Irenäus Eibl-Eibesfeld: „Ich habe das Abenteuer nicht gescheut“

Irenäus Eibl-Eibesfeld: „Ich habe das Abenteuer nicht gescheut“
Tier- und Menschenforscher, Naturschützer und Abenteurer: Irenäus Eibl-Eibesfeldt wird 85.

Andere Forscher schreiben anlässlich von runden und halbrunden Geburtstagen Autobiografien. Er bringt ein Galapagos-Buch heraus. Fragt man Irenäus Eibl-Eibesfeldt nach dem Warum, antwortet er: „Die Galapagos-Inseln haben mich wahnsinnig fasziniert.“ Er sei das erste Mal mit Hans Hass hingefahren. Natürlich auf der Xarifa, dem legendären Forschungsschiff. „Wir haben als erste dort getaucht“. Und die Steilwände von aktiven Vulkanen bezwungen. Und neue Arten wie die Bunte Meerechse entdeckt. Und sich über bereits bekannte, aber noch nie gesehene Tiere, gefreut. Eibl-Eibesfeldt: „Ich war so begeistert, dass ich – ziemlich blöd – rief: ,Da ist er ja, der flugunfähige Kormoran.‘“

Auf Darwins Spuren

Irenäus Eibl-Eibesfeld: „Ich habe das Abenteuer nicht gescheut“
Eibl-Eibesfeldt
Der letzte der großen österreichischen Verhaltensforscher sprudelt beim Geburtstagsinterview los, ehe noch das Tonbandgerät läuft: „Es war wunderbar!“, sagt er und es ist nicht ganz klar, ob er seine erste Expedition nach Galapagos oder sein Leben im Allgemeinen meint: Mit seiner These von der angeborenen Fremdenscheu hat er teils heftige Debatten ausgelöst, gleichzeitig gelten seine Werke als Bibel der Verhaltensforschung. Eibl-Eibesfeldt hat Tier wie Mensch erforscht und so die Humanethologie als eigene Disziplin begründet. Heute feiert der gebürtige Wiener seinen 85. Geburtstag.

Anekdote reiht sich an Anekdote: Hans Hass habe ihn wohl nur deshalb nach Galapagos mitgenommen, weil er auf dessen Frau Lotte einen guten Eindruck gemacht habe. Der damals 25-jährige Jungforscher parlierte über Musik und rezitierte Gedichte. Das kann er bis heute überaus charmant. Minuten vergehen, in denen er das Nibelungenlied vorträgt – auf Mittelhochdeutsch!

Renki, wie ihn Freunde nennen, wurde am 15. Juni 1928 in Wien als Sohn eines Botanikers und einer künstlerisch begabten Mutter geboren. Schule schwänzen und in den Tümpeln Molche fangen, Kröten, Mäuse, Bienen retten und zu Hause aufziehen – Eibl-Eibesfeldt wuchs in einem toleranten Elternhaus auf. Schon als Zehnjähriger organisierte er sich die biologischen Standardwerke in der Bibliothek und ärgerte sich, wenn man ihn fragte, wie er etwas lesen könne, was von einem Juden kam. Man schrieb 1938 und seine Mutter meinte immer: „Hüte dich vor den Hakenkreuzlern.“

Es half nichts: Er wurde zu den Luftwaffenhelfern eingezogen. Plötzlich merkt man, wie die Erinnerungen an den Krieg zurückkehren – damals, als er viel zu jung zur Flak musste und sich während der Angriffe an Reclam-Heften mit Gedichten festhielt. „Auch die Sprache hat viel mit Verhaltensforschung zu tun“, begründet Eibl-Eibesfeldt, wenn man ihn fragt, warum er nicht Literatur studiert hat. Er studierte also Zoologie und befasste sich in seiner Dissertation mit der „Paarungsbiologie der Erdkröte“. 1949 holte ihn Konrad Lorenz an sein Institut für vergleichende Verhaltensforschung nach Altenberg, viele Stationen in Deutschland folgten.

Schutz für Galapagos

Irenäus Eibl-Eibesfeld: „Ich habe das Abenteuer nicht gescheut“
Eibl-Eibesfeldt
Schon früh erkannte er, wie gefährdet Galapagos war und beantragte bei der UNESCO den Schutz der Inseln. Er bekam den Auftrag für eine Erkundungsexpedition, sein Bericht mündete in der Gründung der Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz und ersten Schutzgesetzen. 1960 erschien sein Buch „Galapagos. Arche Noah im Pazifik“, das nun komplett überarbeitet erschienen ist.

Gleichzeitig wuchs sein Interesse am menschlichen Verhalten. Zahlreiche Forschungsreisen zu traditionellen Kulturen, unter anderem zu den Yanomami in Venezuela, den San in Botswana und den Eipo in Neuguinea ermöglichten ihm Einblicke in unverfälschtes Verhalten von Naturvölkern. Und er entwickelte seine Thesen über angeborenes und erlerntes Verhalten. Der Forscher zeigte auf, was bis dahin nicht bekannt war: dass Mimik und Gestik universell sind; und dass sich der Mensch überall gerne in kleinen Gruppen aufhält, der Familie, der Sippe, dem Dorf.

Seine Theorie, dass wir von Natur aus tendenziell fremdenscheu sind, wurde heftig kritisiert. Derlei Aussagen und seine Warnungen vor dem unkontrollierten Vermischen von Kulturen wurden vielfach von rechtslastigen Gruppierungen missbraucht und fanden, wie Eibl-Eibesfeldt selbst sagt, „oft Beifall von der falschen Seite“. Um Gefahren zu begegnen, müsse man die Gründe für Verhalten aber erst einmal verstehen. „Fremdenscheu hat kulturunabhängig jeder – zu Fremdenhass wird erzogen!“

Worauf er stolz sei, wenn er zurückblickt? „Stolz kommt von stultus und das heißt dumm“, sagt er. Gut, aber wie steht es mit seinem Erfolgsrezept? „Dass ich die Forschung über das Verhalten von Tier und Mensch vorangetrieben habe. Und dass ich das Abenteuer nicht gescheut habe.“

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