Lach- & Schießgesellsch.: Auf der Schippe

Lach- & Schießgesellsch.: Auf der Schippe
Nr. 75. "Schimpf vor 12" - ein Klassiker: der legendäre Silvesterrückblick 1963 der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

In den 60er-Jahren waren die politischen Kabarettisten in Hochform. Satirisch, polarisierend, kritisch. Alles war noch frisch: Ihre Pointen und unsere Empörung. Damals, als Franz Josef Strauß Verteidigungsminister war und die "Spiegel"-Affäre ein Aufreger für ganz Deutschland.

Alle wollten damals was, das dann andere wiederum partout nicht wollten. Schon die Parolen jener Zeit vor und nach 68 waren eigentlich Pointen, wie man heute weiß. Und so hatte das Kabarett seine große Zeit.

Linke in Bayern

Lach- & Schießgesellsch.: Auf der Schippe

In Schwabing, gleich um die Ecke bei der Münchner Freiheit, stieg die "Lach- und Schießgesellschaft" - 1956 vom Journalisten Sammy Drechsel, Klaus Havenstein, Hans-Jürgen Diedrich und Dieter Hildebrandt gegründet - zur ersten Adresse für politisches Kabarett der deutschen Republik auf.

Sie verkündete, dass politisches Kabarett in jedem Fall Opposition heißen solle, die in der Bundesrepublik links stehe. Die Programme wurden live zur besten Sendezeit vom Fernsehen übertragen. Klaus Peter Schreiner schrieb wunderbare, bleibende Texte, entlarvte Politik oft durch deren Sprache und schrieb nicht nur, sondern traf auch ins Schwarze.

Auf Dieter Hildebrandts Soli wartete man damals wie auf einen Durbridge-Krimi. Alle Themen, die das Land bewegten, kamen ins Programm - pointiert, satirisch beleuchtet und gegen den Strich gebürstet. Für Franz Josef Strauß, den Bullen von Bayern, war die scharfe Zunge des SPD-Sympathisanten Hildebrandt "politische Giftmischerei". Der Bayerische Rundfunk blendete ihn wegen "nicht gemeinschaftsverträglicher" Elemente schon mal aus dem Programm aus.

Das Ensemble schrieb Kabarettgeschichte. "Denn sie müssen nicht, was sie tun" folgten bis 1972 weitere 19 Programme. "Schimpf vor 12" zu Silvester war bereits seinerzeit Kult, oft saßen Polit-Promis wie Willy Brandt und Hans-Dietrich Genscher im Publikum.

"Geht es Ihnen auch so zum Kotzen gut wie mir?", fragt da einer im kabarettistischen Jahresrückblick auf 1963 "Schimpf vor 12" und mault am Anfang des Wirtschaftswunders über den "hirnverbrannten sinnlosen" Wohlstand: "Verfluchter Wohlstand, das hätte uns nicht passieren dürfen."

Wenn man die Programme der Münchner Truppe heute wieder sieht, wundert man sich, dass nicht längst eine Kabarett-Truppe diese ganzen Sechzigerjahre-Klassiker nachspielt: ein Jahrzehnt auf der Kippe, auf der Schippe.

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