Richard Lugner ist tot: Unternehmer und Übertreiber, Baulöwe und Balltiger
Dieter Chmelar
12.08.24, 09:50Die Nachricht vom Tod des 91-jährigen Baulöwen Richard Lugner in den frühen Montagmorgenstunden weckte ungläubiges Staunen, denn Richard Lugner schien – auch noch in seinen 90ern – unverwundbar und als nahezu „nestroyhafte“ Idealbesetzung der allabendlich ausgestrahlten Aufführung artgerechter Adabeiläufigkeit. Für Autorin Angelika Hager war der „Herr Inschinör“ ja der „besessenste Homo Seitenblickiensis“.
Das tat dem „Baumeister der Nation“ zwar keinerlei Abbruch, wird seiner Doppelrolle – frei nach Johann Nepomuks „Zu ebener Erd’ und erster Stock“ – aber nicht gerecht genug, war er doch zeitlebens sowohl der arme Tandler Schlucker als auch der reiche Herr von Goldfuchs. Einst, mit zehn Jahren Halbwaise (der Vater blieb im Krieg), träumte er von einem Butterbrot mit Zucker drauf – Jahrzehnte später, als „Rigips-Danilo von Rudolfsheim“ (so KURIER-Legende Herbert Hufnagl), bevorzugte er, vor aller Welt und Allerweltstars beim Diner im Sacher vorm Defilee zum Opernball, die gleichfalls in Schale geworfenen Austern – mit Ketchup! Da leckte die Geschmackspolizei gern Blut.
„Ich bewunderte an ihm schon seit Jahren die reine Trivialität, an der auch Thomas Bernhard zerschellt wäre“
Thaddäus Podgorski, Ex-ORF-Generalintendant
„Was soll ich gegen mein’ Spitznamen 'Mörtel' haben? Ein schöner Titel: Mörtel ist ein Bindemittel und ich bin der Mörtel der Gesellschaft“
Ingenieur Technischer Rat Baumeister Richard Lugner
„Der geschätzte Marktwert der Marke 'Lugner' beträgt rund 150 Millionen Euro“
Dr. Gerhard Puttner, Werbe-Legende (2018)
„Ich kenne andere, wesentlich reichere Menschen, die reden nur herum. Lugner hat Handschlagqualität und ich hatte
mein Leben lang ein Faible für authentische Menschen“
Lotte Tobisch-Labotyn, Ex-Opernballchefin ( 2019)
„Ein tüchtiger, schlauer, verlässlicher Geschäftsmann mit unfassbarer Energie. Jeder andere wäre 20 Jahre früher
aus den Patschen gekippt“
Edith Leyrer, Schauspielerin
„Den jugendlichen Übermut, Geld auf den Schädel zu hauen, kannte ich niemals, weil wir einfach keines hatten“
Lugner über seine Kindheit (mit 10 Jahren Halbwaise)
„Größter unter Kleinen“
Aber nicht nur bei Meerestieren brach der „eitle Maurer“ (Ur-Adabei Roman Schliesser) quasi als „Rache des kleinen Mannes an der Society“ (Publizist Sven Gächter) verkrustete Strukturen auf. Er war alles Mögliche – aber er vor allem eines: authentisch, ob nun als Unternehmer als Übertreiber, als Baulöwe, Balltiger, ja sogar als Selbstdarsteller zum Fremdschämen. Er stellte sich vor jede Kamera, aber er verstellte sich nie. Ein Paradefall fürs Wirtschaftswunder und für ein Gesellschaftsmirakel.
Sein Credo: „Ich will der Größte sein unter den Kleinen.“ So war er sich für keine Peinlichkeit zu schade, auch für keine Kleinlichkeit. Wenn es sich in seiner Lugner City staute, wies er persönlich Garagenplätze zu und kassierte einmal sogar Watsch’n eines unduldsamen Lenkers.
"Auch der Kasperl zu sein ist eine Form von Erfolg."
