Frühstück mit Gerhard Tötschinger
Eines der schönsten Fleckchen hat sich das Schauspielerpaar Gerhard Tötschinger und Christiane Hörbiger in der Badener Innenstadt ausgesucht. Im Schlossergäßchen, benannt nach den fünf Schlossern, die einst hier ihr Handwerk ausübten, bauten sie vor 24 Jahren ein mehr als dreihundert Jahre altes Haus zu ihrem Refugium um.
"Kommen Sie herein", begrüßt der Autor von mehr als 40 Büchern die Gäste am Gartentor. Seine tiefe, aus dem Bauch kommende Stimme ist so markant wie sein Vollbart, den Christiane Hörbiger so gern hat. Elegant auf seinen Stock gestützt – 2008 musste ihm ein Fuß nach einer Blutvergiftung amputiert werden – führt Tötschinger durch den kleinen Garten, vorbei an der verglasten Veranda mit den weißen Jugendstilmöbeln ins dunkle Barockzimmer zum gedeckten Frühstückstisch. Unübersehbar ist die Sammelleidenschaft des 65-Jährigen. Altes Spielzeug, Zinnsoldaten, Pfeifen und Antiquitäten von Thonet und Wiener Werkstätten.
Schlamperei
Kipferln, Semmeln und der Kaffee wurden ihm von der Bäckerei vis-à-vis geliefert. "Weil ich diese Kapselmaschine nicht bedienen kann. Den Kaffee macht nämlich immer die Frau Hörbiger." Und die ist heute in der Wiener Wohnung. Die Grande Dame des Theaters und des Films überlässt heute ihrem Lebenspartner, mit dem sie seit 1984 zusammen ist, die Bühne. "Warum wir noch nicht geheiratet haben? Pure Schlamperei, Frau Hörbiger und ich haben so viel zu tun." Wenn er von ihr spricht – und er spricht viel von ihr –, sagt er nicht Christiane, sondern Frau Hörbiger. "Zu ihr sag’ ich gern gnädige Frau oder Hörbigerlein."
Bei einem Kipferl mit Paprika und Emmentaler erzählt der Künstler aus seinem anekdotenreichen Leben. "Ich bin seit vielen Jahren bemüht, mit meinen Büchern, Inszenierungen, Vorträgen und unzähligen Fernsehsendungen G’scheites und Anspruchsvolles auf heitere Weise unter die Menschen zu bringen." Er habe eine nie enden wollende spätpubertäre Besessenheit. "Wenn ich von der Welt abgehe, möchte ich sie eine Spur verändert haben."
Der leidenschaftliche Pfeifenraucher ist ein Tausendsassa. Er weiß viel und hat auch viel zu erzählen. Der Autor etlicher Italien-Bücher – er hat auch für das italienische Fernsehen gearbeitet – spricht die Sprache unserer südlichen Nachbarn "wie Deutsch". Dass sich der Commendatore und Professor auch noch auf Englisch, Spanisch, Französisch, Latein oder Griechisch unterhalten kann, macht ihn stolz. "Ich lerne leicht Sprachen." Zurzeit ist es Russisch. Als Vorbereitung seiner Lesereise nach Moskau und St. Petersburg.
Christiane Hörbiger sagte einst in einem Interview auf die Frage, warum sie sich vor 28 Jahren in Gerhard Tötschinger verliebte: "Ich lege Wert darauf, dass Männer gut aussehen, und dass ich ein bisschen zu ihnen aufschauen kann." Ist der stattliche Mann eitel? "Ja, ja, was das Äußere betrifft. Ich schaue, dass ich ordentlich angezogen bin und kämpfe jeden Tag mit meinem Gewicht. Wenn ich bei Einladungen zu mehr Essen genötigt werde, lautet mein Standardsatz: Danke vielmals, ich bin eitler, als ich hungrig bin. Dann ist eine Ruh’."
Schwärmerei
Ins Schwärmen kommt er, wenn er von den Kochkünsten seiner Großmutter, Tochter eines reichen Restaurant- und Hotelbesitzers in Nordmähren, erzählt. Nach der Scheidung seiner Eltern wuchs er bei seinen Großeltern –„die Güte in Person" – in Wien und Baden auf. Im Sommer traf sich die Patchworkfamilie im Badener Haus. Für die Eltern mit ihren neuen Ehepartnern, seinen jüngeren Bruder und ihn ließ die Großmutter "Torten auffahren". An eine "unglaublich schöne Kindheit" erinnert sich der Vater einer 30-jährigen Tochter.
