Der schweigsame Äktschn-Star


Zehn Jahre ist es her, seit Gerhard Polt im Kino zu sehen war (siehe Steckbrief rechts unten). Er ist auf dem Weg zum Set seines neuen Films „Und Äktschn“. Die Satire über die Bewohner eines bayerischen Dorfs soll Ende des Jahres in die Kinos kommen. Der 70-Jährige wirkt gelassen. Noch eine halbe Stunde zuvor im Wirtshaus hat er mit Fistelstimme Papst Benedikt XVI. imitiert – zum Gaudium der versammelten Pressevertreter. Worte wie Missbrauchsskandal und Glaubenskrise hörte man heraus.

Dass er den Papst-Sketch jetzt nicht mehr spielen kann, bringt ihn nicht aus der Ruhe. „Ich finde es interessant, weil seit 700 Jahren kein Papst mehr zurückgetreten ist. Noch im August hab ich mir die Geschichten aller 364 Päpste – ohne Gegenpäpste – durchgesehen.“ Das Kabarett-Urgestein als Bücherwurm – nicht die einzige Überraschung an diesem Nachmittag.
Aus der Provinz
Gerhard Polt verlässt das Auto und zieht sich im Wohnwagen um. Der Dreh beginnt in einer halben Stunde. Als er zurück kehrt, trägt er eine graue Winterjacke, eine braune Strickweste und eine abgetragener Hose – sein Film-Outfit. Polt ist jetzt Hans Pospiech, Hobby-Filmemacher. „Ein Kinosaurier“, der in der bayerischen Provinz lebt und seine große Chance bei einem Filmwettbewerb wittert. „Die Rolle ist aus dem Leben gegriffen“, sagt der Kabarettist. Ob sie denn aus seinem Leben gegriffen ist? Er überlegt und lächelt. „Ja, ein bisschen. Auch ich bin in der Provinz aufgewachsen, in einer Kleinstadt von überregionaler Bedeutung. In Altötting. Es gibt Compostela und Altötting (ein Wallfahrtsort, in dessen Nähe Benedikt XVI. geboren wurde, Anmerkung) – da haben Wien und München gar keine Bedeutung mehr.“

Man glaubt es kaum: Plötzlich fehlen Polt die Worte – er hat das Skript verlegt: „Was ist ein Schauspieler ohne Drehbuch? Das ist wie ein Alkoholiker ohne Führerschein“, sagt er.
Wohldosierter Witz
Die Crewmitglieder lachen laut, Polt leise. Er ist kein Pausenclown. Seine Sager sind wohl dosiert. Die Menschen um ihn herum saugen jedes Wort auf. Polts bissiger Humor ist selten geworden. Präsenter sind jene Spaßmacher – in Deutschland Comedians genannt –, die vor Massenpublikum in Hallen auftreten.
Mit seiner Meinung über diese Berufskollegen hält sich Polt nobel zurück. „Schau, das mit dem Humor ist schwierig. Das Thema ist so weitläufig wie die Liebe“, sagt er. Er spricht jetzt sehr langsam und dehnt die Sätze: „Die verschiedenen sozialen Schichten haben ihren eigenen Humor. Die Banker haben einen anderen als die Bauern. Und das, was in den Medien verbreitet wird – naja, ich schaue kaum fern. Höchstens BBC World oder Al Jazeera, manchmal auch RAI.“
Die italienische Sprache beherrscht der Bayer ebenso wie das Schwedische. Polt hat Skandinavistik studiert, was wenige wissen. Auf die Frage „Warum?“, antwortet er mit einer Geschichte – im perfekten Schwedisch: „Ich habe in den 1960er-Jahren dort gelebt und in Göteborg studiert. Ich bin in Schweden vor Publikum aufgetreten. Olof, ein Humorist, hat mir geholfen, Auftritte zu bekommen.“
Ein schwedisches Wort, das ihm gefällt? „Tystnaden“ – das Schweigen. „Wie der Film von Ingmar Bergmann, der hat für viel Furore gesorgt“.
Polts beredtes Schweigen, 1980 bei der Verleihung des deutschen Kleinkunstpreises, sorgte für Aufsehen: Weil ZDF-Verantwortliche CSU-kritische Passage aus einem Manuskript des Kabarettisten gestrichen hatte, schwieg Polt. Zehn Minuten lang. Auf Sendung.
Gerhard Polts legendäres Schweigen ist nach 30 Jahren auf YouTube mit 28.000 Klicks noch immer ein Renner.
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