Zum 120er: Warum Hitchcocks "Die Vögel" realer ist, als man denkt

Zum 120er: Warum Hitchcocks "Die Vögel" realer ist, als man denkt
Er hat mit Ängsten gespielt wie kein anderer. Heute wäre Alfred Hitchcock 120 Jahre alt geworden. Fünf seiner größten Filme unter der Lupe.

VERTIGO (1958)

Hintergrund-Check: "Vertigo" gilt besonders unter Regisseuren als Meisterwerk, obwohl der Film bei seinem Erscheinen 1958 erst einmal floppte. Eine internationale Kritiker-Jury wählte Hitchcocks Arbeit 2012 zum besten Film aller Zeiten. Auch Martin Scorsese zählt "Vertigo" zu seinen Lieblingsfilmen.

Die Handlung: Ein ehemaliger Polizist beschattet die Ehefrau eines Freundes und verliebt sich in sie. Nach ihrem Tod begegnet er ihrer Doppelgängerin und gerät in ein Mordkomplott.

Das Besondere: Hitchcocks konsequente Suche nach neuen Stilmitteln. Der "Vertigo"-Effekt ging in die Filmgeschichte ein. Mit Hilfe von zwei gleichzeitigen Bewegungen (Kamera-Zoom und Rückfahrt) entstand ein sogartiger Eindruck, mit dem Hitchcock die Höhenangst seines Hauptdarstellers optisch umsetzte. Zum ersten Mal setzte er den "Dolly"-Zoom aber bereits 1945 in seinem Film "Spellbound" ein. 

DIE VÖGEL (1963)

Hintergrund-Check: Im Jahr 1961 lagen die meisten Bewohner des nordkalifornischen Küstenortes Pleasure Point bereits in ihren Betten, als sie von lauten Schreien und dumpfen Schlägen geweckt wurden. Im Schein ihrer Taschenlampen konnten sie erkennen, dass ihr Dorf voller Vögel war, teils tot, teils agressiv, wenn man ihnen zu nahe kam. Die Schlagzeile der "Santa Cruz Sentinel" am nächsten Tag lautete: "Invasion von Meeresvögeln erschüttert Küstenhäuser". Darüber wollte ein Anrufer mehr wissen: Es war Alfred Hitchcock, auf der Suche nach einem Filmstoff. Den wahren Grund für die Vogel-Invasion, sie hatten in dieser Augustnacht im Nebel die Orientierung verloren, behielt der Meister der Spannung natürlich für sich.

Die Handlung: Ein friedliches Städtchen an der Küste verwandelt sich in einen Ort des Schreckens. Die selbstbewusste Melanie Daniels (Tippi Hedren, die Mutter von Melanie Griffith) will dort einen Bekannten besuchen und bleibt, da er ihr gefällt, länger. Als sie von einer Möwe angegriffen wird, denkt sie sich zunächst nichts. Doch das ist erst der Anfang.

Das Besondere: Hitchcock besetzte diesen Film bewusst nicht mit Stars. Seine Begründung: "Die einzigen Stars in diesem Film sind die Vögel und ich selbst". Die Hauptrolle ging an Tippi Hedren, ein New Yorker Model, das Hitchcock in einem Fernsehspot für Diätwerbung gesehen hatte. Sie konnte er nach Belieben "formen". Für die männliche Hauptrolle war zuerst Cary Grant vorgesehen. Die Wahl des Regisseurs fiel aber dann auf den Australier Rod Taylor, der bis auf eine Rolle im Film "Die Zeitmaschine" relativ unbekannt war.

 

DAS FENSTER ZUM HOF (1954)

Hintergrund-Check: Das Set, eine Wohnung mit Blick auf einen Hof, stellte alle Beteiligten vor eine riesige Herausforderung. Im Vorfeld wurde das Design monatelang geplant und anschließend konstruiert. Der Hof bestand aus 31 Wohnungen, die  der Protagonist Jeffries von seinem Fenster aus sehen kann, 12 davon komplett möbiliert - das bis Ende 1953 größte Innenset der Paramount-Studios. Auch für jede Tageszeit gab es eine eigene Beleuchtung. 

Die Handlung: Fotoreporter L. B. Jefferies, gespielt von James Stewart, hat sich ein Bein gebrochen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Als „Jeff“ aus Langeweile seine Nachbarn gegenüber seiner Wohnung beobachtet, erhärtet sich für ihn der Verdacht, dass einer seiner Nachbarn seine Frau ermordet hat. Er nimmt die Ermittlungen auf, unterstützt von seiner Verlobten Lisa, gespielt von Grace Kelly und Thelma Ritter als Pflegerin Stella.

Das Besondere: Hitchcocks "Fenster zum Hof" feiert diesen August mit dem 65er einen halbrunden Geburtstag, während der Regisseur am 13. August 2019 120 Jahre alt geworden wäre.

DER UNSICHTBARE DRITTE (1959)

Hintergrund-Check: Alfred Hitchcock gab im Bezug auf "Der unsichtbare Dritte" zu, eine "verworrene Story" mit geradezu "spitzbübischem Vergnügen" verfilmt zu haben. Er nannte sein Projekt "einen einzigen großen Jux", was eine Aussage von Hauptdarsteller Cary Grant bestätigte: "Ich glaube, das ist ein fürchterliches Drehbuch. Wir haben jetzt schon ein Drittel des Films abgedreht, es passiert alles Mögliche, und ich weiß noch immer nicht, worum es geht." Die Kritiker waren von der Mischung aus Thriller, Abenteuerfilm und Krimi-Komödie jedenfalls restlos begeistert. 

Die Handlung: Ein harmloser Werbefachmann wird in mörderische Geheimdienst-Intrigen verwickelt und flüchtet quer durch die Vereinigten Staaten.

Das Besondere: "Der unsichtbare Dritte" war Hitchcocks letzter Film mit Cary Grant und wahrscheinlich der bekannteste Film des Schauspielers. Im Film spielt Jessie Royce Landis die Mutter von Grant, obwohl sie im  wahren Leben nur sieben Jahre älter war als er (sie 62, er 55 Jahre alt). Eine kuriose Mutter-Sohn-Beziehung baute er auch in "Berüchtigt" ein, wo Leopoldine Konstantin nur vier Jahre älter als ihr Filmsohn Claude Rains war. 

PSYCHO (1960)

Hintergrund-Check: Der Film entstand zu einem Zeitpunkt, an dem Alfred Hitchcock bereits eine Serie von Blockbustern gedreht hatte. Die Latte hing hoch, der Regisseur hatte das Gefühl, dass er sich zu wiederholen begann. So entschloss er sich, einen Horrorfilm zu drehen, der nicht nur spannend, sondern auch künstlerisch hochwertig ist. 

Die Handlung: Nachdem sie Geld unterschlagen hat, befindet sich die Sekretärin Marion Crane auf der Flucht vor der Polizei. Sie findet Zuflucht in einem Motel, dessen Besitzer der seltsame Norman Bates ist und der in seinen schizophrenen Phasen in die Rolle seiner Mutter schlüpft. Marion ahnt von nichts, bis sie sich unter die Dusche begibt. 

Das Besondere: Auch, wenn man "Psycho" nie gesehen hat, kennt beinahe jeder Mensch die Szene, in der Hitchcocks Protagonistin, dargestellt von Janet Leigh, unter der Dusche mit einem Messer ermordet wird. "Psycho" brach mit den Normen der Sehgewohnheiten des prüden Publikums der späten 1950er-Jahre. In den USA entwickelte sich unter dem Kinopublikum nach Ansicht des Films sogar eine Dusch-Phobie.

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