, Computer, alle Möbel, Teppiche, Bücher, die Kleidung.

Jasna und Nasir haben keine Arbeit. Wie die Hälfte der Bevölkerung Bosniens auch. Manchmal geht sie putzen; er erledigt Gelegenheitsarbeiten wie Holz schneiden, um Geld zum Überleben zu haben. Wie sie sich den Hausrat wiederbeschaffen können, ist ihnen nicht klar. Derzeit leben sie in einer Wohnung von Bekannten, die nach Amerika ausgewandert sind. "Da dürfen wir bleiben, so lange wir wollen", sagt Jasna. Wenigstens ein Dach über dem Kopf und eine Couch haben sie nun wieder.

Schlange stehen

Nahrungsmittel und Trinkwasser besorgen sich die beiden in einem Lagerhaus in dem Hilfsgüter gratis verteilt werden. Die Leute stehen dort trotz strömenden Regens Schlange. Erdäpfel sind vorrätig, Nudeln, Haltbarmilch und Mehl sowie Fruchtsäfte. Die Bewohner von Šamac ertragen die Anstellerei mit stoischer Ruhe.

Ums Eck blitzt so etwas wie Normalität auf. Die örtliche Friseurin hat ihr Geschäft vom Schlamm gesäubert und schneidet bereits wieder die Haare ihrer Kundinnen. Sonst hat kaum ein Geschäft geöffnet.

Jasna Gibic hat kein Geld für einen Friseurbesuch. Sie wünscht sich so sehr ihr Haus zurück. "Das Hochwasser war schlimmer als der Krieg", sagt sie. Den bewaffneten Konflikt hatte ihr Haus unbeschadet überstanden. Das Hochwasser hat es vernichtet.

Hier geht es zum Projekt „Wiederaufbau Südosteuropa“ von KURIER AID AUSTRIA (KAA) mit den Partnern Österreichisches Rotes Kreuz, Caritas und Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien.

Spenden Sie für einen Projekt-Baustein im Wert von 5000 Euro und unterstützen Sie damit den Wiederaufbau von Häusern, der Landwirtschaft oder die Hilfe zur Selbsthilfe. Mit jedem Spendenbetrag tragen Sie zur Fertigstellung eines Bausteins bei:IBAN: AT92 3100 0001 0403 6315 BIC: RZBAATWW

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