Shirley MacLaines Fazit mit 90: "Der Glamour ist raus"
Ihre Karriere und ihren Erfolg beschreibt Shirley MacLaine als leicht. Ihre innere Entwicklung als konstante Reise. In Richmond, Virginia als Shirley McLean Beaty geboren, nahm sie den Künstlernamen MacLaine an, als sie eine Rolle in "Oklahoma" am Broadway bekam.
Der Rest ist eine Geschichte, die auch mit ihrem 90. Geburtstag, den sie heute, Mittwoch, feiert, nicht endet. Erst im vergangenen Jahr spielte sie in mehreren Folgen der TV-Serie "Only Murders in the Building" und ihr neuester Film, eine Komödie mit Peter Dinklage (54; bekannt aus "Game of Thrones") kommt demnächst in die Kinos.
Ihren großen Geburtstag feiert sie auf einem Filmset: die unverwüstliche ältere Schwester von Warren Beatty (87) hat drei weitere Projekte allein in diesem Jahr und absolut nicht vor in Pension zu gehen.
KURIER: Alfred Hitchcock hat Sie für die weibliche Hauptrolle in "Immer Ärger mit Harry" engagiert – keine Kleinigkeit für eine erste Filmrolle. Hatten Sie Anfangsschwierigkeiten?
Shirley MacLaine: Nein, ich musste nie um Rollen kämpfen. Ich kam als Hitchcock-Protegé nach Hollywood, musste für meine erste Rolle nicht einmal vorsprechen, ich war seine goldene Entdeckung.
Sie sagten mal, dass "La La Land" Ihr Lieblingsfilm der letzten Jahre ist. Ist der Grund, dass es sich hier um ein Musical handelt und Sie mit Musicals berühmt wurden?
Ich weiß nicht genau warum, aber ich identifiziere mich irgendwie mit den Charakteren. Vielleicht ist der Grund, dass ich den Kampf zwischen Liebe und Karriere verstehe.
Wie sehen Sie Hollywood heute?
Ach, da hat sich alles verändert. Der Glamour ist raus. Die familiäre Atmosphäre, die Schauspieler untereinander hatten, gibt es nicht mehr. Man hat die Wahl zwischen riesigen Blockbuster-Franchises und winzigen Filmen, für die kein Geld vorhanden ist. Keine Zeit, kein Schutz vonseiten der Studios. Es ist heute viel schwieriger einen Durchbruch zu schaffen
Vermissen Sie die guten alten Zeiten?
Nein, denn sie waren alt, aber nicht immer gut. Ja, ich wurde von Alfred Hitchcock entdeckt, aber das war ein Film. Danach stand ich nicht mehr unter dem Schutz des großen Studiobosses und seines Starregisseurs. Mein nächster Film war eine seichte Komödie mit Dean Martin und Jerry Lewis! Das vergessen die Leute immer.
Sie waren die einzige Frau im "Ratpack", der Männerrunde um Frank Sinatra. Wie war das?
Dean Martin war der Witzbold. Ich glaube, er war überhaupt der witzigste Mann, den ich je kannte. Seine Spontanität, sein Sinn für Komödie und seine Fähigkeit, in allem Humor zu finden, war genial. Frank habe ich bewundert. Sein großes Herz, sein großes Talent. Sammy haben wir beschützt. Wir buchten einen Bus, um ihn im Spital zu besuchen, als er sein Auge verlor. Wir trösteten ihn, wenn er Liebeskummer hatte, und machten uns über ihn lustig, wenn er wieder eine neue Freundin hatte, die blond und weiß war. Ich habe so viel von ihnen gelernt. Wie man sich auf der Bühne bewegt, wie man Fehler gekonnt und elegant überspielt, alle drei waren so offen und spontan live. Ich vermisse sie sehr.
Affären gab es keine zwischen Ihnen?
Ich hatte mit keinem der drei was. Wir waren Freunde, die waren sowieso alle nicht mein Typ. Mein Typ waren Männer wie John Wayne und Robert Mitchum. Ich mochte immer starke Männer, Männer, die etwas bewegen und die Welt zu etwas Besserem machen wollen.
Sie haben sich Ihr ganzes Leben lang politisch engagiert, etwas, das Sie mit Ihrem Bruder Warren Beatty gemeinsam haben. Wie denken Sie über die Welt, über Amerika im Besonderen?