"Sie ist das Luder." (über Opernball-Gast Nicolette Sheridan)
"Grantige Frauen muss man schlecht behandeln. Wiederschauen."
"Da werde ich wieder mein Englisch auspacken müssen, und das ist ungefähr so wie das von Strasser - einfach schlecht."
"Sie ist eine tolle Frau. Und auch Päpste hatten Mätressen." (über Opernballgast Ruby Rubacuori)
"Dazu haben wir sehr viele junge Shops, die junge Mäderln anziehen. Wegen den Mäderln kommen dann wiederum die Männer."
"Ich habe damals etwas gemacht, was heute verboten wäre." (über seine erste Million)
"Sie ist sehr seriös. Wie der Lugner." (über seinen Opernballgast Mira Sorvino)
"Ich würde für mehr Glamour in der Hofburg sorgen, denn die politische Macht des Bundespräsidenten ist äußerst begrenzt."
"Damit die Wiener mit ihren G'schroppen am Sonntag nicht in Ungarn shoppen!" (Statement für Sonntagsöffnung)
"Es ist meine letzte Ehe." (kurz vor seiner sechsten Hochzeit)
"Ich drehe mit meinen fünf Tierchen beim Jungbauernkalender." (wie er seinen 90. Geburtstag verbringen wird)
"Sie macht alles, was man ihr sagt." (Über Priscilla Presley)
"Ich bringe seit Jahren internationale Gäste, während Staatsoperndirektor Ioan Holender Leichenzüge mit Künstlern abhält, die keiner kennt."
"Er ist ein Siegertyp und ein erfolgreicher Unternehmer - auch wenn er in Konkurs war." (über Trump)
"Ich bin ein Wüstling."
"Oberweite 96 - das allein sollte dem Opernball einen Flair geben." (über Pamela Anderson)
"Warum soll man sich eine teure Frau leisten, wenn man auch eine billige haben kann?"
"Ich sehe jetzt aus wie George Clooney." (nach einer Botox-Behandlung)
"Was für mich peinlich ist, das entscheide ich allein und nicht die Medien oder sonst irgendjemand."
"Auch von mir gibt es Nacktfotos."
"Förtschi" (gemeint ist Sarah Ferguson)
"Solange es gesundheitlich geht, mache ich weiter. Und wenn es nicht mehr geht, hoffe ich, dass ich sanft entschlafe."
"Diese Frauen sind ja auch Menschen, nicht nur die Kinder." (unbeeindruckt von Protesten von Abtreibungsgegnern gegen eine sexualmedizinischen Klinik in der Lugner City)
Darm und Fruchtblase
Legendär: Lugners Sendungsbewusstsein. Er wollte unentwegt bewusst sein, dass etwas von ihm auf Sendung ging – so lud er die dankbare Presse zu Darmspiegelung, Zahnbehandlung oder Botox-Entfaltung und meldete via Handy live das Platzen der Fruchtblase seiner vierten Gemahlin Christina.
Er konnte durchaus auch auszucken, wie die ATV-Reality-Soaps (seit 2003) detailverliebt dokumentierten – aber selbst bei grober Geringschätzung blieb „der Mörtel“ unangerührt. Dem profil verriet er zum 90er: „Ich bin gut im Verdrängen und nie nachtragend.“ Ihn durch jenen Kakao zu ziehen von dem er sich, frei nach Kästner, noch ernährte, war die Schokoladenseite für Spießer, Spaßer & Spötter.
Doch er klagte nie. Denn: Richard Lugner war der Mann, der sich nicht kränken ließ.
Seine Ehefrauen, seine „Tierchen“
Spätzünder
Lugner zitierte gerne sein Idol, Billa-Milliardär Karl Wlaschek (2015), dessen Villa er baute: „Beim G’schäft bin i guat, bei die Weiber bin i a Depp.“ Mit 29 heiratete er „die einzige Frau, in die ich je verliebt war“, Christine Gmeiner (heute 85), mit der er zwei Söhne hat (Andreas, 61, Alexander, 58).
