"Empathie wirkt"
Als Wirtschaftsmediator und Experte für Konfliktmanagement weiß Stephan Proksch den enormen Wert des Konsenses zu schätzen. Insbesondere im Bereich des Reklamationsmanagements sind strukturierte, lösungsorientierte Prozesse das Um und Auf für eine erfolgreiche Problembewältigung. Und zugleich der beste Weg, um aus verärgerten Kunden nicht nur zufriedene, sondern auch loyale Werbeträger zu machen. Wie das gelingen kann und woran es vor allem in Österreich noch mangelt, erzählt der Mediations-Profi im KURIER-Gespräch.
KURIER: Warum ist ein gutes Beschwerdemanagement für Unternehmen so wichtig? Und was kann man damit erreichen?
Stephan Proksch: Weil so die Kundensicht ins Unternehmen hereingeholt wird und auf diese Weise die Betriebe den Kontakt zu den Bedürfnissen ihrer Kunden und dem Markt nicht verlieren. Im heutigen Wettbewerb ist Kundenbindung einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Und Kunden, die nach einer Reklamation gut serviciert werden, bleiben dem Unternehmenin den meisten Fällen nachweislich erhalten.
Welchen Stellenwert hat das Reklamationsmanagement in Österreich heute?
Die Unternehmen sind immer noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Obwohl sich mittlerweile vieles schon verbessert hat, kann man Österreich im Vergleich zu manchen anderen Ländern durchaus noch als "Service-Wüste" bezeichnen. Es herrschen hierzulande noch viel Selbstgefälligkeit und hoheitliches
Denken. Die Redewendung ,Kunde ist König' hat meist noch wenig mit der inneren Haltung der Verkäufer oder Berater zu tun.
Haben Sie dazu konkrete Beispiele aus der Praxis?
Wenn ein Unternehmen einen Fehler macht oder auch ohne sein direktes Verschulden fehlerhafte Ware liefert, ist eine Entschuldigung immer noch nicht ganz selbstverständlich. Geschweige denn eine aktiv angebotene Wiedergutmachung. Statt dessen begegnen einem meist sinnlose Schuldzuweisungen und Rechthaberei. Typisch ist auch das folgende Beispiel, bei dem man versucht, Inkompetenz oder Kommunikationsmängel mit einem Vogel-Strauß-Verhalten zu lösen: Hausverwaltung schickt Mahnung wegen ausstehender (Nach-)Zahlung. Nach Rückfrage kann diese jedoch nicht begründet werden. Selbst nach Information vonseiten des Mieters ist es nicht möglich, eine transparente Aufstellung der erfolgten und fehlenden Zahlungen zu bekommen. Bei telefonischem Kontakt ist die Mitarbeiterin der Hausverwaltung inkompetent, überfordert und entsprechend gereizt. Danach erfolgt wochenlang keine Rückmeldung. Trotz mehrmaligem Nachfragen scheint sich auch die Geschäftsführung nicht für den Fall zu interessieren. Das Ergebnis: eine neuerliche Mahnung im Postkasten.
Was kann die Situation aus der Sicht des Kunden eskalieren lassen?
Es eskaliert, wenn dem Kunden das Nicht-Zuhören des Gegenübers definitiv zu viel wird. Aber auch, wenn jegliches Einfühlungsvermögen, Bedauern oder Bemühen um eine zufriedenstellende Lösung fehlt. Und was leider leider auch häufig vorkommt: Wenn der Kunde mit seinem Problem abgetan oder sinnlos von Pontius zu Pilatus geschickt wird.
Und wie macht man's richtig, um an das gewünschte Ziel zu kommen - als Kunde und auch als Service-Mitarbeiter?
Kunden sollten sich nicht gleich abspeisen lassen. Es empfiehlt sich, höflich, aber bestimmt und möglichst ruhig sein Anliegen vorzubringen und auch seine Mithilfe anzubieten. Dabei kann man auch durchaus Ersatz, Wiedergutmachung, Umtausch oder Geld zurückverlangen. Ein Mitarbeiter wiederum tut gut daran, den Kunden erstmal zu besänftigen, indem er sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt - unabhängig davon, wer schuld daran ist. Es geht letztlich darum, den Kunden zufrieden zu stellen und als Stammkunden zu gewinnen bzw. zu behalten.
Warum fällt es vielen Menschen so schwer, "Entschuldigung" oder "tut mir leid" zu sagen?
Ich glaube es liegt daran, dass viele Menschen damit ein Eingeständnis verbinden, einen Fehler gemacht zu haben. Und das passt den meisten nicht so gut zu ihrem Selbstbild.
Wie kann hier bzw. im Servicebereich ganz generell ein Wirtschaftsmediator helfen?
Ein Wirtschaftsmediator kann die Mitarbeiter dabei unterstützen, mit Angriffen, Untergriffen und unklaren Ansprüchen besser zurecht zu kommen, das eigentliche Anliegen herauszufiltern und die Kommunikation konstruktiv zu gestalten.
Der Streitschlichter
Stephan Proksch arbeitet als Mediator, Organisationsberater und Trainer, daneben ist er geschäftsführender Gesellschafter von Trialogis (www.
trialogis.at) und Sprecher der Experts Group Wirtschaftsmediation der WKO. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Wirtschaftsmediation, aber auch Moderationstrainings im Bereich Konfliktmanagement, Führung und Team- und Organisationsentwicklung. Der heute 43-Jährige war fünf Jahre lange bei der Generali Gruppe im Einsatz, bevor er sich 2003 selbstständig machte.
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