Swanks Aufstieg vom Nichts in die oberen Zehntausend ist inzwischen hinlänglich bekannt: Arbeiterkind aus niedrigsten Verhältnissen, aufgewachsen im Wohnwagen-Slum von Bellingham, Vater verabschiedet sich frühzeitig, Mutter packt die 15-jährige Möchtegern-Schauspielerin ins alte Wrack und fährt von Washington State gen Süden. Einziges Gepäck: 72 Dollar und viel Hoffnung.
Die Hürden schienen unüberwindlich: „Die ersten drei Wochen schliefen wir im Auto. Dann erlaubten uns Freunde in dem Haus zu übernachten, das zum Verkauf angeboten war. Es gab keine Möbel, also schliefen wir auf einer Luftmatratze, die wir am Tag versteckten, weil das Haus ja potenziellen Käufern gezeigt wurde. Aber dann fand ich schnell einen Job, meine erste Rolle in einer Daytime-Soap.“
Es folgte „Karate Kid 4“ und eine Rolle in der damals beliebtesten Teenie-Serie – doch die Bekanntschaft mit den Tiefen des Business kam genauso schnell wie die Freude, davon überleben zu können: „Du meinst, als ich von ,Beverly Hills 90210‘ gefeuert wurde, und ein sehr bekannter Studiochef, den ich jetzt nicht nennen will, meinte: ,Du bist nicht gut genug für eine einstündige Seifenoper. Mach lieber halbstündige Sitcoms.‘?!“
Sie lacht noch heute darüber: „Damals dachte ich, vielleicht sollte ich es doch sein lassen.“
Die 3000-Dollar-Gage für einen unabhängigen Film mit riskanter Thematik empfand sie als überbezahlt für die Chance, endlich so etwas wie Qualität zu machen. „Boys Don’t Cry“ brachte ihr den ersten Oscar.
Ihren zweiten für Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ zelebrierte sie nicht wie erwartet bei einer Nobelparty, sondern im Hamburger-Laden „Astro Burger“ am Sunset Boulevard „Hier bin ich nach meinem ersten Oscar-Sieg vor fünf Jahren gelandet, und jetzt wird’s Tradition!“
Eine Oscarpreisträgerin, die fettriefende Fritten in Gesellschaft ihrer engsten Freunde und Mitarbeiter, Wolfgang Puck’s Tunfischtartar in Wonton-Tüten mit Ingwer/Kresse-Confit mit der Hautevolee Hollywoods vorzieht. „Das Beste an diesem Gewinn war, dass ich plötzlich als Vorbild für junge Frauen galt. Das war zwar nie der Grund, warum ich eine Rolle annahm, aber wenn mich junge Frauen oder Mädchen auf der Straße ansprechen, dann fühle ich mich sehr geehrt, bin mir aber gleichzeitig auch meiner Verantwortung bewusst.“
Was dem ersten Oscar folgte war die Scheidung von Chad Lowe (56), Robs jüngerem Bruder, den sie vergaß in ihrer Dankesrede zu erwähnen.
Nach dem Zweiten trennte sie sich von einem Schauspielagenten, mit dem sie vier Jahre zusammengelebt hatte. Danach floh sie nach Paris, fand einen französischen Lover und dachte über ihr Leben im Allgemeinen und ihre Karriere im Besonderen nach. „Du kannst dir noch so vornehmen, keine schlechten Filme zu machen, aber wenn du ein gutes Drehbuch liest, heißt das noch lange nicht, dass das Endprodukt ebenfalls gut ist.“
Sie weiß, dass sie in extremen Rollen besser ist als in konventionellen: „Ich bin Schauspielerin geworden, weil ich Menschen liebe, Geschichten über Menschen liebe. Und wie auch immer ich mich dafür physisch verändern muss, bin ich gewillt, es zu tun. Rollen wie die eines Boxer, eines Transsexuellen, das sind Außenseiter, und ich habe mich als Kind auch immer als Außenseiterin gefühlt. Wenn du dir meine Filme ansiehst, dann haben sie alle eins gemeinsam: sie sind über Menschen, die alles gegen sich haben. Und so ist es mir auch gegangen, und deshalb fühle ich mich dem sehr verbunden. Ich habe als Sechsjährige nicht verstanden, warum es schlecht ist, in einem Wohnwagenpark aufzuwachsen. Für mich war das normal, aber andere Kinder machten mich runter. Und ihre Eltern ebenfalls. Die wollten nicht, dass ihre Kids mit mir spielen, und wenn ich in ihren Häusern war, kam immer der Punkt, wo jemand sagte: ,Hilary muss jetzt gehen.‘“
Nachdem ihr letztes Projekt, die TV-Serie „Alaska Daily“ nicht erneuert wurde, dachte sie ernsthaft über eine Pause nach. Der Umzug nach Colorado war ihre Rettung vom Glitzer und Glamour in die Wirklichkeit. „Ich wollte nicht ständig vom Business umgeben sein. Man verliert in Los Angeles jeden Sinn für Realität. Ich bin ja schon vor 20 Jahren mal von dort nach New York gegangen, was mir erlaubte, mehr ich selbst zu werden. In L. A. fühlte ich mich immer isoliert und von der Welt abgeschnitten.“
Von der Welt abgeschnitten ist sie jetzt im besten Sinn. Umgeben von Natur, den eigenen Pferden und Hühnern und umgeben von ihrer Familie.
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