Weniger schön sei die Zeit der Scheidung seiner Eltern gewesen. Tötschingers Vater, der in Stalingrad als Berufsoffizier ein Bein verlor und später Direktor des Autoherstellers Gräf & Stift wurde, steckte ihn ins Internat, "weil ich ihm bei meinen Großeltern zu verweichlicht erzogen vor kam. Ich hab’ es gehasst." Jahrelange Funkstille zwischen Vater und Sohn gab es dann nach der Matura. "Er, ein doppelter Doktor, wollte, dass ich Jus studiere und dann auf die Diplomatische Akademie gehe."
Aber Gerhard Tötschinger interessierte nur das Theater. Er studierte Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und nahm Schauspiel- und Gesangsunterricht, bis ihn Gustav Manker ans Volkstheater engagierte. "Die Liebe zum Theater hat mit meinen Großeltern begonnen. Mit acht Jahren bin ich mit ihnen ins Burgtheater, damals das Ronacher, gegangen. Wir haben ,Der Bauer als Millionär‘ gesehen, da hat es mir die Sicherung durchgehaut." Und seine Mutter, eine Pianistin und Röntgenassistentin, nahm ihn in die Oper mit.
Wusste er damals schon, dass er einmal Schauspieler werden würde? "Daran hab’ ich nie gedacht, weil dafür brauchst du Selbstbewusstsein, und das hab’ ich nie gehabt", sagt ein so selbstbewusst wirkender Mann. Und jetzt? "Noch immer nicht. Ich täusche es vor. Bei meinem Vater hat es immer geheißen: ,Mehr sein als scheinen.‘ Ich habe immer an allem gezweifelt, was ich gemacht habe, mich nie vorgedrängt, das gehört sich nicht." Der im Sternzeichen Krebs Geborene versuchte sein ganzes Leben lang einen Löwen vorzutäuschen.
Als Kind trainierte er seinen Schriftzug mit markanten Ober- und Unterlängen zu versehen. "Weil ich gelesen hab’, dass das eine für hohe Sensibilität und das andere für hohe Intelligenz stehe", sagt Tötschinger, der Täuscher und lacht.
Seine unendliche Verehrung für Christiane Hörbiger (73) musste er allerdings nie vortäuschen. "Mir hat wahnsinnig imponiert, dass eine so schöne Person auch noch ihren Beruf so toll ausüben kann." Mit 21 stand er schon neben der großen Hörbiger auf der Bühne. Doch erst Jahre später, nachdem ihr Mann Rolf Bigler starb, funkte es bei den Salzburger Festspielen. "Sie hat einen unglaublich guten, fast kabarettistischen Humor, den sie aus der Hüfte schießt", schwärmt er von ihr. Wenn die beiden stundenlang beim Frühstück sitzen, erzählt Tötschinger Anekdoten. "Diese Geschichten machen sie selig."
Schimpferei
Weniger gut gefällt es ihm, wenn Hörbiger mit ihren Freundinnen, wie Ingrid Weck, oder ihren Schwestern Maresa und Elisabeth, zusammen sitzt. "Dann hört mir keiner zu, da habe ich keine Chance." An die Eifersucht der Hörbiger hat er sich gewöhnt. "Sie ist nämlich auch eifersüchtig auf meine Vergangenheit. Das bin ich nicht." Wenn ihr allerdings Verehrer zu nahe kommen, sieht er es nicht so gern. "Da war zum Beispiel Ephraim Kishon, eine Wanze. Er ist zu ihr hin gegangen und hat sie abgeküsst, obwohl er sie gar nicht so gut gekannt hat. Das hat mich schon geärgert. Da geht mir der Wind ins Gesicht und das Messer im Sack auf."
Offen ist Tötschinger, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Wie etwa sein vom ORF ignorierter 65. Geburtstag im Vorjahr. "Der Bayrische Rundfunk hat eine Stunde ein Porträt von mir gesendet, der ORF hat nicht einmal eine Meldung gemacht. Das empört mich", sagt der unabhängige ORF -Stiftungsrat. Schließlich habe er ja schon vor 45 Jahren seine erste Fernsehsendung moderiert. Bei der Wahl des Generaldirektors enthielt er sich der Stimme. "Ich bin bei keiner Partei", versichert der gepflegteste Bartträger Österreichs: ein Rübezahl mit Krawatte.
Info
Gerhard Tötschinger im Theater "Die neue Tribüne":
15. Februar: "Lachen!!!"
5. März: "Venedig!"
16. April: "Goethe, das ist doch zum Lachen!"
7. Mai: "Da fährt die Eisenbahn drüber"
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