Jahrzehnte später produzierten Sie den Film „Get on Up“ über seine Lebensgeschichte. War James Brown dann doch ein Idol für Sie?
Er hatte auf der Bühne diese unglaubliche Energie, er gab 100 Prozent und hatte das Publikum voll in der Hand. Das habe ich mir definitiv zum Vorbild genommen.
Was macht Sie zu einem guten Filmproduzenten?
Ich weiß gern über alles Bescheid und treffe Entscheidungen, die ins kleinste Detail gehen. Ich mache das seit Jahrzehnten mit den Stones. Ein Film ist nur ein anderes Medium für dieselbe Arbeit.
➤Mehr lesen: "Rolling Stones" in Wien: Mick Jagger gönnt sich Dosenbier beim Würstelstand
Sie sagen, Sie hatten eine gute Kindheit, und das Letzte, was von Ihnen erwartet wurde, ist diese Karriere …
Ich bin sehr behütet aufgewachsen, etwas, das ich auch meinen Kindern und Enkelkindern mitgeben wollte und will. Aber ja, meine Eltern wollten wirklich nicht, dass ich ins Showbusiness gehe, das galt nicht als Beruf. Ich rebellierte, als ich beschloss, nicht nur am Wochenende zu singen, sondern die ganze Woche lang. Und als die erste Platte erfolgreich war, gab ich mein Wirtschaftsstudium an der Universität auf.
Hat Ihnen als Jugendlicher irgendwer gesagt, dass Sie ein spezielles Talent haben?
Nie. Im Gegenteil. In England gibt es das nicht. Wenn du deine Familie fragst, „Wie sehe ich aus?“, heißt es: „Wer soll dich anschauen?“
Tina Turner hat Ihnen Tanzen beigebracht, aber das Charisma hatten Sie schon vorher?
Ich glaube nicht, dass man das lernen kann. Obwohl ich zugebe, dass ich mir natürlich sehr viele Künstler angeschaut und mir von ihnen sicher auch etwas abgeschaut habe. Von Little Richard und natürlich James Brown. Was ich immer schon hatte, war ein gutes Feeling und einen Instinkt für das Publikum. Manchmal beginnt es etwas langsam, weil die Leute nicht genug zu trinken hatten, und dann muss ich etwas härter arbeiten. Aber eines kann ich: Die Temperatur der Fans messen.
Sie galten auch immer als der Stone, der am wenigsten Drogen nahm. Hatte das auch mit der Kontrolle zu tun, die Sie nicht verlieren wollten?
Ich glaube einfach nicht an den Mythos, dass Drogen kreativer machen. Wir kennen alle die Geschichten von den Poeten des 19. Jahrhunderts, die süchtig waren und großartige Werke schrieben. Aber in meiner Erfahrung bringen Drogen gar nichts. In der TV-Serie „Vinyl“, die ich geschrieben und produziert habe, sind es die Plattenfirmenleute, die sich zupumpen mit dem Zeug. Das war wirklich so – und ist es vermutlich immer noch.
Wurden Musiker früher mehr ausgebeutet als heute?
Jeder wurde ausgebeutet. Die Schwarzen etwas mehr als die Weißen, aber auch die meisten Weißen verdienten bis Mitte der 70er-Jahre kaum Geld. Man bekam drei Prozent Tantiemen, aber es gab so viele Abzüge, dass auch davon kaum etwas übrig blieb. In den 50ern und 60ern konntest du ein Hit-Album haben – und trotzdem kein Geld. Und dann rebellierten wir alle, und es änderte sich. Bis zur Ära der illegalen Downloads. Damit endeten die fetten Jahre. Meine Theorie ist, dass wir von 1975–1995 abkassierten. Das waren die goldenen Jahre.
Die „Voodoo Lounge“-Tournee 1994 war die finanziell erfolgreichste aller Zeiten mit Gewinnen von 300 Millionen Dollar…
Weil wir kapiert haben, dass man mit Live-Konzerten mehr Geld verdienen kann als mit Albumverkäufen. Wenn man ein halbwegs guter Geschäftsmann ist, macht man mit den Veranstaltern gute Deals.
Wen vermissen Sie abgesehen von Schlagzeuger Charlie Watts am meisten?
David Bowie. Wir waren gut befreundet, wir hatten unglaublich viel Spaß miteinander. Wir teilten unsere Ideen für Songs und Bühnenshows, es gab auch ein gemeinsames Interesse an Filmen. Und wir waren ganz arge Partytiger in den 70ern. Wenn ich mir die alten Fotos ansehe, finde ich vor allem welche, in denen wir in den Clubs die Nächte durchtanzten. Die Presse hat uns Rivalitäten nachgesagt, was nicht weiter verwundert, die machen das ja immer. In Wirklichkeit gab es keine.
Kommentare