Harald Schmidt: Frechheit siegt
Hätte das deutsche Theater mich so geliebt, wie ich das deutsche Theater geliebt habe, wäre ich demdeutschen Fernsehen erspart geblieben", sagte Harald Schmidt. Vermutlich auch dem Kabarett. Was schade gewesen wäre. Denn kaum jemand weiß, dass Deutschlands beliebtestes Lästermaul lange vor seinen TV-Night-Talk-Possen als Kabarettist begonnen hat.
Kay Lorentz entdeckte Schmidt 1984 und holte ihn ans Düsseldorfer Kom(m)ödchen, wo er Texte für die Altmeisterin Lore Lorentz schrieb.
Entertainer-Lehre
Fünf Jahre in Düsseldorf haben ihn gestählt. "Man sitzt da und hakt die Katastrophen ab: Waldsterben, Robben, Nordsee - da hat sich ja nirgends was zum Guten getan, aber ein paar Wochen später ist dann in den Medien das
nächste Thema dran: Von Hallo Aids! über Ozon bis zu irgendeinem Berg in den Alpen, der ins Rutschen gerät." In der Zeit war er auch mit eigenen Programmen - "Überstehen ist alles"(1988), "Ich hab schon wieder überzogen" (1989) - auf Tour und wurde 1986 als bester deutscher Nachwuchskabarettist mit dem "Salzburger Stier" ausgezeichnet.
Der Mann sagt von sich, er heiße nicht nur Schmidt, sondern sehe auch so aus. Seine Masche ist damals wie heute die ironische Distanz zu allem und jedem. Gibt es etwas, vor dem sein boshafter Witz haltmacht?
"Nö", antwortet er schlicht.
Und das Gesetz der Schlagfertigkeit sagt: Frechheit siegt. Also Harald Schmidt, immer nur der zynische Beobachter und unangreifbare Spötter? Er rettet sich in seine positive Definition von Zynismus: "Wenn es mehr Leute gäbe, die Distanz haben zu allem, was sie tun, sähe die Welt besser aus - und das Fernsehen auch."
Folgerichtig fühlt er sich wohl mit "Überstehen ist alles" als Programmtitel und als Lebenshaltung.
Und es ist sicher kein Zufall, dass der Titel sowohl politisch als auch unpolitisch interpretierbar ist. Sein Prinzip scheint zu sein, die Widersprüche, mit denen er mühelos lebt, in entwaffnender Offenheit zuzugeben.
Für ihn ist alles Material. Auch er selbst. "Das ist ja eine permanente Selbstausbeutung: Krankheiten, Kindergeschichten, gescheiterte Beziehungen,
alles wird abends ausgebreitet. Es ist wirklich alles Material: Geburt, Tod, Beerdigung, Geburtstag."
Das ist die Schmidtsche Melange: ein bisschen harmlos, ein bisschen böse, ein Schuss Zynismus, eine Prise Pragmatismus.
Ausländer, Frauenemanzipation, Waldorfpädagogik: Schmidt reiht die Themen aneinander und kratzt an den Tabus.
Kommentare