Richard Lugner ist tot: Unternehmer und Übertreiber, Baulöwe und Balltiger

Ein älterer Mann in einem blauen Sakko vor einem schwarzen Hintergrund.
Unternehmer und Übertreiber, Baulöwe und Balltiger, viel Genie, wenig Genierer: Richard Lugner (1932–2024) starb am Montag in Wien. Ein Nachruf.
Dieter Chmelar

Dieter Chmelar

Die Nachricht vom Tod des 91-jährigen Baulöwen Richard Lugner in den frühen Montagmorgenstunden weckte ungläubiges Staunen, denn Richard Lugner schien – auch noch in seinen 90ern – unverwundbar und als nahezu „nestroyhafte“ Idealbesetzung der allabendlich ausgestrahlten Aufführung artgerechter Adabeiläufigkeit. Für Autorin Angelika Hager war der „Herr Inschinör“ ja der „besessenste Homo Seitenblickiensis“.

Das tat dem „Baumeister der Nation“ zwar keinerlei Abbruch, wird seiner Doppelrolle – frei nach Johann Nepomuks „Zu ebener Erd’ und erster Stock“ – aber nicht gerecht genug, war er doch zeitlebens sowohl der arme Tandler Schlucker als auch der reiche Herr von Goldfuchs. Einst, mit zehn Jahren Halbwaise (der Vater blieb im Krieg), träumte er von einem Butterbrot mit Zucker drauf – Jahrzehnte später, als „Rigips-Danilo von Rudolfsheim“ (so KURIER-Legende Herbert Hufnagl), bevorzugte er, vor aller Welt und Allerweltstars beim Diner im Sacher vorm Defilee zum Opernball, die gleichfalls in Schale geworfenen Austern – mit Ketchup! Da leckte die Geschmackspolizei gern Blut.

„Größter unter Kleinen“

Aber nicht nur bei Meerestieren brach der „eitle Maurer“ (Ur-Adabei Roman Schliesser) quasi als „Rache des kleinen Mannes an der Society“ (Publizist Sven Gächter) verkrustete Strukturen auf. Er war alles Mögliche – aber er vor allem eines: authentisch, ob nun als Unternehmer als Übertreiber, als Baulöwe, Balltiger, ja sogar als Selbstdarsteller zum Fremdschämen. Er stellte sich vor jede Kamera, aber er verstellte sich nie. Ein Paradefall fürs Wirtschaftswunder und für ein Gesellschaftsmirakel.

Ein Mann in Anzug steht vor einer Menge roter und weißer Ballons in einem Einkaufszentrum.

Politische Testballons: Präsidentschaftskandidat & Parteigründer

Sein Credo: „Ich will der Größte sein unter den Kleinen.“ So war er sich für keine Peinlichkeit zu schade, auch für keine Kleinlichkeit. Wenn es sich in seiner Lugner City staute, wies er persönlich Garagenplätze zu und kassierte einmal sogar Watsch’n eines unduldsamen Lenkers.

Ein lächelnder Mann im Anzug winkt aus einem Cabriolet.

"Auch der Kasperl zu sein ist eine Form von Erfolg."

Eine Frau und ein Mann präsentieren eine Zeitschrift mit einem Artikel über Edie Britt.

"Sie ist das Luder." (über Opernball-Gast Nicolette Sheridan)

Ein lächelnder älterer Mann mit Bergmannshut hält einen dünnen Stab in der Hand.

"Grantige Frauen muss man schlecht behandeln. Wiederschauen."

Ein Mann hält ein Foto von Carolin Reiber vor einem Dschungelhintergrund.

"Da werde ich wieder mein Englisch auspacken müssen, und das ist ungefähr so wie das von Strasser - einfach schlecht."

Ein älterer Mann im Anzug und eine junge Frau mit einer Louis Vuitton Handtasche stehen in einer Hotellobby.

"Sie ist eine tolle Frau. Und auch Päpste hatten Mätressen." (über Opernballgast Ruby Rubacuori)

Eine Menschenmenge versammelt sich im Lugner City Einkaufszentrum für eine Autogrammstunde mit Jane Fonda.

"Dazu haben wir sehr viele junge Shops, die junge Mäderln anziehen. Wegen den Mäderln kommen dann wiederum die Männer."

Richard Lugner steht vor einem farbenfrohen Porträt von sich selbst.

"Ich habe damals etwas gemacht, was heute verboten wäre." (über seine erste Million)

Ein Mann mit Zylinder und eine Frau in einem perlenbesetzten Kleid posieren für ein Foto.

"Sie ist sehr seriös. Wie der Lugner." (über seinen Opernballgast Mira Sorvino)

Ein Mann in Anzug steht vor einer Menge roter und weißer Ballons in einem Einkaufszentrum.

"Ich würde für mehr Glamour in der Hofburg sorgen, denn die politische Macht des Bundespräsidenten ist äußerst begrenzt."

