Jil Sander: Wie eine Deutsche die Modewelt revolutionierte

Jil Sander: Wie eine Deutsche die Modewelt revolutionierte
Als "Queen of Less" wird die Hamburgerin nach wie vor bezeichnet - weil sie mit ihrer Mode das Vertrauen der Kunden gewann.

Still geworden ist es um Jil Sander. Ab und zu blitzt ihr Name noch einmal in den Medien auf. Die Gefahr jedoch, dass Deutschlands Vorzeige-Designerin in Vergessenheit gerät, besteht kaum. Dazu war ihr Einfluss auf die Mode zu groß. Am 27. November wird Jil Sander 75 Jahre alt. Und es ist damit zu rechnen, dass sie ihren Geburtstag eher diskret begeht.

Vielleicht auf Ibiza, wo sie eine Finca besitzt und sogar ihr eigenes Olivenöl herstellen lässt. Oder auf Gut Ruhleben nahe Plön, wo die Hamburgerin über viele Jahre zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Angelica Mommsen einen wunderschönen Garten anlegte. Als jene 2013 unheilbar an Krebs erkrankte, änderte die Modemacherin ihr Leben.

Sie verließ das von ihr gegründete und mittlerweile zur japanischen Onward Luxury Group gehörende Unternehmen. Das hatte sie nach dem Verkauf der Aktienmehrheit der Jil Sander AG (ursprünglich an die Prada-Gruppe) im Jahr 1999 zwar schon mehrfach getan. Doch war sie immer wieder irgendwann auf ihren Posten als Chefdesignerin zurückgekehrt. Die Mode schien sie nicht loszulassen.

Keine aufgetakelten Kleider

Doch diesmal hat sie sich anscheinend, auch nach Mommsens Tod im Juni 2014, endgültig ihrem Privatleben zugewandt. In einem Interview, das die sonst eher scheue Hamburgerin anlässlich der Sander-Ausstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab, zeigte sie sich nahbar. "Viele Menschen sprechen mich an und sind nett zu mir", sagte sie. "Ich will ohnehin die Menschen, die Dinge und die Welt als Privatperson näher kennenlernen."

Fast verblüfft konstatierte sie in demselben Gespräch, dass ihre Kundinnen immer sehr intensiv mit ihren Entwürfen gelebt hätten. Sie traf damit eine Besonderheit ihrer Mode auf den Punkt. Jil-Sander-Trägerinnen verschrieben sich ihr mit Haut und Haaren. Wer einmal ihre klaren und zugleich weichen und äußerst luxuriösen Teile angezogen hatte, kam nur schwer davon wieder los.

Sie hat das Kunststück fertig gebracht, Frauen via Kleidung zu einem neuen Selbstverständnis und -bewusstein zu verhelfen. Sander hielt gegen den, wie sie einmal sagte, "Modeschöpfer-Blödsinn" der 1950er-Jahre, die aufgetakelten Kleider ihrer Jugendzeit. Sie schuf Damenkleidung aus Herrenstoffen, die nicht maskulin, sondern feminin und schmeichelnd wirkte. Und revolutionierte damit ganz nebenbei die Modewelt.

Jil Sander: Wie eine Deutsche die Modewelt revolutionierte

Der modische Purismus fand in ihr nicht nur eine Pionierin, sondern auch sein schönstes Aushängeschild. In Deutschland bundesweit bekannt wurde die Designerin Ende der 1970er-Jahre, als sie Parfum-Werbung mit ihrem eigenen Gesicht machte. Plötzlich sprach jeder von der blonden Frau mit den klaren Zügen, die zudem einen ungewöhnlichen, androgynen Namen trug. Den hatte sie sich selbst gegeben. Ihr eigener Name Heidemarie Jiline klang ihr zu süßlich.

Geboren wurde sie 1943 im schleswig-holsteinischen Wesselburen, wuchs aber in Hamburg bei ihrer Mutter und deren zweitem Mann auf. Nach einer Ausbildung zur Textilingenieurin ging sie als Austauschstudentin in die USA. Zurück in Deutschland, arbeitete sie als Moderedakteurin und eröffnete 1967 im schicken Hamburger Stadtteil Pöseldorf eine Boutique, in der sie auch eigene Entwürfe verkaufte. Dies war die Keimzelle ihres späteren Imperiums.

Als eine der wenigen deutschen Designergrößen hat Jil Sander es geschafft, international anerkannt zu werden. Viele Jahre lang wurde ihr Name in einem Atemzug mit dem von Mode-Legenden wie Giorgio Armani oder Calvin Klein genannt. Noch heute trauern viele Frauen der "echten Sander" nach. Auch wenn mit den Designern Lucie und Luke Meier gerade zwei sehr begabte Kreativköpfe die Marke führen - die Zeiten, als selbst die elitärsten Moderedakteurinnen sich für Jil Sander-Entwürfe förmlich verzehrten, sind vorbei. Sie selbst formulierte es bescheidener: "Auf eine Weise, die mir nicht ganz klar ist, scheine ich das Vertrauen der Menschen gewonnen zu haben."

 

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