Sie war genau sein Typ: kühl, blond, mit skandinavischen Wurzeln. 1961 entdeckte Sir Alfred Hitchcock ( 1980) ein unbekanntes Fotomodell namens Nathalie Kay Hedren und machte die 31-Jährige aus Minnesota die wesentlich jünger aussah, als sie war, zum Star. Für den Ruhm musste sie teuer bezahlen. Tippi Hedren, die heute 95-jährige Mutter von Melanie Griffith (67) und Großmutter von Dakota Johnson (35) und Stella Banderas (28) hat viel zu erzählen. Über echte, ausgehungerte Vögel für die Horrorszene im gleichnamigen Film. Über eine mehr als simulierte Vergewaltigung in „Marnie“. Nonstop sexuelle Belästigung hinter der Kamera. Als sich Tippi Hedren gegen den konstanten Psychoterror wehrte, ruinierte Hitchcock ihre Karriere.
KURIER: Sie sprachen sehr lange nicht über das, was Ihnen in Hollywood widerfahren ist…
Tippi Hedren: Wie denn?! Es hätte mir ja keiner zugehört. Als ich die Chance bekam, meine Geschichte und die vieler Kolleginnen zu erzählen, ergriff ich sie.
Was ging in Ihnen vor als Sie den Film "The Girl" sahen, in denen Sie von Sienna Miller gespielt werden?
Es war weniger, was ich dachte und fühlte, und mehr die Reaktion aller anderen. Sie waren total schockiert, so etwas auf der Leinwand zu sehen und zu wissen, dass es wirklich passiert ist. Keiner bewegte sich, keiner stand auf, bis meine Tochter Melanie Griffith aufsprang und rief: „Jetzt muss ich wieder zurück in Psychotherapie gehen!“
Was passierte in dieser schrecklichen Szene in "Die Vögel"?
Alle logen mich an, die gesamte Crew, denn Hitchcock hatte mir erklärt, er würde für die Attacke natürlich mechanische Vögel verwenden, wie bei allen anderen Schauspielern. Ich wollte die Szene ja gar nicht spielen, denn sie ergibt keinen Sinn, aber als ich ihn fragte, warum sie auf den Dachboden geht, wenn sie doch schon weiß, was den Leuten im Ort passiert ist, sagte er: Weil ich dir sage, dass du raufgehen sollst. Zwei Minuten bevor ich meine Garderobe verließ, sagte der Regieassistent, dass sie echte Raben, Krähen, Tauben und Möwen auf mich loslassen würden. Ich stand unter Schock. Wir drehten das eine Woche lang, es wurde immer schlimmer, die Vögel immer rabiater. Es war ein Albtraum, und ich landete eine Woche im Spital.
War Hitchcock ein Sadist? Sexuell besessen von seinen Darstellerinnen?
Beides. Und ein Stalker. Er ließ mich beschatten, engagierte einen Spezialisten, der meine Handschrift analysierte. Es war keine Affäre, wie Schauspielerinnen sie manchmal mit Regisseuren haben, denn ich wollte ja nicht, und ich wollte auch nicht das Objekt seiner Begierde sein. Es war einfach nur widerlich.
Ist das allen seinen Schauspielerinnen passiert?
Ich kann nicht für Ingrid Bergman, Grace Kelly, Kim Novak oder Janet Leigh sprechen, ich weiß nur, dass Vera Miles ein ähnliches Schicksal erlitt. Sie sprach nie wieder über ihn oder über seine Filme. Ich war kein Einzelschicksal. Es war damals unmöglich, auf sexuelle Belästigung oder Nötigung zu klagen, sonst wäre ich heute eine sehr reiche Frau!
Hitchcock war verheiratet – wie reagierte seine Frau auf all das?
Das verstand ich nie: Alma kam eines Tages zu mir und sagte: „Es tut mir so leid, dass du all das ertragen musst.“ Und ich sagte. „Aber du könntest es stoppen!“ Da verzog sie das Gesicht und verschwand. Niemand wurde je klug, was und wie die Beziehung zwischen den beiden war.
Sie wehrten sich aber, bestanden darauf, aus dem Vertrag auszusteigen. Woher kam der Mut dazu?
Ich stamme von strikten Lutheranern ab, bin von meinen schwedischen, deutschen und norwegischen Ahnen geprägt. Ich musste mich auflehnen. Er sagte, „ich werde deine Karriere ruinieren.“
Was er auch machte. Er sperrte Sie für zwei Jahre, bis Ihr Vertrag letztendlich auslief ...
Und damit war es vorbei für mich, weil ich weder in seinen Filmen noch in denen anderer auftreten durfte. Und es gab Gerüchte, dass ich für „Die Vögel“ eine Oscarnominierung bekommen würde. Er hatte so viel Einfluss, dass er auch das stoppte.
Als Ihnen Ihre Tochter eröffnete, dass sie Schauspielerin werden wollte, hatten Sie da keine Angst um Sie?
Ich nahm sie nicht ernst. Sie begleitete eine Freundin zum Vorsprechen, als sie ihre erste Rolle bekam. Ich dachte, okay, das war’s dann. Aber sie nahm es ernst, begann in New York Schauspiel zu studieren. Sie wurde erfolgreich, aber ich zog sie genauso auf, wie ich erzogen worden war. Und das gab ihr die Stärke, die sie besitzt.
Sie leben seit 1972 in dem von Ihnen gegründeten Shambala Reservat nördlich von Los Angeles. Hatten Sie nie Angst vor den Raubtieren?
Ich war früher viel direkter involviert mit meinen Tieren. Das Ganze entstand ja während wir in Afrika den Film „Roar – Die Löwen sind los“ drehten. Da ist es schon mal passiert, dass ich verletzt wurde. Ich wurde gebissen, meine Tochter wurde gebissen, es ist ein Wunder, dass bei dem Dreh niemand gestorben ist. Heute habe ich Pfleger, die sich kümmern. Ich organisiere mehr die Events, gebe Reden in Washington, damit die Ausrottung von Wildtieren verhindert wird. Aber von meinem Büro schaue ich aus dem Fenster und sehe Löwen und Tiger. Und ich höre sie natürlich. Ist das nicht wunderbar?
Kommentare