Rückfalltäter
Nach der Scheidung (1978) folgten fünf Ehen: Mit Cornelia (1979–1983), mit Susanne (1984–1989), mit Christina „Mausi“ (1990–2007), mit der er Tochter Jacqueline (30) hat, und mit Cathy „Spatzi“ (2014–2016). Mit der Schauspielerin Sonja Jeannine hat er zudem Tochter Nadin (39). Die letzte Ehe zu Simone Reiländer alias "Bienchen" wurde erst am 1. Juni diesen Jahres geschlossen.
Streichelzoo
Kurzzeit-Partnerinnen taufte er Katzi, Bambi, Goldfisch, Hasi, Kolibri, Bienchen oder Käfer.
Seine „Aschenputtel“ für eine Nacht
Fehlstart im Frack
1991 hatte Lugner sein größtes Sex-Idol Gina Lollobrigida fix an der Angel – doch der Opernball wurde (wegen des 1. Irakkriegs) abgesagt. Nach seinem einzigen männlichen „Aufputz“, Calypso-King Harry Belafonte (1992), engagierte er nur noch Frauen für frackwürdige Nächte.
Schillernde Gäste
Nach Joan Collins, Ivana Trump und Sophia Loren kam die erste schrille Sirene: Grace Jones, die 1996 (samt Lover) Lugner aus der Loge sperrte und „laut und vernehmlich“ Sex hatte.
Ärger gab es 2005 mit Interview-Verweigerin Geri Halliwell und 2007 mit Walzer-Muffel Paris Hilton. 2008 verschwand Dita Von Teese ewig am Klo.
Lugners liebste Cinderellas
Für Millionengagen am „pflegeleichtesten“: Pamela Anderson (2017) & Jane Fonda (2023).
Seine politischen Ambitionen
Der Tausendsassa hatte auch politische Ambitionen. Selbst politisch aktiv wurde der Unternehmer erstmals in den 1990er-Jahren. Lugner trat zur Bundespräsidenten-Wahl 1998 an und sicherte sich immerhin 9,9 Prozent der Stimmen. Von dem überraschenden Erfolg angetrieben gründete Lugner mit seiner damaligen Frau Christina die Partei "Die Unabhängigen" und wollte in den Nationalrat einziehen. Der Erfolg war bescheiden. Ein Prozent der Stimmen war bei weitem nicht genug für einen Platz im Parlament. Die Parteigründung war allerdings nicht nachhaltig. 2016 kandidierte Lugner erneut um das Amt des Bundespräsidenten und erreichte 2,26 Prozent der Stimmen.
Lugner gehörte politisch gesehen definitiv eher zum Bereich rechts der Mitte. Verbindungen gab es in den vergangenen Jahren vor allem in Richtung der Freiheitlichen. Mit dem Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) besuchte er noch heuer den umstrittenen "Akademikerball".
Dass der Name Lugner politisch weiter auf der Bühne bleibt, ist dem Schwiegersohn des Baumeisters zu verdanken. FP-Politiker Leo Kohlbauer nahm nach der Hochzeit mit Lugner-Tochter Jacqueline den Namen Lugner an.
Seine Bauten für alle Weltreligionen
Die 3 von den Tankstellen
Nach Matura und harten Lehrzeiten gründete er 1962 seine erste Firma mit Gattin Christine und einem Angestellten. Man baute um und aus, etwa Tankstellen und alte Werksgebäude.
Das erste Eigenheim
Der Mann, der später kühne Penthäuser und noble Villen für Superreiche baute, bezog erst 1965 die erste gemeinsame Wohnung mit der ersten Frau.
Auf jeden Gott gebaut
Der Durchbruch kam 1977 mit Österreichs erster Moschee.
Lugner ist römisch-katholisch, renovierte das Erzbischöfliche Palais, eine griechisch-orientalische Kirche, Wiens jüdische Synagoge, Häuser für Scientology und Freimaurer und baute eine buddhistische Stupa.
Der Einkaufstempel
Sein Denkmal, die Lugner City, eröffnete Dagmar Koller 1990.
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