Hollywood-Star Viggo Mortensen: „Politiker schüren die Angst“
Auf der Leinwand ist er seit Jahren immer wieder aufs Neue faszinierend – im Leben abseits davon ist er ein Gedicht. Viggo Mortensen (60), gebürtiger US-Amerikaner mit dänischen Vorfahren, schreibt tatsächlich Poesie und Songtexte. Er ist ein außergewöhnlich gewinnender Mann, der nie den Weltstar hervorkehrt und mit nachdenklichem Ernst jede Frage beantwortet. Dass er nach all den Jahren in Hollywood, den „Herr der Ringe“-Filmen und unzähligen Preisen immer noch so öffentlichkeitsscheu ist, gehört mit zu seinem Appeal.
Am Sonntag ist er wieder (zum vierten Mal bereits) für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Er „weiß“, dass sein Konkurrent Rami Malek (in der Rolle Freddie Mercurys in „Bohemian Rhapsody“) gewinnen wird, aber dem Enthusiasmus für „seinen“ Film (die Tragikomödie „Green Book – Eine besondere Freundschaft“) tut das keinerlei Abbruch.
KURIER: Waren Sie überrascht, dass Sie trotz skandinavischer Wurzeln als „Italo-New Yorker“ besetzt wurden?
Viggo Mortensen: Ich war ungeheuer nervös deshalb. Ich wollte keine Karikatur spielen, weil das natürlich zu verlockend ist. Imitiere einfach Robert De Niro – und die Figur ist vielleicht witzig, aber das Publikum nimmt es dir nicht ab. Mein erster Instinkt war, den Part abzulehnen. Aber das Buch war so grandios, dass ich meine Angst zum Ansporn genommen habe, dieser Geschichte gerecht zu werden.
In einer Szene nehmen Sie das „N-Wort“ in den Mund. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?
Dieser Mann ist anfangs ein Rassist. Der Film spielt in den 1960ern – die Figur (Tony Lip) hat ja wirklich gelebt und das Drehbuch stammt von seinem Sohn. Es hat mich überzeugt, dass er seinen Vater nicht verherrlicht und daher auch nicht die Wahrheit beschönigt. Das war mir genug.
Sie kommen immer mit Ihren gesunden Säften zu unseren Interviews und sprechen gern über Ihren gesunden Lifestyle. Und dann mussten Sie für die Rolle 30 Kilo zunehmen. Machte das viele Essen wenigstens Spaß?
Und wie! Wobei wir alle wissen, dass man sich nicht so gut fühlt, wenn man nach drei Desserts ins Bett geht! Aber dass ich nach einem Fresswochenende in die Garderobe komme und die Kostümbildner zu mir sagen: „Du, deine Hosen sind locker, du musst mehr essen!“, passiert einem Schauspieler nicht so oft. Dabei war das Essen am Filmset wunderbar, weil wir in New Orleans gedreht haben.
Das Abnehmen war dann eher nicht so lustig, oder?
Nein, das war furchtbar, denn weder hatte ich nach all dem feinen Essen Lust oder Disziplin dazu, noch ist Abnehmen so leicht in meinem Alter. Der Regisseur (Peter Farrelly) rief mich drei Monate nach dem Dreh an und meinte: „Du musst ja jetzt schon ordentlich viel Gewicht verloren haben!“ Und ich musste ihm gestehen, dass es kaum mehr als drei Kilo waren.
In ihrer Rolle in „Green Book“ schreiben Sie Liebesbriefe an Ihre Frau. In Wirklichkeit auch?
Ja, ich liebe das handgeschriebene Wort. Ich schreibe auch oft Postkarten und hoffe, dass die Post nie zusperrt.
Sie leben in Spanien, Dänemark, Argentinien und Kalifornien. Wie sehen Sie die Welt?
Leider sehe ich derzeit in erster Linie, wie – ganz egal, wo – alles nach rechts rückt, sogar in Skandinavien, das ja früher immer zu den weltoffensten Regionen der Erde zählte. Die Angst regiert und sie wird von Politikern noch geschürt. Aber ich bin Optimist und glaube, dass sich das alles wieder umkehren wird.
Wie war Ihr 60. Geburtstag?
Lustig. Wir zeigten unseren Film an der Boston Universität. Keiner wusste, dass es mein Geburtstag ist, aber um Mitternacht kam ein Mitarbeiter des Professors bei der Tür rein – mit einem Brownie samt Kerze drauf in der Hand.
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