Wissen Sie, was schlechtes Theater ist? Washington. Und als Schauspielerin hasse ich nichts mehr als schlechtes Theater. Die Trump-Jahre haben uns gezwungen, unsere Idee von Demokratie völlig neu zu überdenken und zu entscheiden, inwieweit wir Dummheit und Ignoranz tolerieren können.
Wann haben Sie begonnen nach dem Sinn des Lebens zu forschen, wie Sie es in einem Ihrer Bücher schreiben?
Ich bin 1934 geboren und mit der Arbeitsethik der Dreißigerjahre aufgewachsen. Ich fragte meine Mutter, wie sich Mädchen benehmen sollen. Sie war Kanadierin und verbrachte ihr Leben damit, anderen und vor allem ihrem Mann zu gefallen und ihn glücklich zu machen. Und so war ihre Antwort ‚hübsche Frisur, hübsches Gesicht, hübsche Manieren, hübsch und nett’. Ich versuchte das. Aber irgendwann begann ich Fragen zu stellen. Nicht nur anderen, sondern vor allem mir selbst. Ich suchte nicht nur nach Antworten, sondern nach Antworten, die mir Kontrolle über mein Leben geben würden. Ich fand diese Antworten sehr oft in den Charakteren, die ich spielte. Das ist der Grund, warum ich immer noch schauspiele. Denn je älter ich werde, je älter die Rollen sind, die ich annehme, je mehr Erfahrung, Weisheit, Verletzlichkeit und Lektionen ich bekomme, desto klarer werde ich mir. Ich lerne mich in meinen Rollen selbst besser kennen.
Sie haben vier metaphysische Bücher geschrieben, die Sie als Autobiographien beschreiben, obwohl nur eines Ihre Memoiren sind. Warum?
Weil es in allen meinen Büchern um mein Leben geht, meine innere und äußere Reise, daher sind das alles autobiografische Betrachtungen. Und die kommen bei den Leuten oft viel besser an als meine Filme. Sieben von zehn Fans sprechen mich nicht auf meine Rollen, sondern auf meine Spiritualität an. Und besonders auf mein Buch ,The Camino: A Journey of the Spirit’. Es glaubt ja kaum einer, dass ich den ganzen Jakobsweg in meinem Alter gegangen bin. Ich war damals 68. Der Santiago de Compostela Camino ist extrem schwierig, weil man dabei nur sich selbst hat, und sich dabei im besten Fall selbst findet. Das ganze Starpaket fällt da von dir ab.
Wie hat Ihre Umwelt darauf reagiert?
Als ich den Leuten sagte, dass ich mir ein paar Monate freinehme und quer durch Spanien gehe? Die dachten alle, jetzt ist sie komplett verrückt geworden. Ich bin auch wirklich ganz allein gegangen. Alles andere bringt nichts, du musst es allein tun, acht, zehn, 12 Stunden nur gehen.
Wie hat es Sie verändert?
Sehr stark. Ich habe mein Haus in Malibu verkauft und miete seither vom neuen Besitzer. All die Kleider, die ich über Jahrzehnte angesammelt hatte?! Ich kaufe seither nichts mehr. Am Jakobsweg brauchte ich nur zwei Outfits, die in einen drei Kilo-Rucksack passen. Im Laufe eines Lebens werden aus 3 Kilo zwei Tonnen. Und ich kapierte, was für eine Bürde Besitz sein kann. Reichtum steht der Spiritualität im Weg. Der Reiche kann sich immer zur Ablenkung ein neues Spielzeug kaufen.
Die Talkshowmoderatoren machen sich immer wieder lustig über Ihre metaphysische Arbeit, über Ihren Glauben an Reinkarnation. Stört Sie das nicht?
Stören? Ich habe diesen Talkshowmoderatoren die meisten dieser Witze über mich geschrieben! Mir ist nur wichtig, dass sie witzig sind. Ich will, dass das Publikum lacht, also helfe ich denen dabei.
Heute ist die Auseinandersetzung mit der Spiritualität etwas ganz Normales, aber es kann nicht einfach gewesen sein, als Sie darüber zu sprechen begannen. Wann haben Sie kapiert, dass Sie anders sind als die meisten?
Ich hatte mit sieben eine mystische Erfahrung, in Jamestown, Virginia. Wenn du so jung bist, kannst du dir Dejavu nicht erklären. Je älter ich wurde, desto mehr Dejavus hatte ich. Ich wusste schon als Kind, dass ich vorher schon mal da war. Ich konnte mit drei Jahren perfekt tanzen, das ist kein Zufall.
Kommentare