Das beleuchtete Einkaufszentrum Lugner City in Wien bei Nacht.

"Damit die Wiener mit ihren G'schroppen am Sonntag nicht in Ungarn shoppen!" (Statement für Sonntagsöffnung)

Eine Braut mit Schleier und ein älterer Mann fahren in einem blauen Oldtimer.

"Es ist meine letzte Ehe." (kurz vor seiner sechsten Hochzeit)

Ein Mann im Anzug schaut auf seine Armbanduhr.

"Ich drehe mit meinen fünf Tierchen beim Jungbauernkalender." (wie er seinen 90. Geburtstag verbringen wird)

Eine Frau im Paillettenkleid und ein Mann mit Zylinder posieren für ein Foto.

"Sie macht alles, was man ihr sagt." (Über Priscilla Presley)

Gäste in Abendgarderobe in einer Loge bei einer Veranstaltung.

"Ich bringe seit Jahren internationale Gäste, während Staatsoperndirektor Ioan Holender Leichenzüge mit Künstlern abhält, die keiner kennt."

Ein älteres Paar tanzt auf einem Ball, umringt von Fotografen.

"Er ist ein Siegertyp und ein erfolgreicher Unternehmer - auch wenn er in Konkurs war." (über Trump)

Ein lächelnder Mann in einem dunklen Anzug vor einem schwarzen Hintergrund.

"Ich bin ein Wüstling."

Pamela Anderson und ein älterer Mann posieren zusammen für ein Foto.

"Oberweite 96 - das allein sollte dem Opernball einen Flair geben." (über Pamela Anderson)

Ein Mann im Smoking posiert mit einer blonden Frau vor einer Wand mit Logos.

"Warum soll man sich eine teure Frau leisten, wenn man auch eine billige haben kann?"

Eine Frau in weißer Kleidung und ein Mann mit einem „Boss“-Pullover posieren vor einem Fenster mit Seeblick.

"Ich sehe jetzt aus wie George Clooney." (nach einer Botox-Behandlung)

Ein Mann im blauen Anzug präsentiert eine Flasche Lugneroff Vodka, neben ihm eine Frau mit einem Glas Sekt.

"Was für mich peinlich ist, das entscheide ich allein und nicht die Medien oder sonst irgendjemand."

Ein Mann im Smoking hält ein Glas Sekt vor dem Hintergrund eines Opernhauses.

"Auch von mir gibt es Nacktfotos."

Ein Mann mit Gesichtsschutz sitzt an einem Schreibtisch mit Bauplänen.

"Förtschi" (gemeint ist Sarah Ferguson)

Zwei Männer in Fräcken und Zylindern grüßen mit ihren Hüten.

"Solange es gesundheitlich geht, mache ich weiter. Und wenn es nicht mehr geht, hoffe ich, dass ich sanft entschlafe."

Ein Mann mit einer „Lugner for President“-Kappe spricht durch ein Megafon.

"Diese Frauen sind ja auch Menschen, nicht nur die Kinder." (unbeeindruckt von Protesten von Abtreibungsgegnern gegen eine sexualmedizinischen Klinik in der Lugner City)

Darm und Fruchtblase

Legendär: Lugners Sendungsbewusstsein. Er wollte unentwegt bewusst sein, dass etwas von ihm auf Sendung ging – so lud er die dankbare Presse zu Darmspiegelung, Zahnbehandlung oder Botox-Entfaltung und meldete via Handy live das Platzen der Fruchtblase seiner vierten Gemahlin Christina.

Ein Mann mit Safarihut hält einen wandelnden Ast in der Hand.

Um keine Selbstinszenierung verlegen: Kakerlaken-Essen  2009

Er konnte durchaus auch auszucken, wie die ATV-Reality-Soaps (seit 2003) detailverliebt dokumentierten – aber selbst bei grober Geringschätzung blieb „der Mörtel“ unangerührt. Dem profil verriet er zum 90er: „Ich bin gut im Verdrängen und nie nachtragend.“ Ihn durch jenen Kakao zu ziehen von dem er sich, frei nach Kästner, noch ernährte, war die Schokoladenseite für Spießer, Spaßer & Spötter.

Doch er klagte nie. Denn: Richard Lugner war der Mann, der sich nicht kränken ließ.

Seine Ehefrauen, seine „Tierchen“

Spätzünder
Lugner zitierte gerne sein Idol, Billa-Milliardär Karl Wlaschek (2015), dessen Villa er baute: „Beim G’schäft bin i guat, bei die Weiber bin i a Depp.“  Mit 29 heiratete er „die einzige Frau, in die ich je verliebt war“, Christine Gmeiner (heute 85), mit der er zwei Söhne hat (Andreas, 61, Alexander, 58).

Ein junger Richard Lugner mit einer jungen Frau, vermutlich in den 1950er Jahren.

