Martina Schwarzmann: Milieukritikerin

Martina Schwarzmann: Milieukritikerin
Nr. 77. Kaum einzuordnen in das fließende Spektrum zwischen Liedermacherin, Comedy und Kabarett: "Deaf's a bissal mehra sei?"

Sie tut so, als könne sie kein Wässerchen trüben. Aber hat's faustdick hinter den Ohren. Nur scheinbar die naive Landpomeranze, erfrischend natürlich, aber pfiffig wirkt sie. Und hat einen scharfen Blick auf die heile Welt in der bayerischen Provinz.

Lockere Sprüche und schwarzer Humor

Martina Schwarzmann: Milieukritikerin

In ihrem zweiten Solo "Deaf's a bissal mehra sei?" nimmt die Musik-Kabarettistin Martina Schwarzmann die Befindlichkeiten der Landbevölkerung aufs Korn und karikiert die groteske Komik belangloser Alltagsszenen. "Sogt da Apfe zum Zwiefe: is oiss a Sach der Perspektive!"

Ihre Stärke ist die Präzision der Menschenbeobachtung. Die Wahrnehmung der Schwächen ihrer Umwelt. Die Spießbürger, Stammtischtypen und "Semmedschumbsn", Frauen, "dumm wie ein Stück Brot", die sie wie durch ein mildes Vergrößerungsglas betrachtet, die hat sie in ihrer Jugend selbst erlebt und ihnen aufs Maul geschaut: "Bei uns in Überacker" im Bezirk Fürstenfeldbruck. Ihre Ideen hat sie im Vorbeigehen im Wirtshaus, am Stammtisch und beim Einkaufen in der Fleischerei gesammelt.

Ihre Art der Gesellschaftskritik kommt auf Umwegen daher, leise, ohne Weltverbesserungsrezepte oder Allüren. Von einigen Akkorden auf der Gitarre unterstützt, beschreibt sie ein Milieu, dem sie als Künstlerin längst entwachsen ist.
Komödiantisch Ironisch-distanziert bis kokett im Tonfall zeichnet sie einen Mikrokosmos zwischen Heugabel und Popmusik. Wie man sich am Wahltag in Bayern richtig verhält. Wie man sich verwählt. Und wie man sein höchst persönliches Wahlergebnis geheim hält.

Schräg-skurril sind ihre Lieder und Gedichte über Fliegen, Tante Helga, den aufbegehrenden "kloana Zeh" und die Gummipuppe "Modell Sabine", die im Sexshop über den Sinn des Lebens räsoniert. Manches ist purer Nonsens, wie die Hymne wider "matschige Semmegnedl", anderes Sarkasmus, wie die wahren Gedanken, die man mit dem Gruß "Pfiadde I wünsch da wos" verbindet.

Viele bekommen ihr Fett ab: Der dämliche Motorradfreak in den Vierzigern, der sein schwindendes Haupthaar mit Pferdestärken kompensiert. Die "dicke Annelies", die auf den Berg steigt, um Pfunde zu verlieren. Das Mauerblümchen, das sich in der Hoffnung auf Selbstbewusstsein betrinkt und dem potenziellen Partner vor die Schuhe speit. Oder die als Intrigantin entlarvte "Dorfratschn". Also, um es mit Martina Schwarzmann zu sagen: "Don't shit around."

Kommentare