"Chucks" bekommen erstmals ein Re-Design

"Chucks" bekommen erstmals ein Re-Design
Sie quietschen und verursachen Schweißfüße – trotzdem sind die "Chucks" ein Erfolg. Jetzt wurde das Modell erstmals verändert.

Ohne seine Unterschrift waren es einfach nur Leinenschuhe mit Gummisohle, die beim Gehen quietschten, den Regen aufsogen und in denen man fror. Nachdem sie der Basketballspieler Chuck Taylor 1923 mit seinem Namen signierte, wurden sie zum erfolgreichsten Schuhmodell der Geschichte – das weder vor Kälte und Regen schützt noch Schweiß nach draußen lässt.

Seit fast 100 Jahren ist der "Chuck Taylor All Star" von Converse ein gutes Beispiel dafür, dass Ästhetik und Zweckmäßigkeit nicht zusammenpassen müssen. Das störte bisher kaum jemanden: weder die amerikanischen Basketballmannschaften, die lange in "Chucks" spielten. Noch die Ramones, die sie zu ihren engen Jeans trugen. Oder jenen blassen Jungen mit strähnigem Haar, der mit seiner Band in diesen Schuhen auftrat. Durch Kurt Cobain gehörten "Chucks" neben Flanellhemden und zerrissene Hosen zum Grunge-Style, die Jugend-Uniform der 1990er.

"Chucks" bekommen erstmals ein Re-Design
All New Converse Chuck Taylor All Star II

Bild: So sieht der neue All Star II aus.

Nirvana-Fans und Punks konnten allerdings nicht verhindern, dass ihr Schuh heute auch an den Füßen von CEOs oder Politikern zu sehen ist. Steife Business-Kleidung soll dank "Chucks" lässiger wirken. Jetzt hat der Hersteller das Modell sogar generalüberholt und ihm erstmals eine Sohle verpasst, die Komfort verspricht. Der Neue heißt wie der Alte, besteht aber aus reißfesterem Leinen. Und damit könnte für manchen Träger ein vertrautes Gefühl verloren gehen: Der Moment, in dem der Stoff bricht und die Zehe zum Vorschein kommt.

Es roch nach Räucherstäbchen, altem Leder und nassem Hund – der Secondhand-Laden war ebenso ranzig wie die blauen verwaschenen "Chucks", die ich dort erstand. Und das war gut so. Die aufgekritzelten Ausdrücke auf den weißen Gummikappen waren eindeutig, ebenso die Anarchie-Zeichen, aufgemalt vom Vorbesitzer. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, wie Eltern oder Lehrer darauf reagieren würden. Was ich mir fürs mühsam gesparte Taschengeld gekauft hatte, war mehr als ein Turnschuh: Es war ein Gefühl, eine Haltung.

Mit den "Chucks" wurde plötzlich alles möglich. Auf Schulschluss-Partys gehen, ohne sich deplatziert zu fühlen, mit den älteren Schulkollegen reden, ohne belächelt zu werden. Statt in den Unterricht zu gehen, in die Stadt fahren. Auch dem toten Sänger, der auf dem Poster an der Zimmerdecke lässig an seiner Zigarette zieht, fühlte ich mich näher. So wie diese Phase endete, fanden auch die "Chucks" ihr Ende – im Keller. Wegschmeißen würde ich sie nie. Tragen auf keinen Fall. Manchmal schaue ich sie mir an: Abgewetzte Kappen, ausgefranste Schnürsenkel – sie stehen für eine aufregende Zeit. Und die muss Spuren hinterlassen.

Jahrelang habe ich "Chucks" gehasst. Nicht die Schuhe an sich, sondern die Tatsache, dass sie jeder getragen hat: Von der Streberin in der ersten Reihe bis zum Möchtegern-Rocker in der letzten. Das Symbol einer verwegenen Jugendkultur wurde zum Pseudo-Rebellenschuh – quasi Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll im noch jungen Jahrtausend.

Erst als arrivierte "Chucks"-Träger ihre Treter ins Eck stellten, verfiel ich dem Charme des lancierten Klassikers und latschte sie nach nur fünf Monaten aus. Die glänzende Gummikappe war ranzig, der dünne Stoff löchrig und während der Kaugummi an der Sohle nicht weichen wollte, machte sich der Schuhboden bereits selbstständig. Diagnose: Undicht. Der Moment zwischen steifer Neuheit und völliger Verwahrlosung war gekommen, der Gipfel der umstrittenen Schönheit erreicht.

An den kaputten und löchrigen "Chucks" verewigt sich die Geschichte der eigenen Jugend – auch wenn man sich an manche Sünden nicht so recht erinnern will.

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