Stadlober: "Goebbels hätte viel anzufangen gewusst mit Social Media"
Eigentlich wollte Robert Stadlober keine Nazis mehr spielen. Zum Glück hat es sich der österreichische Schauspieler anders überlegt. In Joachim A. Langs "Führer und Verführer", der am Donnerstag (11. Juli) in den Kinos startet, schlüpft er in die Rolle von Joseph Goebbels. Im Gespräch mit der APA sprach der 41-Jährige über die unangenehmen Seiten der Figur und warum Hitlers Chefdemagoge mit Social Media viel anzufangen gewusst hätte.
Die Stimme von Adolf Hitler kennt jeder. Man kennt das Rumgeschreie. Mit Inbrunst hat er am Ende seiner Reden gerne gebellt und geheult. Joachim A. Langs eindringliches Geschichtsdrama "Führer und Verführer" beginnt mit einer Tonaufnahme des Diktators, die heimlich in Finnland aufgenommen wurde. Es ist seine normale Stimme, und sie ist ruhig und sympathisch. Es ist ein schockierender Kontrast zu seinen öffentlichen Auftritten. Ja fast charmant klingt der grausame NS-Führer.
"Mir sind die Schuppen von den Augen gefallen", erinnert sich Robert Stadlober an den Moment, in dem sein Schauspielkollege Fritz Karl ("Höhenangst") in die Rolle von Hitler schlüpfte. Ein freundlicher Plauderer ist das. "Natürlich hat dieser Mann fast ganz Europa auf seine Seite gezogen, und zwar die komplette Großindustrie. Das hat er bestimmt nicht geschafft, indem er sie angeschrien hat."
"Jeden Morgen erschreckend"
Stadlober spielt den Verführer Joseph Goebbels, den Puppenspieler, der die Fäden des Führers zieht - und das tut er durchaus virtuos. Aber letztendlich ist es "in erster Linie unangenehm" Dinge wie einen Hitler-Gruß spielen zu müssen, erzählt er. "Das Erste, was ich gemacht habe, wenn die Kamera aus war, war die Jacke mit der Hakenkreuzbinde abzulegen. Für mich war es jeden Morgen erschreckend, mich in dieser Kleidung zu sehen."
Der mittlerweile in Wien lebende Darsteller, bekannt geworden mit den Filmen "Crazy" (2000) und "Sonnenallee" (1999), war ziemlich baff als Joachim A. Lang ("Mackie Messer") ihm die Hauptrolle des Goebbels anbot. "Da hab ich erst einmal so ein bissl nervös gekichert", erzählt er. "Ich war komplett überrascht und erschrocken." Er hatte eigentlich abgeschlossen mit "Nazi-Rollen". "Oft ist es so, dass man in Reiterstiefeln über Flure stampft und laut deutsche Worte schreit - und das wollte ich eigentlich nicht noch öfter machen." Er musste erst darüber nachdenken, aber er hat sich natürlich trotz anfänglicher Zweifel für die Rolle entschieden, nicht zuletzt, weil "man eine gewisse historische Verantwortung hat", sagt er. "Diesen filmischen Fälschungstaktiken auf den Grund zu gehen, das finde ich sehr schlüssig. Letzten Endes ist es meine Aufgabe als Schauspieler, genuine Geschichten zu erzählen."
Diese Geschichte, ein "Making of des Dritten Reichs", wie es Lang auch genannt hat, dreht sich vor allem um jene Bilder und Wahrheiten, die uns Goebbels vorenthalten wollte. "Das fängt bei der Sprache an", erzählt Stadlober. "Goebbels kommt aus einfachen Verhältnissen. Er spricht diesen niederrheinischen Singsang. Sein Menschenideal ist aber das von Siegfried der Nibelungen, der ein schönes wagnerianisches Hochdeutsch spricht. Das kriegt er nie hin. Er scheitert permanent an der eigenen Sprachidee. Das Gleiche gilt für seinen Körper. Er versucht in den paar Filmschnipseln, die es von ihm gibt, zu vermeiden, dass man sieht, wie er Treppen rauf und runter geht, weil er eben diesen Klumpfuß hat. Er hat Leute angewiesen, langsamer zu gehen als er. Das sind alles Dinge, die er sich überlegt hat, die er auch in seinen Tagebüchern beschreibt. Das war das, was uns interessiert hat."
Goebbels hält Propaganda für Malerei und Hitler für sein ganz persönliches Kunstwerk. Stadlober spielt ihn als geschleckten Demagogen mit Gott-Komplex. "Ich habe den Führer-Mythos erschaffen!", brüllt er in einer Szene. Wenn Hitlers Hand zittert, dann wird das sofort aus der Wochenschau geschnitten. Er probt seine berüchtigte Sportpalastrede vor dem Spiegel und produziert dann die gesamte "Show". Er erfindet auch das Massenmedium. "Er hat den Volksempfänger, das Radio, erschwinglich bauen lassen, sodass jeder Zugang zu Informationen hatte", sagt Stadlober.
"Das ist die erste Vorversion dessen, was wir heute mit diesen Pushnachrichten haben, wo wir auch das Gefühl haben, wir sind am Puls der Zeit. Aber ähnlich wie im Volksempfänger damals, fehlt auch in TikTok-Echokammern die Einordnung. Die Analyse, die eben Journalismus leisten kann." Er scheitert selbst auch oft daran, wie man Social Media am besten nutzt oder auch nicht, erzählt er, "scrollt durch irgendwelche blöden Kanäle". Heute ist der Einfluss der Medien noch weitaus größer als damals, aber die Mechanismen der Manipulation sind die gleichen wie damals. "Joseph Goebbels hätte sehr viel anzufangen gewusst mit Social Media", zeigte sich Stadlober überzeugt: "Auf diesem Nährboden des gefährlichen Halbwissens, da lässt sich natürlich eine grauenhafte Saat aussähen."
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