1961 mit Christine: Seine größte Liebe

Rückfalltäter
Nach der Scheidung (1978) folgten fünf Ehen: Mit Cornelia (1979–1983), mit Susanne (1984–1989), mit Christina „Mausi“ (1990–2007), mit der er Tochter Jacqueline (30) hat, und mit Cathy „Spatzi“ (2014–2016). Mit der Schauspielerin Sonja Jeannine hat er zudem Tochter Nadin (39). Die letzte Ehe zu Simone Reiländer alias "Bienchen" wurde erst am 1. Juni diesen Jahres geschlossen. 

Eine Frau mit lockigem Haar und ein Mann mit Krawatte schauen sich lächelnd an.

Die vierte Ehefrau:  „Mausi“, bis 2007

Streichelzoo
Kurzzeit-Partnerinnen taufte er Katzi, Bambi, Goldfisch, Hasi, Kolibri, Bienchen oder Käfer.  

 

Ein Brautpaar sitzt an einem Tisch mit Hochzeitstorte, die mit Tauben verziert ist.

Die "letzte" Ehe wurde erst im Juni 2024 geschlossen. 

Seine „Aschenputtel“ für eine Nacht

Fehlstart im Frack
1991 hatte Lugner sein größtes Sex-Idol Gina Lollobrigida fix an der Angel – doch der Opernball wurde (wegen des 1. Irakkriegs) abgesagt. Nach seinem einzigen männlichen „Aufputz“, Calypso-King Harry Belafonte (1992), engagierte er nur noch Frauen für frackwürdige Nächte.

Schillernde Gäste
Nach Joan Collins, Ivana Trump und Sophia Loren kam die erste schrille Sirene: Grace Jones, die 1996 (samt Lover) Lugner aus der Loge sperrte und „laut und vernehmlich“ Sex hatte.

Grace Jones mit offenem Mund, Pelzmantel und großem Hut auf einer Veranstaltung.

Ärger gab es 2005 mit Interview-Verweigerin Geri Halliwell und 2007 mit Walzer-Muffel Paris Hilton. 2008 verschwand Dita Von Teese ewig am Klo.

Lugners liebste Cinderellas
Für Millionengagen am „pflegeleichtesten“: Pamela Anderson (2017) & Jane Fonda (2023).

Pamela Anderson und ein älterer Mann posieren zusammen für ein Foto.

Seine politischen Ambitionen

Der Tausendsassa hatte auch politische Ambitionen. Selbst politisch aktiv wurde der Unternehmer erstmals in den 1990er-Jahren. Lugner trat zur Bundespräsidenten-Wahl 1998 an und sicherte sich immerhin 9,9 Prozent der Stimmen. Von dem überraschenden Erfolg angetrieben gründete Lugner mit seiner damaligen Frau Christina die Partei "Die Unabhängigen" und wollte in den Nationalrat einziehen. Der Erfolg war bescheiden. Ein Prozent der Stimmen war bei weitem nicht genug für einen Platz im Parlament. Die Parteigründung war allerdings nicht nachhaltig.  2016 kandidierte Lugner erneut um das Amt des Bundespräsidenten und erreichte 2,26 Prozent der Stimmen. 

Lugner gehörte politisch gesehen definitiv eher zum Bereich rechts der Mitte. Verbindungen gab es in den vergangenen Jahren vor allem in Richtung der Freiheitlichen. Mit dem Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) besuchte er noch heuer den umstrittenen "Akademikerball". 

Dass der Name Lugner politisch weiter auf der Bühne bleibt, ist dem Schwiegersohn des Baumeisters zu verdanken. FP-Politiker Leo Kohlbauer nahm nach der Hochzeit mit Lugner-Tochter Jacqueline den Namen Lugner an.

Seine Bauten für alle Weltreligionen

Die 3 von den Tankstellen
Nach Matura und harten Lehrzeiten gründete er 1962 seine erste Firma mit Gattin Christine und einem Angestellten. Man baute um und aus, etwa Tankstellen und alte Werksgebäude.

Das erste Eigenheim
Der Mann, der später kühne Penthäuser und noble Villen für Superreiche baute, bezog erst 1965 die erste gemeinsame Wohnung mit der ersten Frau.

Auf jeden Gott gebaut
Der Durchbruch kam 1977 mit Österreichs erster Moschee.

Eine Moschee mit einem Minarett und einer grünen Kuppel an einem trüben Tag.

Lugner ist römisch-katholisch, renovierte das Erzbischöfliche Palais, eine griechisch-orientalische Kirche, Wiens jüdische Synagoge, Häuser für Scientology und Freimaurer und baute eine buddhistische Stupa.

Der Einkaufstempel
Sein Denkmal, die Lugner City, eröffnete Dagmar Koller 1990.

Autogrammstunde von Jane Fonda, Opernballgast 2023.

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