Chice Teile aus Omas Kleiderschrank

Mona Schütt gräbt gerne nach Schätzen – in den Kleiderschränken älterer Damen. Zum Beispiel bei Doris, einer Pensionistin aus Stuttgart. Ein grüner Samtgürtel, blaue Handschuhe, gepunktet und mit dunkler Spitzenbordüre verziert, sowie ein mit Pailletten bestickter Pullover gehören zu ihrer Beute. In einem Büro in Stuttgart hortet Schütt ihre Schätze an einer langen Kleiderstange – von hier verschickt sie die Teile über ihren Online-Shop "Oma Klara".

Wer dahinter ein einfaches Kauf-Konzept vermutet, irrt. "Nicht die Kleidung, sondern deren Geschichte steht im Vordergrund", erklärt die 32-jährige Bloggerin. Jedem Stück liegt eine Notiz mit der Kleidergeschichte bei: Ein grün-blau gemusterter Zweiteiler namens "Poppy Madlen" gehörte einst Oma Ingeborg, die ihn vor vierzig Jahren von ihrer Chefin geschenkt bekommen hat. Sie trug ihn nur in Kombination mit einem schwarzen Shirt, da er ihrem Mann viel zu auffällig war.

Oder der Pailletten-Pullover "Cleo" von Oma Doris. Der entstand für eine Silvesterparty in den 1970er-Jahren. Sie strickte ihn nach einer Vorlage aus der Zeitschrift Brigitte. Da sie den Aufwand unterschätzt hatte, wurde das gute Stück erst eine halbe Stunde vor Beginn der Feier fertig. Heute freut sie sich, dass sie dieses persönlich kostbare Stück an Menschen wie Mona Schütt weiterreichen kann.

Einzelstücke

Die Stuttgarterin, die bis vor wenigen Jahren am Landeskriminalamt arbeitete, hatte schon immer ein Faible für Vintage-Mode. Sie schätzt individuellen Stil und Teile, die nicht an jeder Ecke zu haben sind. Noch bevor Julia Roberts 2000 in einer Vintage-Robe von Designer Valentino ihren Oscar entgegennahm und den Trend auslöste, experimentierte Schütt mit Secondhand-Kleidung. Sie durchforstete dafür unzählige Flohmärkte oder Geschäfte. Normales Shoppen ist ihr zu langweilig geworden. "In der Regel sind es Einzelstücke, die nicht in Massenproduktion hergestellt wurden."

Mittlerweile verkaufen Textilketten Mode, die aussieht wie jene Schätze, die Schütt in den Schränken der Omas findet. Dass deren Stücke mit den aktuellen Trends mithalten können und mitunter sogar besser aussehen, bewies sie in einem Experiment. 30 Tage lang trug und kombinierte sie täglich ein anderes Outfit – aus dem Fundus älterer Frauen. "Ich wollte zeigen, wie cool die Sachen aussehen und wie schön man sie kombinieren kann."

Nach den positiven Reaktionen startete sie mit ihrem Online-Shop. Über Aushänge in Seniorentreffs fand sie schnell Frauen, die sich freuten, mit ihr gemeinsam den Schrank zu durchforsten. Einige davon lud sie zu einem sogenannten "Damenkränzchen" ein, um mit ihnen und anderen über Mode und Stil zu philosophieren: "Man trifft sich meist mit Gleichaltrigen oder Arbeitskollegen. Ich finde aber, dass ältere Menschen einem so viel weitergeben können. Diese Gespräche sind sehr kostbar." Auch Oma Doris war zu Besuch und erzählte bei einer Tasse Tee die Entstehungsgeschichte ihres geliebten Pailletten-Pullovers.

Viele Stücke der Großmütter haben mittlerweile eine neue Trägerin gefunden. Eine schickte sogar ein Foto an die Vorbesitzerin, das sie beim Jubiläumsfest zum Fall der Berliner Mauer zeigt – im Oma-Pulli. Darüber freute sich die ehemalige Besitzerin, genauso wie Mona Schütt: "Das Schöne ist, dass die Kleidergeschichte nicht bei der Oma endet, sondern dass sie weitergeschrieben wird und diese erfährt, wohin die Reise geht."

Info: Modeblog und Online-Shop: www.oma-klara.de, Versand auch nach Österreich

Wien:

Flo Vintage – Nostalgische Mode, Schleifmühlgasse 15a, 1040 Wien, www.flovintage.com

Polyklamott, Hofmühlgasse 6, 1060 Wien, www.polyklamott.at

Fräulein Kleidsam, Seisgasse 3, 1040 Wien, fraeulein-kleidsam.at

Österreichweit:

Carla-Läden der Caritas, Mittersteig 10, 1050 Wien, www.carla.at

Moschi-Modeantiquariat, Bürgerstraße 23, 4020 Linz, www.moschi.org

GARDEROBE, Frauengasse 3, 8010 Graz, www.garderobe-secondhand.at